Rz. 64

Mit gutem Grund wird Ziff. 4 als der "Kern des Modells", bezogen auf die Frage des Umfanges des Versicherungsschutzes verstanden.[164] Während das sog. konventionelle Produkthaftpflichtrisiko[165] in den AHB i.V.m. Ziff. 1 des Produkthaftpflicht-Modells geregelt ist, erweitert insbesondere Ziff. 4 den Versicherungsschutz auf bestimmte, abschließend benannte, vertragliche – ­zusätzliche – Haftungstatbestände und auch auf sog. echte Vermögensschäden. Diese Deckungserweiterungen sind in den einzelnen, zunächst separat zu betrachtenden "Deckungsbausteinen" (4.1–4.6) geregelt.[166] Entsprechend der individuellen Risikosituation des Versicherungsnehmers könnten die einzelnen Deckungsbausteine für ihn "maßgeschneidert" zusammengestellt werden. Es entspricht allerdings gängiger Praxis, auch wenn die Risiken nicht gänzlich mit der tatsächlichen Situation des Versicherungsnehmers übereinstimmen, die Deckungsbausteine der Ziff. 4.1 bis 4.4 standardmäßig ("en bloc") anzubieten. Auch dafür gibt es aber einen guten Grund, nämlich den, dass die einzelnen Bearbeitungsstufen eines Erzeugnisses nicht immer ganz transparent sind. Alleine die Bausteine der Ziff. 4.5 (Maschinenhersteller) und 4.6 (Prüf- und Sortierkosten), die nur einzelne Versicherungsnehmer benötigen, werden fakultativ in der Praxis angeboten. Der nach Ziff. 4 Produkthaftpflicht-Modell implementierte Versicherungsschutz funktioniert also nach einem sog. Bausteinsystem.

 

Rz. 65

 

Rz. 66

Mit Ausnahme der Ziff. 4.1 (Personen- oder Sachschäden aufgrund von Sachmängeln infolge Fehlens vereinbarter Eigenschaften) ist jeder einzelne Baustein (4.2–4.6) in zwei Abschnitte ­unterteilt. Im zugrunde liegenden Absatz 1 ist stets der Grundtatbestand geregelt, also die Voraussetzungen, unter denen der Baustein eingreift. Im zweiten Abschnitt finden sich dann in enumerativer Auflistung die von dem einzelnen Baustein erfassten (zusätzlichen) echten "Vermögensschäden", also die jeweilige "Folge". Eine erste Orientierungshilfe und damit ein guter Überblick hinsichtlich der einzelnen Bausteine ergibt sich aus der jeweiligen Überschrift in Ziff. 4.1 zum Beispiel das "Fehlen von vereinbarten Eigenschaften" oder in Ziff. 4.2 "Verbindungs-, Vermischungs- und Verarbeitungsschäden" etc. Einen ersten Überblick über den Kern des Produkthaftpflicht-Modells und die Ziff. 4 sei nachfolgend in Form einer Übersicht gegeben:

 

Rz. 67

[164] Vgl. Thürmann, PHi 2000, 163; Stempfle, § 15 Rn 91 spricht vom "Mittelpunkt des Modells"; kritisch insoweit Littbarski, Ziff. 4 Rn 1.
[165] Unter der konventionellen Produkthaftpflicht-Deckung versteht man die Versicherung der gesetzlichen Haftpflicht privatrechtlichen Inhalts wegen Personen-, Sach- oder daraus resultierender Vermögens-(Folge-)schäden, die durch ein fehlerhaftes (Teil-)Produkt des Versicherungsnehmers, oder durch die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten (im Zusammenhang mit der Produktsicherheit) des Versicherungsnehmers an Rechtsgütern Dritter entstehen.
[166] Vgl. zu Fragen der sog. "erweiterten Produkthaftpflicht" nunmehr auch OLG Köln, Urt. v. 14.2.2012, r+s 2015, 190 ff. mit Anm. Schimikowski, 192 ff. Der BGH hat die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision mit Beschl. v. 6.3.2013, Az. IV ZR 73/12, zurückgewiesen.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge