Was das Arbeitsschutzgesetz bei Hitze vorschreibt

Es wird immer öfter immer heißer, aber am Arbeitsplatz bestehen selbst bei tropischem Klima kaum Rechte auf eine Auszeit. Allerdings gelten Fürsorgepflichten des Arbeitgebers: Er muss auf heißes Wetter reagieren, das ergibt sich aus dem Arbeitsschutzrecht, der Arbeitsstättenverordnung und der Fürsorgepflicht. Besondere Pflichten bestehen gegenüber Schwangeren und älteren Mitarbeitern sowie bei Arbeit unter freiem Himmel.

Eine vorgegebene Außentemperatur, die ein allgemeines Arbeitsrecht auf „hitzefrei“ nach sich zieht, gibt es nicht. Es gelten aber spezifische arbeitsplatzbezogene Grenzwerte und Fürsorgepflichten.

Vorgaben der Arbeitsstättenverordnung bei Hitze

Die Ausgestaltung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers bei Hitze konkretisiert die Arbeitsstättenregel "ASR A3.5 Raumtemperatur" in Verbindung mit der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) und dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG). Die ASR formuliert  Mindestanforderungen an die von Arbeitgebern zu ergreifenden Maßnahmen zur Erhaltung einer erträglichen Raumtemperatur am Arbeitsplatz.

ASR haben Empfehlungscharakter

Rechtlich haben die ASR (Technische Regel für Arbeitsstätten) insgesamt lediglich Empfehlungscharakter und sind nicht unmittelbar rechtsverbindlich, sondern lassen dem Arbeitgeber einen Gestaltungsspielraum. Sie basieren auf der Grundlage aktueller arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse und konkretisieren den Arbeitsschutz entsprechend der ArbStättV. In der Praxis orientieren sich Behörden und Gerichte an den Vorgaben der ASR (OLG Düsseldorf, Urteil v. 27.10.2020, 21 U 57/17; BGH, Beschluss v. 15.9.2021, VII ZR 178/20). Ein Verstoß kann als Verletzung des Arbeitsschutzes gewertet und als Ordnungswidrigkeit gemäß § 25 ArbSchG mit einem Bußgeld von bis zu 30.000 Euro geahndet werden.

Unterschiedliche Temperaturbegriffe der ASR

Seit März 2022 enthält ASR A3-5 Raumtemperatur erweiterte Vorgaben zu den zu ergreifenden Maßnahmen bei Sommerhitze. Die ASR A3-5 arbeitet mit differenzierenden Begrifflichkeiten zur Temperatur und definiert als

  • Raumtemperatur die von Menschen empfundene Temperatur, die durch Lufttemperatur und die Temperatur der umgebenden Flächen bestimmt wird.
  • Die Lufttemperatur ist die Temperatur der den Menschen umgebenden Luft ohne Einwirkung von Wärmestrahlung.
  • Das Klimasummenmaß ist die Zusammenfassung von Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftgeschwindigkeit, Wärmestrahlung und weiteren Klimagrößen.

Die Temperaturgrenzwerte der ASR

Die ASR nennt diverse Temperaturgrenzwerte, die der Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht zu beachten hat:

  • Bei Erreichen einer Raumtemperatur von 26° am Arbeitsplatz soll der Arbeitgeber tätig werden,
  • bei Raumtemperaturen über 30° muss er tätig werden. Die ASR nennt beispielhaft Maßnahmen wie Rollos herunterlassen, Lüftung der Räume über Nacht, Getränke anbieten, eventuell früherer Arbeitsbeginn, Ventilatoren. Eine Verpflichtung zur Bereitstellung einer Klimaanlage existiert nicht.
  • Bei Temperaturen über 35° ist der Arbeitsplatz laut ASR A3-5 4.4 nicht mehr als Arbeitsplatz geeignet. Technische und organisatorische Maßnahmen wie Luftduschen, Entwärmungsphasen oder die Zurverfügungstellung von Hitzeschutzkleidung sind dann obligatorisch, wobei der Arbeitgeber zwischen den möglichen Schutzmaßnahmen die ihm als geeignet Erscheinenden wählen darf.

Die Gewerbeaufsichtsämter der Länder sind für entsprechende Kontrollen zuständig und können im Einzelfall verbindliche Anordnungen erlassen -  bis hin zum Stilllegen von Anlagen und Maschinen.

Sondervorschriften für Baustellen und Bergbau

Die ASR A3-5, 5 sieht bei hohen Lufttemperaturen von über 30° auf Baustellen besondere Maßnahmen wie die Einrichtung von Sonnensegeln, längere Mittagspausen, kühle Getränke und ähnliches vor. Ähnliches gilt für andere Arbeiten im Freien u.a. für Dachdecker und Gärtner. Im Bergbau werden zusätzliche bezahlte Pausen von 10 Minuten bei Effektivtemperaturen von 29 - 30°C und von 20 Minuten bei mehr als 30°C vorgeschlagen.

Dienstrecht im BGB und Fürsorgepflicht des Arbeitgebers bei Hitze

In § 618 BGB ist geregelt, dass der Ar­beit­ge­ber Räu­me, Vor­rich­tun­gen oder Ge­rät­schaf­ten, die er zur Ver­rich­tung der Diens­te zu be­schaf­fen hat, so ein­zu­rich­ten und zu un­ter­hal­ten und Dienst­leis­tun­gen, die un­ter sei­ner An­ord­nung oder sei­ner Lei­tung vor­zu­neh­men sind, so zu re­geln, dass der Ar­beit­neh­mer ge­gen Ge­fahren für Le­ben und Ge­sund­heit ge­schützt ist. → Hiernach ist schon bei der Gestaltung des Arbeitsplatzes auf mögliche Auswirkungen auf spätere Raumtemperaturen zu achten. Fenster, Oberlichter und Glaswände sind gegebenenfalls mit geeigneten Sonnenschutzsystemen auszurüsten, wenn sie andernfalls im Sommer zu einer Erhöhung der Raumtemperatur über 26° führen könnten.

Da die hohen Temperaturen auch die Arbeitsleistung nicht verbessern, sollten Arbeitgeber, auch jenseits der Vorgaben der Arbeitsstättenverordnung, erwägen, Ventilatoren, Lüfter oder Klimageräte einzusetzen und dafür sorgen, dass den Mitarbeitern genügend Getränke wie Mineralwasser oder Fruchtsäfte zur Verfügung stehen. Dies gilt insbesondere für gesundheitlich vorbelastete oder besonders gefährdete Mitarbeiter.

Sonderfall Home-Office

Wie sieht es bei übermäßiger Hitze im Home-Office aus? Hier ist zu unterscheiden: Handelt es sich um Telearbeit, so hat der Arbeitgeber den Arbeitsplatz eingerichtet und ist für den Arbeitsschutz und damit auch für die richtige Temperatur zuständig. Im Fall des mobilen Arbeitens darf der Arbeitnehmer selbst entscheiden, an welchem Ort er seine Tätigkeit verrichtet. In diesem Fall ist er auch für die Rahmenbedingungen und damit auch für die Temperatur selbst verantwortlich.

Kein Recht auf Hitzefrei

Gleichgültig welche Temperaturen herrschen: Der Arbeitnehmer darf niemals selbst Hitzefrei nehmen. Dies käme einer Arbeitsverweigerung gleich, die - zumindest im Wiederholungsfall - den Arbeitgeber zur Kündigung berechtigen könnte.

„Praktikabel ist oft die Vereinbarung, an heißen Tagen früher mit der Arbeit zu beginnen, um am Nachmittag die heiß gewordenen Räumlichkeiten früher verlassen und anderweitig Erfrischung suchen zu können.“

Betriebsrat hat bei Hitze Mitbestimmungsrechte über eine Gefährdungsanalyse

„In Betrieben mit Betriebsrat besteht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG (Gefährdungsanalyse) ein Mitbestimmungs- und Initiativrecht über Regelungen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie zum Gesundheitsschutz.“

Der Betriebsrat ist also bei "Affenhitze" gehalten, entsprechende Initiativvorschläge vorzulegen, indem er etwa verlangt, dass der Arbeitgeber mit ihm eine Betriebsvereinbarung abschließt, in der abhelfende Maßnahmen bei Hitzerekorden geregelt sind. Es besteht ein Mitbestimmungsrecht bei der Ausfüllung konkreter Regelungen zum Schutz vor Sommerhitze, wenn der Arbeitgeber die Maßnahmen der Technischen Regel für Arbeitsstätten ASR A3.5 Raumtemperatur umsetzt.

Betriebsrat kann Maßnahmen gegen Hitze vor die Einigungsstelle bringen

Kommt der Betriebsrat mit seinen Vorschlägen zur Bekämpfung der Temperaturen in Arbeitsräumen beim Arbeitgeber nicht weiter, kann er das Thema auch vor die Einigungsstelle bringen (LAG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 1.1.02013, 1 TaBV 33/13).

Die Arbeitsstättenverordnung i.V.m. mit der ASR A 3.5. verpflichtet den Arbeitgeber nur, beim Überschreiten der Raumtemperaturen (von 26, 30 und 35°) aktiv zu werden. Bestimmte Handlungspflichten sind aber nicht konkretisiert, deshalb bleibt Raum, um im Rahmen der Mitbestimmung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber die konkreten Maßnahmen zu regeln.

„Der Betriebsrat kann also, wenn hier keine Einigung erzielt wird, beantragen, eine Einigungsstelle einzurichten, in der Betriebsrat und Arbeitgeber darüber verhandeln, welche Maßnahmen bei welcher Hitzebelastung in den Arbeitsräumen ergriffen werden müssen.“

Kündigen statt zu kochen?

Die absolute individualarbeitsrechtliche ultima ratio schließlich ist die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis wegen der Raumtemperaturen außerordentlich zu kündigen, weil der Arbeitgeber seine Pflichten gegenüber dem Arbeitnehmer, dessen Gesundheit nicht zu gefährden, verletzt. Nicht eben naheliegend, aber man sollte dieses Recht zumindest kennen, wie die Ausführungen weiter unten deutlich machen.

Im Extremfall droht ein Verfahren wegen fahrlässiger Tötung

So unklar die Regelungen sind, die Konsequenzen können heftig sein. In Baden-Württemberg wurde ein Landwirt wegen fahrlässiger Tötung angeklagt, ihm wurde vorgeworfen, schuld am Tod eines rumänischen Erntehelfers zu sein, weil er ihn im Sommer 2014 bei brütender Hitze ohne Pause und ohne Wasser zur Feldarbeit gezwungen habe, dieser, möglicherweise auch als Folge einer Vorerkrankung, zusammenbrach und nach 2 Wochen im Koma verstarb. Letztlich wurde das Verfahren, da der Sachverhalt nicht aufgeklärt werden konnte, Anfang 2018 gegen Zahlung von 8000 EUR durch den Landwirt eingestellt. 

Praktische Hilfen gegen Hitze

  • Nach dem Arbeitsschutzgesetz hat der Arbeitgeber die Pflicht, eine Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz durchzuführen.
  • Bestehende Gefahren müssen beseitigt oder entsprechende Maßnahmen ergriffen werden.
  • So kann er Arbeitgeber verpflichtet sein, bei heißem Wetter seinen Arbeitnehmern ausreichend und kostenlos Getränke zur Verfügung stellen.
  • Und zumindest in der Pause müssen sie die Möglichkeit haben, sich an einem schattigen Platz erholen zu können. 

Arbeitszeit verlegen?

Je nach örtlicher Gegebenheit und nach entsprechenden Absprachen, sind unterschiedliche einvernehmliche Lösungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber denkbar.

  • Vorstellbar ist es, die Arbeitszeiten in die frühen Morgenstunden zu verlegen. So etwa Bauarbeiten an einer Autobahn.
  • Nach einer langen Mittagspause kann dann wieder in den etwas kühleren und weniger Sonnenstrahlen intensiven Abendstunden gearbeitet werden. 

Hilfen jenseits des Arbeitsrechts?

Bei großer Hitze leiden vor allem Ältere, Menschen mit Venenerkrankungen oder niederem Blutdruck sowie mit Herz-Kreislaufproblemen. Der Körper stellt die Gefäße in der Haut weit, damit die Wärme abgeleitet werden kann und dadurch steht dem Kreislauf weniger Blut zur Verfügung um den Blutdruck aufrecht zu erhalten. Aus diesem Grunde macht er häufig schlapp.

Hoch die Tassen

Das Trinken in großen Mengen, und zwar nicht Hefeweizen, sondern Mineralwasser, das Gebot der heißen Stunde ist, ist mittlerweile Allgemeingut. Und sonst?

  • Leichtes Essen schwer verdaulichen üppigen Mahlzeiten vorzuziehen, die den Kreislauf zusätzlich belasten, liegen ebenfalls nahe. 
  • Wichtig ist es auch, Salz- und Mineralstoffe zu ersetzen, die der Körper beim Schwitzen verliert, etwa durch Mineraldrinks.
  • Helle, luftige Kleidung aus Naturfasern vermeiden Hitzestaus im Körper, der außerdem nicht durch schwere körperliche Arbeit oder Sport zusätzlich belastet werden sollte.

Hitze aussperren, kühlen und den Kreislauf unterstützen

Eine ganze Reihe von Anti-Hitze-Maßnahmen können Arbeitnehmer aus eigener Initiative ergreifen, nämlich die Hitze  aus dem Büro aussperren: Früh morgens lüften (lassen) und tagsüber die Jalousien schließen.

Schnelle Abkühlung bietet kaltes Wasser, das man über die Innenseite der Handgelenke laufen lässt. Noch besser: ein kaltes Unterarmbad. Durch den Kältereiz werden die Gefäße wenigstens für kurze Zeit enger gestellt - der Kreislauf wird wieder gestärkt.


Schlagworte zum Thema:  Recht, Fürsorgepflicht, Klimawandel