Prof. Dr. Christian Döring, Dr. Mario Leggio
Rz. 59
Wegen der Lieferung mangelhaften Baumaterials oder mangelhafter Bauelemente können dem Gewerkeunternehmer neben den kaufrechtlichen Mängelansprüchen auch deliktische Schadensersatzansprüche zustehen. Diese ein Verschulden erfordernden Ansprüche können sich gegen den Verkäufer, in Konkurrenz mit vertragsrechtlichen Ansprüchen, oder auch gegen Dritte, insoweit namentlich den Hersteller des Materials, richten.
Rz. 60
Derartige Ersatzansprüche stehen dem Gewerkeunternehmer dann zu, wenn eines der in § 823 Abs. 1 BGB erwähnten Rechtsgüter schuldhaft und widerrechtlich verletzt wurde. Für reine Vermögensschäden kann der Gewerkeunternehmer nach § 823 Abs. 1 BGB keinerlei deliktische Ansprüche geltend machen.
Rz. 61
Da auch das Eigentum in § 823 Abs. 1 BGB als geschütztes Rechtsgut erwähnt ist, ist erforderlich, dass durch den Gebrauch der Kaufsache vorher intaktes Eigentum beschädigt wurde. Die Lieferung mangelhaften Eigentums erfüllt somit den Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB nicht. In diesem Zusammenhang ist jedoch auf die Rechtsprechung des sogenannten "weiterfressenden Mangels" hinzuweisen. Mit dieser Rechtsprechung wurde aufgrund der nach alten Schuldrecht stark auseinanderfallenden Verjährungszeiten für deliktische und kaufvertragliche Ansprüche eine Eigentumsverletzung dann bejaht, wenn durch das Einfügen eines eigenständigen, jedoch defekten Bauteils der übrige ursprünglich mangelfreie Kaufgegenstand beschädigt wurde. Ob in Anbetracht der durch die Schuldrechtsreform erheblich verlängerten kaufvertraglichen Verjährungsfristen für dieses Rechtsinstitut des weiterfressenden Mangels noch Bedarf besteht, bleibt in Zukunft abzuwarten. Der BGH scheint hieran festhalten zu wollen.
Rz. 62
Im Regelfall wird der Gewerkeunternehmer Ansprüche gegen seinen Verkäufer aus § 823 Abs. 1 BGB geltend machen, wenn er etwa durch fehlerhafte Bauhilfsgeräte (Gerüste, Schalungen, Geräte u.Ä.) einen eigenen Schaden erleidet.
Rz. 63
Häufig wird jedoch solchen deliktischen Ansprüchen aus § 823 Abs. 1 BGB der Gewerkeunternehmer selbst ausgesetzt sein, weil durch den Einbau mangelhafter Baumaterialien der bereits errichtete und mangelfreie Teil des Bauwerks beschädigt oder unbrauchbar wurde, sodass deshalb dem Auftraggeber des Gewerkeunternehmers ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Eigentumsverletzung zusteht. Ausreichend ist insofern für die Rechtsverletzung bereits eine Beeinträchtigung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs der Sache. Nicht erforderlich ist ein Eingriff in die Sachsubstanz.
Rz. 64
Hinsichtlich des nach § 823 Abs. 1 BGB zu leistenden Schadensersatzes ist auf die §§ 249 ff. BGB zu verweisen. Auf der Grundlage dieser Bestimmungen kann der Geschädigte die Schadensbehebung selbst veranlassen und den hierfür erforderlichen Aufwand einfordern. Wenn es verschiedene Arten der Schadensbeseitigung gibt und eine einen geringeren Aufwand erfordert, ist jedoch der Geschädigte regelmäßig hierauf beschränkt.
Rz. 65
Deliktische Ansprüche des Endkunden sind nicht nur gegen den Gewerkeunternehmer möglich, sondern auch gegen den Hersteller des mangelhaften Baustoffs. Mangels vertraglicher Beziehungen scheiden hier vertragsrechtliche Ansprüche etwa zwischen dem Endkunden (Bauherr) als auch regelmäßig dem Gewerkeunternehmer gegen den Hersteller aus, sodass es insoweit bei den deliktischen Ansprüchen verbleibt.
Rz. 66
Hersteller und gegebenenfalls auch Vertriebshändler als Quasihersteller haben dafür zu sorgen und müssen dafür einstehen, dass das hergestellte Produkt bestimmungsgemäß gebraucht und auch weiter verarbeitet werden kann, und zwar ohne Gefährdung der Rechtsgüter Dritter. Maßgeblich ist, dass mit dem Produkt grundsätzlich jedweder Einsatz, der nach der Art der Erwerbung und der Produktbeschreibung für einen Verwender in Betracht kommt, möglich ist. Wesentliche Bedeutung kommt insoweit den von dem Hersteller geweckten Gebrauchs- und Sicherungserwartungen zu. Er muss im Rahmen des Zumutbaren dafür sorgen, dass dem Verwender keinerlei Nachteile an seinem Eigentum entstehen und zu diesem Zweck sein Produkt beobachten und dann, wenn sich der Verdacht einer Gefahr verdichtet, hiervor warnen, gegebenenfalls den Rückruf des Produktes veranlassen.
Rz. 67
Die Beobachtung des Produkts betrifft nicht nur die Beobachtung im Rahmen des Fertigungsprozesses, sondern auch die Beobachtung des Produkts im praktischen Einsatz, sodass die Verpflichtung des Produzenten nicht nach dem Inverkehrbringen seines Produkts endet, sondern im Rahmen der ihm obliegenden Verkehrssicherungspflicht das Produkt in der Praxis verfolgen und sich über Gefahren informieren muss.
Rz. 68
Im Rahmen der Anspruchsdurchsetzung muss der Geschädigte den Beweis für den Produktfehler ebenso führen, wie die Höhe als auch den kausal verursachten Schaden. Demgegenüber hat der Hersteller dann, wenn die Schädigung einer Person oder einer Sache durch sein fehlerhaft hergestelltes Produkt bewiesen ist, nachzuweisen, dass ihn keinerle...