Rz. 138

Ist der Erbe nicht bereit, den Vermächtnisanspruch außergerichtlich zu erfüllen und der Bedachte gezwungen, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, gilt nach § 27 ZPO das Gericht, bei dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes den allg. Gerichtstand hatte, als besonderer Gerichtsstand der Erbschaft.[279] Es handelt sich dabei nicht um einen ausschließlichen Gerichtsstand.[280] Die Zuständigkeit des Gerichts liegt vor, wenn der Anspruch auf der in § 27 Abs. 1 ZPO genannten Anspruchsgrundlage aus dem Vermächtnis bestehen könnte. Daneben kann der Vermächtnisnehmer bei Weigerung der Erfüllung des Vermächtnisses seitens des Erben den Anspruch auch am allg. Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beschwerten geltend machen. Bei der gerichtlichen Geltendmachung des Vermächtnisanspruchs ist nur der Vermächtnisnehmer aktivlegitimiert. Ausnahme ist bei der Anordnung einer Testamentsvollstreckung. Dort ist der Testamentsvollstrecker der Kläger i.S.d. ZPO.[281]

Der Vermächtnisanspruch ist eine Nachlassverbindlichkeit. Folge ist für einen Prozess, dass nur der oder die Erben als Beklagte/r passivlegitimiert sein können. Bei einer gemeinschaftlichen Nachlassverbindlichkeit haften die Miterben als Gesamtschuldner gem. § 2058 BGB.[282] Ist nur ein Miterbe mit einem Vermächtnis gem. § 2046 Abs. 2 BGB beschwert, gilt dies nicht. Hat der Erblasser nur einen Teil der Erben beschwert, so sind nur diese analog § 2058 BGB zu verklagen.[283] Bei der Erfüllung eines Untervermächtnisses ist der Hauptvermächtnisnehmer der Beklagte. Steht dem Testamentsvollstrecker gem. § 2213 Abs. 1 S. 2 BGB die Verwaltung des Nachlasses zu, so ist dieser passivlegitimiert.[284] Ist der Vermächtnisgegenstand nicht von der Verwaltung des Testamentsvollstreckers umfasst, so ist nur der Erbe zu verklagen. Hat der Testamentsvollstrecker selbst einen Vermächtnisanspruch gegenüber dem Erben, gilt dasselbe.[285]

 

Praxishinweis

Der Vermächtnisnehmer sollte bei der Einsetzung eines Testamentsvollstreckers den Erben und den Testamentsvollstrecker gemeinsam auf Duldung verklagen, da beide i.d.R. dann für einen Passivprozess prozessführungsberechtigt sind.[286]

 

Rz. 139

Es kann auch Klage gegen den Nachlassverwalter (§ 1984 BGB) oder den Nachlasspfleger (§ 1960 BGB) gerichtet werden, wenn die Erbschaft noch nicht angenommen worden ist oder der Erbe noch nicht feststeht. Vor der Erbschaftsannahme mangelt es dem Erben an der passiven Prozessführungsbefugnis (§ 1959 BGB, § 778 ZPO). Der Vermächtnisnehmer hat auch selbst die Möglichkeit, bei noch nicht angeordneter Nachlasspflegschaft einen Antrag auf Klagepflegschaft zur Durchsetzung seiner Ansprüche zu stellen.[287]

[279] OLG Schleswig, Beschl. v. 6.5.2020 – a AR 7/22, BeckRS 2022, 10276.
[280] Zöller/Schultzky, ZPO, § 27 Rn 1.
[281] BGH NJW 1954, 1036.
[282] MüKo/Fest, § 2058 Rn 15.
[283] MüKo/Fest, § 2058 Rn 17.
[284] BGHZ 48, 214, 220.
[285] MüKo/Zimmermann, § 2213 Rn 13.
[286] MüKo/Zimmermann, § 2213 Rn 1.
[287] MüKo/Leipold, § 1961 Rn 7NK-.

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