Rz. 33

Der Grundgedanke der Vermögensaufteilung auf unterschiedliche Anlageklassen (Asset Allocation) liegt in der Bildung von effizienten Portfolios. Diese ergeben sich, wenn es bei gleicher Rendite kein Portfolio mit einem geringeren Risiko gibt, oder zu einem Risiko ein Portfolio mit einer höheren Rendite gibt. Ein Anleger rechnet bei jedem Investment mit einer erwarteten Rendite. Er leitet sie aus der Vergangenheitsentwicklung und unter Berücksichtigung von zukünftigen Einflussfaktoren ab. Das Risiko als die Wahrscheinlichkeit ausgedrückt, diese erwartete Rendite tatsächlich zu generieren, bezeichnet man mit dem Begriff Standardabweichung. Die einzelnen Anlagen stehen miteinander in einem (historischen und damit abänderbaren) statisch ermittelbaren Zusammenhang (Korrelation).

 

Rz. 34

Risiko selbst ist etymologisch ein neutraler Begriff und gibt die Spannweite zwischen Chance (positiv steigende) und Gefahr (negativ fallende Kurse) wieder. Das reichhaltige Angebot an teilweise auch synthetischen Instrumenten zielt auf eine Reduzierung des downside risk ab.

Der Hinweis im Testament, dass "der Testamentsvollstrecker das Nachlassvermögen in seiner Substanz erhalten" soll, stellt den so Beauftragten schon rasch vor ein Problem mit Blick auf das Zinsumfeld. Am 11.4.2022 bot sich folgendes Bild für Bundesanleihen:

 
Restlaufzeit in Jahren 1 2 3 4 5 6 8 10 30
Anleihen Rendite in % -0,48 0,05 0,28 0,42 0,53 0,55 0,60 0,70 0,003

Die Zinsstrukturkurve für Deutschland im mittelfristigen Verlaufsvergleich 2016 bis 2022 generiert folgender Chart der Deka-Bank:

 

Rz. 35

Um einen Vermögensschutz nach Abgeltungssteuer, Solidaritätszuschlag, ggf. mit Kirchensteuer und Inflation (langfristige Annahme: 3,0 %) zu erzielen, ist eine Rendite von 4,2 % notwendig. Ernüchterndes Resümee: Rentenpapiere mit langer Laufzeit gewährleisten keinen Realkapitalerhalt. Bundes-, Banken- und Unternehmensanlagen mit investment grade Bonität bieten keinen Realkapitalerhalt.

Der Testamentsvollstrecker muss sich zunächst Gewissheit über die Ziele des unter Testamentsvollstreckung liegenden Vermögens verschaffen. Das Langlebigkeitsrisiko des Erben fließt dabei genauso ein wie die finanzplanerische Überlegung hinsichtlich einer Mindestrendite, welche für die Bestreitung der Ausgaben notwendig ist. Der Testamentsvollstrecker befindet sich somit im Spannungsfeld, welches erlebbar wird zwischen den Zielen Sicherheit, Rentabilität und Liquidität sowie steuerlichen Überlegungen.[13] Der entscheidende Erfolgsfaktor für die Anlage ist die strategische Asset Allocation. Sie umschreibt die Entscheidung über die langfristige Anlagestruktur unter Berücksichtigung von Risiko- und Ertragserwartungen. Die taktische Asset Allocation zielt auf die Umsetzung der Anlageentscheidung innerhalb von definierten Bandbreiten und die Wahrnehmung kurzfristiger Chancen (z.B. durch Tradinggeschäfte) innerhalb der einzelnen Anlageklassen ab.

 

Rz. 36

 

Beispiel

Die Chancen am Aktienmarkt mit Sicherheitspuffer zu nutzen und eine Renditechance über festverzinsliche Wertpapiere mit gleicher Laufzeit zu erzielen lag wohl der Konstruktion von Discount-Zertifikate zugrunde. Sie setzen sich zusammen aus dem Kauf einer Kaufoption ("long call") mit dem Basispreis Null (stellt den Kauf einer Aktie dar) und Verkauf einer Kaufoption ("short call") auf die zugrunde liegende Aktie. Mit der vereinnahmten Optionsprämie erhält der Anleger eines Discountzertifikats einen Risikopuffer. Er verzichtet im Gegenzug auf die Dividende des Basiswertes. Der Anleger kann bei konsolidierender Entwicklung einer Aktie über einen definierten Zeitraum (Laufzeit des Discountzertifikats) einen über dem Geldmarktsatz liegenden Ertrag generieren.

 

Rz. 37

Die Finanzmarktkrise ließ das bis dato vernachlässigte Emittentenrisiko[14] schlagend werden. So unterliegen die Zertifikate nicht der Einlagensicherung,[15] da sie in der Form von Inhaberschuldverschreibung emittiert werden. Derweil die Inhaber von Lehman Brother Zertifikate über den Klageweg eine höhere Insolvenzquote erreichen möchten, sind die Anleger von Sal. Oppenheim Zertifikate durch die Übernahme des entsprechenden Geschäftsbereichs durch die australische Bank Macquarie nicht negativ tangiert. Im Rahmen von aktiven Depotbetreuungsmandaten oder Vermögensverwaltungen findet sich häufig Discountzertifikate im Portfolio. Der Charme liegt hier darin, dass bei gestiegener Volatilität des Basiswertes (underlyings) bei kurzen Restlaufzeiten (unter sechs Monaten) die Chance von hohen Renditen liegt. Zum Jahreswechseln 2010 konnten mit Discountzertifikaten auf DAX-Werte, deren Cap nahe am aktuellen Kurs ("am Geld liegend") lag, Renditechancen von 6 % p.a. und bei Werten aus dem M-Dax Renditechancen im zweistelligen Bereich genutzt werden. In der Ukraine-Krise 2022 erzielt der Anlegende bei DAX-Discount-Zertifikate eine Rendite von rund 17 %. Hier spiegelt sich die hohe Volatilität des Marktes wider. Renditeunterschiede ergeben sich weiter bei den einzelnen Emittenten dieser Wer...

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