Rz. 16

Weiter lassen sich auch Aufhebungs- und Abwicklungsverträge unter den weit verstandenen Begriff des "Arbeitsvertrags" i.S.d. § 310 Abs. 4 BGB subsumieren.[28] Hiergegen wird zwar zum Teil eingewandt, dass der Wortlaut ein solche Ergebnis kaum zulasse, weil sich natürlich Beendigungsvereinbarungen in ihren Rechtswirkungen ganz erheblich von der Begründung eines Arbeitsverhältnisses unterscheiden, ja gar als "actus contrarius" zur Begründung von Arbeitsverhältnissen zu sehen sind.[29] Die inzwischen als gefestigt zu bezeichnende h.A. geht dennoch – insbesondere zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen – davon aus, dass auch arbeitsrechtliche Beendigungsvereinbarungen unter § 310 Abs. 4 BGB zu fassen sind und damit im Grundsatz eine arbeitsrechtliche AGB-Kontrolle am Maßstab der §§ 305 ff. BGB in Betracht kommt. Besondere Bedeutung kommt insoweit weiter dem Umstand zu, dass auch Beendigungsvereinbarungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber regelmäßig als Verbrauchervertrag i.S.d. § 310 Abs. 3 BGB zu qualifizieren sind[30] und somit eine Inhaltskontrolle prinzipiell auch dann in Betracht kommt, wenn der Beendigungsvertrag nur zur einmaligen Verwendung bestimmt ist.

 

Rz. 17

Allerdings kann die Durchführung einer solchen Inhaltskontrolle gerade bei Aufhebungs- und Abwicklungsverträgen am Ende aus anderen Gründen ausscheiden: Zunächst ist insoweit anzumerken, dass Aufhebungs- und Abwicklungsverträge in der Praxis vielfach einer deutlich stärkeren Verhandlung unterliegen als der Abschluss von Arbeitsverträgen. Jedenfalls bei Teilen des Vertrags kann es sich damit um im Einzelnen ausgehandelte Regelungen i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB und damit nicht um AGB handeln. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass selbstverständlich auch im Fall eines Aufhebungs- bzw. Abwicklungsvertrags die unmittelbaren Hauptleistungspflichten keiner Inhaltskontrolle unterliegen.[31] Regelungen, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Termin, den Verzicht auf den Ausspruch einer Kündigung bzw. die Erhebung einer Kündigungsschutzklage bzw. die Zahlung einer Abfindung in einer bestimmten Höhe betreffen, unterliegen damit als kontrollfreie Hauptleistungsabreden nicht der Inhaltskontrolle.[32]

 

Rz. 18

Bedingt durch den bereits angesprochenen Umstand, dass auch auf die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses zielende Vereinbarungen häufig als Verbrauchervertrag i.S.d. § 310 Abs. 3 BGB zu qualifizieren sind, sind bei Durchführung einer Inhaltskontrolle gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB insbesondere auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang kann bei der Beurteilung einer Klausel etwa ein Informationsungleichgewicht zu Lasten des Arbeitnehmers hinsichtlich der Folgen der Beendigungsvereinbarung – etwa in betriebsrentenrechtlicher oder sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht – zu berücksichtigen sein.[33]

[28] Henssler, RdA 2002, 129, 139; Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn 110; Gaul/Breuer, NZA-Beilage 2021, 29 f.
[29] Thüsing, Rn 64 ff.
[30] Siehe hierzu unter Rdn 26 ff.
[31] Siehe hierzu allgemein unter Rdn 95 ff.
[32] BAG v. 27.11.2003 – 2 AZR 135/03; Thüsing, Rn 63; siehe im Übrigen auch unter Rdn 95 ff.
[33] Thüsing, Rn 64, der allerdings zutreffend darauf hinweist, dass sich auch der Arbeitnehmer grundsätzlich selbst über die Folgen der Vereinbarung kundig zu machen hat und selbst bei Verletzung einer angenommenen Aufklärungspflicht des Arbeitgebers in der Regel eher an Schadensersatzansprüche zu denken sein wird.

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