Rz. 1

Zur Errichtung eines Bauwerks ist regelmäßig das Zusammenwirken mehrerer Baubeteiligter erforderlich. In der Erfüllungsphase schulden die Baubeteiligten regelmäßig Teilleistungen im Sinne des § 420 BGB, da die zu erbringenden Bauleistungen mit den geschuldeten Leistungen der anderen nicht identisch sind. Jeder Baubeteiligte schuldet ausschließlich seine spezifische Bauleistung. Ein Gesamtschuldverhältnis liegt im Erfüllungsstadium daher regelmäßig nicht vor.[1] Baumängel, Schäden und eine verspätete Fertigstellung des Baues können hingegen durch mehrere oder alle am Bau Beteiligte zusammen verursacht werden. Durch Leistungsstörungen werden die Primärleistungspflichten der Baubeteiligten zu sekundären Leistungspflichten verändert. Fällt ein Mangel, Schaden oder eine Zeitverzögerung in den Verantwortungsbereich mehrerer oder aller Baubeteiligten, liegt regelmäßig Gesamtschuldnerschaft im Verhältnis zum Besteller vor. Es besteht dann grundsätzlich Leistungsidentität bezüglich der Mangel- und Schadensbeseitigung im Sinne des § 421 BGB.[2] Jeder Verursacher schuldet dem Besteller Nachbesserung oder Schadensersatz bzw. seine Vergütung kann gemindert werden. Dies bedeutet, dass jeder verantwortliche Baubeteiligte dem Besteller für den Gesamtschaden haftet, unabhängig davon, welcher Verantwortungsanteil auf den jeweiligen Baubeteiligten im Innenverhältnis zu den anderen verantwortlichen Baubeteiligten entfällt.[3] Die Mangel- oder Schadensbeseitigung durch einen Baubeteiligten befreit gleichzeitig die anderen Baubeteiligten von der Leistung. Dem Besteller steht die Auswahl unter mehreren Gesamtschuldnern frei. Er ist grundsätzlich nicht verpflichtet, sich an eine bestimmte Rangfolge bei der Auswahl seiner Anspruchsgegner zu halten.[4] Für das Gesamtschuldverhältnis zwischen Architekt und Unternehmer hat der BGH jedoch entschieden, dass der Bauherr ausnahmsweise gehindert ist, einen Architekten wegen Bauaufsichtsfehlern in Anspruch zu nehmen, wenn und soweit er auf einfachere, insbesondere billigere Weise von dem Unternehmer die Beseitigung des Mangels verlangen kann.[5] Dieser Rechtsprechung hat der Gesetzgeber durch Einfügung des § 650t BGB Rechnung getragen. Nimmt der Bauherr den Architekten oder Ingenieur wegen eines Überwachungsfehlers in Anspruch, der zu einem Mangel am Bauwerk oder der Außenanlage geführt hat, kann der Architekt oder Ingenieur die Leistung verweigern, wenn auch der ausführende Bauunternehmer für den Mangel haftet und der Bauherr dem bauausführenden Unternehmer noch nicht erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt hat. Nicht erforderlich für die Inanspruchnahme des Architekten oder Ingenieurs ist es, dass der Besteller den bauausführenden Unternehmer verklagt hat. Muss sich der Besteller im Verhältnis zu dem in Anspruch genommenen Baubeteiligten jedoch ein Mitverschulden im Sinne des § 254 BGB an dem entstandenen Mangel oder Schaden zurechnen lassen, haftet der in Anspruch genommene Baubeteiligte nur auf eine um den Mitverschuldensanteil des Bestellers gekürzte Haftungsquote.

[1] Soergel, BauR 2005, 239 ff.; Zerr, NZBau 2002, 241 ff.
[3] Glöckner, BauR 2005, 251.
[4] BGH v. 26.7.2007 – VII ZR 5/06 – BauR 2007, 1875; a.A. Knoche, BauR 2008, 1782 ff.

1. Mehrere Unternehmer als Gesamtschuldner

 

Rz. 2

Mehrere Unternehmer schulden im Erfüllungsstadium meistens keine identische Leistung, sodass Gesamtschuldnerschaft in diesem Stadium regelmäßig nicht gegeben ist. Nur dann, wenn eine zweckgerichtete Verbindung ihrer Primärleistungen besteht, d.h. ihre Primärleistungen im Sinne einer Erfüllungsgemeinschaft verbunden sind, besteht Gesamtschuldnerschaft. Schulden mehrere Unternehmer gegenüber dem Besteller eine identische Leistung im vorgenannten Sinne, liegt Gesamtschuldnerschaft nicht nur hinsichtlich der Primärleistung sondern auch hinsichtlich der sekundären Leistungspflichten (z.B. Nachbesserung, Schadensersatz) vor, da Leistungsidentität gegeben ist.[6] Sind die Primärleistungen verschieden, bauen die Leistungen mehrerer Unternehmer z.B. nur aufeinander auf, liegt grundsätzlich auch hinsichtlich der sekundären Leistungspflichten keine Gesamtschuldnerschaft vor. Jeder Unternehmer schuldet unabhängig von anderen Unternehmern Nachbesserung und Schadensersatz für die Mängel an seinem Gewerk. Nur ausnahmsweise kann dann, wenn die Primärleistungen verschieden sind, hinsichtlich der Nacherfüllungsleistung Gesamtschuldnerschaft zwischen den Unternehmern bestehen. Dies ist der Fall, wenn die Mängel und Schäden zumindest teilweise durch die Leistungen beider Unternehmer verursacht wurden und eine einheitliche Mangel- und Schadensbeseitigung sinnvoll ist, d.h. die zu treffenden Maßnahmen sich überschneiden.[7] Wird z.B. von einem Unternehmer der Estrich mangelhaft eingebaut und von einem anderen Unternehmer der Fliesenbelag hierauf mangelhaft verlegt und lösen sich aufgrund der mangelhaften Leistungen beider Unternehmer die Flie...

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