Die Entscheidung des OLG Hamm bedarf einiger Anmerkungen.

1. Verfahrensrechtliches

Das OLG Hamm ist mit keinem Wort auf die verfahrensrechtlichen Besonderheiten des vor der Rechtspflegerin des LG Essen geführten Kostenfestsetzungsverfahrens eingegangen.

a) Teilrücknahme des Kostenfestsetzungsantrags

Der Kläger hatte seinen ursprünglich die Einigungsgebühr mit erfassenden Kostenfestsetzungsantrag auf den Hinweis der Rechtspflegerin, für die Einigungsgebühr fehle es an einer entsprechenden Kostengrundentscheidung, "berichtigt" und nunmehr seine außergerichtlichen Kosten ohne die Einigungsgebühr zur Festsetzung angemeldet. Damit hat der Kläger seinen Kostenfestsetzungsantrag teilweise zurückgenommen. Indem die Rechtspflegerin in ihrem Kostenfestsetzungsbeschl. v. 29.6.2022 die Kosten einschließlich der seinerzeit vom Kläger nicht mehr geltend gemachten Einigungsgebühr festgesetzt hat, hat sie gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen. Sie hat nämlich zugunsten des Klägers mehr festgesetzt, als dieser zuletzt noch geltend gemacht hatte. Die gegen die Festsetzung der Einigungsgebühr gerichtete sofortige Beschwerde hätte daher bereits aus diesem Grunde Erfolg haben müssen. Auf die vom OLG Hamm angesprochene Problematik kam es somit gar nicht an.

b) Neuer Kostenfestsetzungsantrag

Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger in seiner Stellungnahme auf die sofortige Beschwerde der Beklagten geltend gemacht hatte, die Korrektur seines Kostenfestsetzungsantrags sei nur irrtümlich erfolgt, der ursprünglich nunmehr erneut "berichtigend" gestellte Antrag sei zutreffend. Soweit darin eine Anfechtung seiner Teil-Rücknahmeerklärung liegen sollte, ist festzustellen, dass die Prozesserklärung nicht anfechtbar ist. Allenfalls ist die Erklärung, der ursprüngliche, die Einigungsgebühr mit enthaltende Kostenfestsetzungsantrag sei zutreffend, als neuer Kostenfestsetzungsantrag anzusehen. Über diesen hatte die Rechtspflegerin jedoch noch nicht entschieden.

2. Umfang der Kostenregelung

a) Verschiedene Arten des gerichtlichen Vergleichs

Vorliegend haben die Parteien keinen außergerichtlichen, sondern einen gerichtlichen Vergleich geschlossen. Ein den Prozess beendender und zur Zwangsvollstreckung geeigneter Prozessvergleich i.S.d. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO liegt nicht nur dann vor, wenn das Gericht diesen Vergleich gem. § 160 ZPO im gerichtlichen Protokoll beurkundet. Vielmehr kann ein Vergleich auch in dem schriftlichen Verfahren nach § 278 Abs. 6 ZPO geschlossen werden. In diesem Fall wird die gerichtliche Beurkundung durch den Beschluss nach § 278 Abs. 6 S. 2 ZPO ersetzt, indem das Gericht das wirksame Zustandekommen und den Inhalt des Vergleichs feststellt (s. Zöller/Greger, a.a.O., § 278 ZPO Rn 34). Dies gilt unabhängig davon, ob das Gericht den Parteien einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreitet hat oder die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten und dessen Feststellung beantragen. Ein gem. § 278 Abs. 6 ZPO abgeschlossener Vergleich entspricht in seinen Wirkungen einem in einer mündlichen Verhandlung abgeschlossenem Prozessvergleich (BGH WM 2012, 1489 = MDR 2012, 1060; BAG NJW 2007, 1831 = NZA 2007, 466, das bereits in seinem Leitsatz von einem gerichtlichen Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO spricht).

b) Kostenregelung

In der Entscheidung des OLG Hamm ging es um die Frage, ob die Regelung in dem Vergleich über die "Kosten des Rechtsstreits" auch die Kosten des Vergleichs erfasst, oder ob § 98 S. 1 ZPO anwendbar ist, nach dem die Kosten eines abgeschlossenen Vergleichs als gegeneinander aufgehoben anzusehen sind, wenn die Parteien nichts anderes vereinbart haben. § 98 ZPO trifft keine einheitliche Regelung über die Kosten eines Rechtsstreits bei Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs. In seinem S. 1 befasst sich § 98 ZPO nur mit den Kosten des Rechtsstreits. Die dort vorgesehene Regelung, dass die Kosten grds. als gegeneinander aufgehoben gelten, wird mit § 98 S. 2 ZPO auf die Kosten des Rechtsstreits übertragen. Dies führt zwar dazu, dass für die Kosten des Rechtsstreits und die Kosten des Vergleichs im Grundsatz die gleiche Kostenverteilung gilt, wenn die Parteien nichts anderes vereinbart haben. Unabhängig hiervon unterscheidet aber § 98 ZPO zwischen den Kosten des Vergleichs einerseits und den Kosten des Rechtsstreits andererseits.

Hieraus folgt, dass die "Kosten des Rechtsstreits" nach der Grundentscheidung des Gesetzgebers weder die Kosten eines gerichtlichen noch die Kosten eines außergerichtlichen Vergleichs umfassen. Beide Gruppen von Kosten folgen vielmehr eigenen, nicht notwendig ergebnisgleichen Regeln (BGH AGS 2009, 95 = RVGreport 2009, 25 [Hansens] = zfs 2009, 43 m. Anm. Hansens; BGH AGS 2011, 257 m. Anm. Mock = RVGreport 2011, 232 [Hansens] = zfs 2011, 404 m. Anm. Hansens).

Die Regelung des § 98 ZPO gilt nach der Rspr. des BGH, a.a.O., entsprechend jedenfalls dann auch für einen außergerichtlichen Vergleich, wenn dieser zur Prozessbeendigung geführt hat (BGH, a.a.O.; BGH NJW 1989, 39).

3. Abweiche...

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