Rz. 107

Sonderkonstellationen betreffen die Haftung mehrerer am Bau Beteiligter. Ausgangspunkt der Problematik war der bis ins Jahr 1965 geführte Streit, ob zwischen Architekt/Ingenieur einerseits und Bauunternehmer andererseits eine Gesamtschuld bezogen auf die Bauwerkserstellung vorliege. Schließlich entschied der Große Senat des BGH, dass zwar bei der Bauwerkserstellung keine (echte) Gesamtschuld zwischen Architekt/Ingenieur und Bauunternehmer bestehe, dies sich jedoch ändere, wenn für den Bauwerksmangel beide schadensersatzpflichtig sind.[217]

 

Rz. 108

Die dahinterstehende Überlegung lässt sich schematisch wie folgt darstellen:

 

Rz. 109

Eine wie oben skizzierte Zweckgemeinschaft soll nach BGH konsequenterweise auch zwischen dem Anspruch auf Nachbesserung gegenüber dem Bauunternehmer und demjenigen auf Schadensersatz gegenüber dem Architekten bestehen (gegenüber letzterem regelmäßig nur ein Schadensersatzanspruch, da sich der Mangel bereits im Bauwerk realisiert hat).[218]

 

Rz. 110

Ist der Mangel im Bauwerk gleichzeitig auf einen Planungsfehler des Architekten oder einen Ausführungsfehler des Bauunternehmers zurückzuführen, wird der Architekt als Erfüllungsgehilfe des Bauherrn behandelt, da der Bauherr dem Bauunternehmer grundsätzlich die Zurverfügungstellung der Planung schuldet. In Konstellationen wie dieser besteht daher keine echte gesamtschuldnerische Haftung; vielmehr haftet der Bauunternehmer von vornherein nur auf eine Quote. Anders nur, wenn der Unternehmer kraft überlegener Sachkunde mit Gewissheit weiß, dass von ihm bemerkte Planungsfehler zu einem Bauwerksmangel führen. Das Gleiche gilt auch für den Fall, dass der Unternehmer den Bauherrn nachhaltig über die Bedenken aufgeklärt hat, jedoch gleichwohl auf Weisung des Bauherrn das Bauwerk fehlerhaft ausführt. In der Praxis werden bei einem Nebeneinander von Planungsfehlern und Ausführungsfehlern regelmäßig überwiegende Haftungsquoten des Architekten in Betracht kommen.

Regelmäßig werden die Haftungsquoten durch einen Sachverständigen ermittelt – dies kann auch im Rahmen eines Selbstständigen Beweisverfahrens geschehen (vgl. zum Selbstständigen Beweisverfahren § 10).

 

Rz. 111

Ist der Mangel auf fehlerhafte Bauleitung und mangelhafte Ausführung gleichermaßen zurückzuführen, findet keine Haftungsquotelung statt, da der Bauherr dem Bauunternehmer hier keine Überwachung – auch nicht durch den Architekten als Erfüllungsgehilfen – schuldet. In diesen Fällen ist also der Schadensersatzanspruch gegen den Architekten einerseits und gegen den Bauunternehmer andererseits unabhängig voneinander. Der Bauherr kann den Architekten auf die volle Quote in Anspruch nehmen. Allerdings haftet der Unternehmer in diesem Falle im Verhältnis gegenüber dem Architekten oft allein.

 

Rz. 112

Ist der Mangel darauf zurückzuführen, dass sowohl eine mangelhafte Planung als auch nachfolgend eine mangelhafte Bauüberwachung durch einen weiteren Architekten erfolgt, haften beide Architekten gegenüber dem Bauherrn voll. Insbesondere kann sich der bauüberwachende Architekt gegenüber dem Auftraggeber nicht auf ein Mitverschulden wegen Fehlern des planenden Architekten berufen. Anders nur, wenn die Haftung des bauüberwachenden Architekten darauf beruht, dass er einen Planungsfehler übersehen hat. Auch hier greift die Obliegenheit des Bauherrn ein, fehlerfreie Pläne zur Verfügung zu stellen, er muss sich also das Mitverschulden seines planenden Architekten anspruchsmindernd zurechnen lassen.[219]

 

Rz. 113

Gleiches gilt auch im Verhältnis zwischen dem planenden Architekten und dem Sonderfachmann, wenn der Planungsfehler auf Leistungsfehler beider zurückzuführen ist. Regelmäßig ist der Sonderfachmann nicht Erfüllungsgehilfe des Bauherrn.[220] Gleiches gilt auch im Verhältnis zwischen dem bauleitenden Architekten und dem Sonderfachmann, da auch hier die Architekten einerseits und die Sonderfachleute andererseits nicht Erfüllungsgehilfen des Bauherrn im jeweiligen anderen Vertragsverhältnis sind.[221]

Auch hier ist jedoch stets zu prüfen, ob die Obliegenheit des Bauherrn, mangelfreie Pläne zur Verfügung zu stellen, zu einer Anspruchskürzung führen kann.

 

Rz. 114

Nach dem 1.1.2018 gilt insoweit ergänzend § 650t BGB. Danach kann der Architekt bei Bauüberwachungsleistungen, soweit er in Anspruch genommen wird, die Leistung verweigern, wenn zugleich ein ausführender Bauunternehmer für den Mangel haftet und der Besteller diesem noch nicht erfolglos eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat. Dieser Aspekt ist daher bei Gesamtschuldnerkonstellationen ggf. zu prüfen.

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