Dr. Daniel Faulenbach, Peter Friedhofen
Rz. 26
Hier ist zu differenzieren. Beinhaltet eine einstufige Ausschlussfrist kein besonderes Formerfordernis für die Geltendmachung einer Forderung, so ist die Erhebung der Kündigungsschutzklage zur fristgerechten Geltendmachung für Ansprüche aus Annahmeverzug ausreichend.
Rz. 27
Bei zweistufigen Ausschlussfristen hat sich die Rechtslage einschneidend verändert. Die bisherige Rechtsprechung des BAG, die zur Wahrung der zweiten Stufe einer Ausschlussfrist – gerichtliche Geltendmachung der streitigen Annahmeverzugsansprüche – den Arbeitnehmer dazu zwang, während der noch nicht rechtskräftig entschiedenen Bestandsschutzstreitigkeit diese streitigen Ansprüche gesondert und kontinuierlich einzuklagen, ist auf massive Kritik des Bundesverfassungsgerichts gestoßen. Danach führt dies zu einem mit dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz unvereinbaren Prozesskostenrisiko. So hat denn auch nunmehr der 5. Senat des BAG in seinem Urt. v. 19.9.2012 entschieden, dass ein Arbeitnehmer mit Erhebung einer Bestandsschutzklage – ganz gleich ob Kündigungsschutzklage oder Befristungskontrollklage – die von deren Ausgang abhängigen Vergütungsansprüche "gerichtlich geltend macht".
Praxishinweis
Es wird empfohlen, der Bestandsschutzklage folgenden Satz – am besten fettgedruckt – anzufügen:
"Mit dieser Klage werden alle von einem positiven Ausgang des Rechtsstreits abhängigen Zahlungsansprüche, insbesondere Ansprüche auf Zahlung von Annahmeverzugslohn, auch zur Wahrung der ersten und zweiten Stufe einer Ausschlussfrist ausdrücklich geltend gemacht."
Rz. 28
Verlangt die einstufige Ausschlussfrist nur eine formlose oder schriftliche Geltendmachung, genügt die Erhebung der Kündigungsschutzklage zur Wahrung der Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Ansprüchen, die während des Kündigungsschutzprozesses fällig werden und von seinem Ausgang abhängen.
Rz. 29
Es ist unschädlich, dass in diesen Fällen die Kündigungsschutzklage regelmäßig vor Fälligkeit der Zahlungsansprüche erhoben wird. Der Warnfunktion der Ausschlussfrist ist genügt, wenn der Arbeitnehmer seinen Anspruch vorzeitig geltend macht.
Rz. 30
Regelt eine zweistufige tarifliche Verfallklausel, dass die Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Ansprüchen, deren Bestand vom Ausgang eines Kündigungsschutzprozesses abhängig ist, erst mit dem Abschluss des Kündigungsschutzprozesses beginnt, kann der Arbeitnehmer solche Ansprüche vor diesem Zeitpunkt nicht fristwahrend geltend machen. Nachdem das BAG in anderem Zusammenhang ausgeführt hat, die von einer Ausschlussfrist bezweckte rasche Klärung des Anspruchs könne bei einer Geltendmachung vor Fälligkeit in der Regel noch schneller erreicht werden, ist nicht absehbar, ob für die Geltendmachung von Ansprüchen auf Zahlung von Annahmeverzugslohn im Sinne der zweiten Stufe einer Ausschlussfrist die Geltendmachung vor Fälligkeit tatsächlich weiterhin als nicht ausreichend angesehen wird. Auch hier gilt aber: Zur Vermeidung von Haftungsrisiken sollte bis zu einer Klärung dieser Frage eine (zusätzliche) Geltendmachung nach Eintritt der Fälligkeit erfolgen. Zahlungsansprüche werden im Zweifel nicht im Rahmen einer Beschäftigungsklage "gerichtlich geltend gemacht" i.S. einer tariflichen Ausschlussklausel. Dies ist jedoch im Ergebnis durch Auslegung zu ermitteln.
Rz. 31
Tarifliche Verfallklauseln kommen nicht nur zur Anwendung im Falle beiderseitiger Tarifgebundenheit, sondern auch im Falle der Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages sowie im Fall der einzelvertraglichen Inbezugnahme.
Rz. 32
Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche können während des Laufes des Kündigungsschutzprozesses erlöschen, weil das Urlaubsjahr inzwischen abgelaufen ist oder tarifliche Verfallfristen ablaufen. In der Kündigungsschutzklage sollte deshalb der Urlaubs- bzw. der Urlaubsabgeltungsanspruch angemahnt werden. Insbesondere kann nicht angenommen werden, durch eine Kündigungsschutzklage werde die Ausschlussfrist hinsichtlich eines Urlaubsabgeltungsanspruchs gewahrt. Kann der Urlaub in dem entsprechenden Urlaubsjahr oder Übertragungszeitraum nicht mehr gewährt werden, setzt er sich, wenn er angemahnt worden ist, in einen Schadensersatzanspruch um.