Rz. 220

Der Unterhaltspflichtige trägt die Darlegungs- und Beweislast[353]

für die Voraussetzungen der zeitlichen Befristung und Herabsetzung des vollen Unterhaltes, wobei allerdings Erleichterungen gelten in Form der sekundären Darlegungslast, d.h. erst wenn der Unterhaltberechtigte ehebedingte Nachteile konkret vorgetragen hat, muss der Unterhaltspflichtige diese widerlegen,
dafür, dass ein zu betreuendes Kind keiner verstärkten Beaufsichtigung und Fürsorge bedarf, so dass der betreuende Elternteil einer Erwerbstätigkeit nachgehen kann; hier wird die Beweisführung des Unterhaltsschuldners allerdings dadurch erleichtert, dass den Unterhaltsgläubiger eine (verschärfte) Pflicht zum substantiierten Bestreiten trifft, denn der Unterhaltsschuldner muss hier einen Negativbeweis führen,
für die Darlegung, dass keine ehebedingten Nachteile vorliegen, auch wenn das tatsächliche oder erzielbare Einkommen des Unterhaltsberechtigten hinter seinem früheren Einkommen zurückbleibt, weil eine Wiederaufnahme der früheren Erwerbstätigkeit nach längerer Unterbrechung nicht mehr möglich ist,
für die tatbestandlichen Voraussetzungen eines (auf seiner Seite) hinzugetretenen Unterhaltsanspruchs[354] (Hinweis: dies ist auch allgemein von Bedeutung).
 

Rz. 221

Die Unterhaltsberechtigte trägt die Darlegungs- und Beweislast

für Aspekte, die gegen eine Unterhaltsbegrenzung sprechen, d.h. sie muss konkret vortragen, welche ehebedingten Nachteile ihr entstanden sind; dafür muss sie im Einzelfall vortragen,[355]

welche berufliche Entwicklung sie ohne die Ehe geplant hatte oder zu erwarten gehabt hätte,[356] und
welche Aufstiegs- und Qualifizierungsmöglichkeiten in seinem beruflichen Berufsfeld für sie bestanden hätten, und
ob sie für diese Maßnahme eine genügende individuelle Bereitschaft aufgebracht hätte.
für eine längere Übergangsfrist,
für Umstände, die für einen Rang ihres Unterhaltsanspruches nach § 1609 Nr. 2 BGB sprechen,[357]
für Aspekte, die einen nur geringeren Eingriff rechtfertigen (nur Begrenzung auf den angemessenen Bedarf statt Befristung),
für Tatsachen, die den Verlust von Karrierechancen als ehebedingten Nachteil rechtfertigen; hierzu gehört dann auch die Darlegung, dass und inwieweit die berufliche Entwicklung ohne die Ehe günstiger verlaufen wäre, z.B. dass während der Ehezeit keine Möglichkeit bestand, berufsspezifische Fortbildungsmaßnahmen wahrzunehmen bzw. inwieweit die tatsächliche Betreuungsnotwendigkeit ehegemeinsamer Kinder der Ausweitung einer Erwerbstätigkeit entgegensteht,
inwieweit ihr gleichwohl ehebedingte Nachteile verblieben sind, obwohl sie im erlernten oder vorehelich ausgeübten Beruf eine vollschichtige Tätigkeit aufnehmen konnte.
 

Rz. 222

 

Praxistipp:

Für die praktische Arbeit bedeutet dies, dass die Unterhaltsberechtigte quasi wie bei einer Bewerbung für eine berufliche Arbeitsstelle sowohl ihren persönlichen Lebenslauf als auch ihren beruflichen Werdegang möglichst lückenlos und unter Angabe von konkreten Daten darstellen muss.[358]

Wenn das Vorbringen der Unterhaltsberechtigten den vom BGH dargelegten Anforderungen nicht genügt, es insbesondere an hinreichend konkreten und nachprüfbaren Anhaltspunkten fehlt, muss der Unterhaltsverpflichtete nichts mehr vortragen; das Vorliegen eines ehebedingten Nachteils kann dann schon an dieser Stelle verneint werden.

Der Anwalt der Berechtigten sollte daher – auch zur Vermeidung von Haftungsrisiken – insbesondere Ausführungen zu folgenden Punkten machen:

Geburtsdatum
Schulbildung
Erreichter Schulabschluss
Berufsausbildung (Lehre, Studium, Fortbildungen, Promotion etc., unter Nennung konkreter Daten und Zeiträume)
Berufliche Erfahrungen (Tätigkeiten in einzelnen Unternehmen, Zeitdauer, Art der Tätigkeit)
Möglichkeiten der beruflichen Entwicklung bei ununterbrochener Erwerbstätigkeit (Aufstiegschancen in dem erlernten Beruf bzw. in der zur Zeit der Eheschließung ausgeübten Tätigkeit, Verdienstmöglichkeiten und mögliche Einkommenssteigerungen unter Beifügung entsprechender Tarifverträge oder eingeholter -ein bloßes Beweisangebot genügt dieser Substantiierungslast nicht (!) – konkreter Auskünfte von Arbeitgeberverbänden, evtl. Darstellung der beruflichen Entwicklung eines ehemaligen Kollegen einschließlich des von ihm nunmehr erzielten Einkommens)
Berufspausen (Zeiträume, Gründe, z.B. eigene Krankheit, Kindererziehung, Pflege von Angehörigen)
Bemühungen, einen Wiedereinstieg in den vor der Pause erlernten und/oder ausgeübten Beruf zu finden (Auffrischungskurse, Fortbildungen, Umschulungen, Eingliederungsmaßnahmen etc.)
Bewerbungsbemühungen (Darlegung von konkreten Bewerbungen unter Beifügung von Annoncen, Bewerbungsschreiben und Antworten der Unternehmen)
Aktuelle Tätigkeit, aktuelles Einkommen (Arbeitsvertrag, Gehaltsunterlagen)

Dabei weist die Rechtsprechung zu § 1578b BGB erhebliche Parallelen zum Haftungsrecht[359] aus.

[353] Nach Clausius in jurisPK-BGB, § 1578b Rn 38 f.
[354] BGH FamRZ 2012, 288; FamRZ 2012, 281.
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