Kein Wegeunfall wegen Handytelefonat zum Unfallzeitpunkt

Dass die Nutzung des Handys für Autofahrer und Radler rechtliche Konsequenzen haben kann, ist bekannt. Doch auch die Handynutzung als Fußgänger kann nachteilige Folgen haben. Wenn es auf dem Weg von oder zur Arbeit zu einem Unfall kommt, kann das Handy-Telefonat die Anerkennung als Arbeitsunfall in Frage stellen.

Unfälle auf dem Weg zur oder von der Arbeit sind grundsätzlich als Wegeunfall gesetzlich unfallversichert.  Doch ein Handytelefonat auf dem Heimweg kann den Versicherungsschutz kosten:

  • Hier wurde eine Arbeitnehmerin wurde auf dem Heimweg von ihrer Arbeit an einem unbeschrankten Bahnübergang von einer U-Bahn erfasst und verletzt.
  • Sie erlitt dabei unter anderem Frakturen im Kopfbereich und eine Hirnblutung und befand sich deshalb in monatelanger stationärer Behandlung
  • Sie machte Ansprüche gegen die gesetzliche Unfallversicherung geltend.

Doch die lehnte es ab, den Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Scheitert der Wegeunfall an einer gemischten Tätigkeit?

Zwar war die Klägerin zum Unfallzeitpunkt auf dem Heimweg und könnte deshalb im Rahmen eines Wegeunfalls gesetzlich versichert gewesen sein.

  • Allerdings telefonierte sie zum Unfallzeitpunkt mit ihrem Handy, wie Zeugenaussagen und ein der Polizei vorliegendes Videomaterial unzweifelhaft ergab. Das ließ den Fall in einem anderen Licht erscheinen.
  • Versichert war nur die Tätigkeit des Nachhausegehens vom Arbeitsort, nicht jedoch auch das gleichzeitige Telefonieren mit dem Handy.
  • Sie  ging daher einer gemischten Tätigkeit nach, bestehend auch dem Fußweg in Richtung Wohnung sowie dem privaten Telefonieren.

Welche Tätigkeit stand in engerem Zusammenhang mit dem Unfall?

Die auf die Beschäftigung bezogene Verrichtung, die Fortbewegung in Richtung der eigenen Wohnadresse stand hier zwar in Zusammenhang mit dem Unfall. Das Gericht sah aber bei der weitere ausgeübten Verrichtung, den Telefonieren während des Heimwegs, ebenfalls einen Zusammenhang mit dem Unfall .

Maßgeblich für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls bei gemischten Tätigkeiten ist, die Zurechnung des Unfallereignisses und des Gesundheitsschadens zur versicherten Tätigkeit.

Entscheidend sei, ob sich durch das versicherte Handeln (Heimweg) ein Risiko verwirklicht habe, gegen das der jeweils erfüllte Versicherungstatbestand Schutz gewähren soll. Das sah das Gericht hier nicht gegeben.

Telefonieren als abgrenzbare und für den Unfall ursächliche Verrichtung

Das Gericht kam vielmehr zu der Überzeugung, das  Unfallereignis sei überwiegend dem Telefonieren zuzurechnen. Bereits nach allgemeiner Lebenserfahrung sei als bekannt anzunehmen, dass die Nutzung eines Telefons erheblich von anderen Aktivitäten ablenke und die Wahrnehmungsfähigkeit im Straßenverkehr einschränke. 

Beim Telefonieren handele es sich auch um eine von dem Heimweg abgrenzbare Verrichtung, nämlich einem konkret, also räumlich und zeitlich bestimmten Verhalten, das seiner Art nach von Dritten beobachtbar ist (vgl. BSG, Urteil v. 9.11.2010, B 2 U 14/10 R).

Warum kein Arbeitsunfall?

Um einen Arbeitsunfall annehmen zu können, muss die versicherte Verrichtung, also in diesem Fall der Heimweg, den  Unfall wesentlich verursacht haben und dadurch für den Gesundheitsschaden eine Wirkursache gewesen sein (vgl. BSG, Urteil v. 13.11.2012, B 2 U 19/11 R). 

Tritt die der versicherten Tätigkeit zuzurechnende Ursache dagegen gegenüber den anderen Ursachen deutlich in den Hintergrund, bleibt sie als rechtlich unwesentlich außer Betracht.

  • Durch das Telefonieren während der Fortbewegung hat die Frau ein erhebliches Risiko begründet
  • Dieses Risiko realisierte sich in dem Unfallereignis
  • Das allgemeine Wegerisiko, einen unbeschrankten U-Bahnübergang mit freier Sicht in Richtung herannahender Bahn und Lichtzeichenanlage zu überqueren, tritt hinter dieses Risiko zurück.

Rechtlich wesentliche Ursache des Unfalls war das die Fortbewegung beeinflussende Telefonieren, das als eigenwirtschaftliche Verrichtung nicht unter den Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung fällt. Die Frau hat keinen Anspruch gegen die gesetzliche Unfallversicherung.

(SG Frankfurt am Main, Urteil v. 18.10.2018, S 8 U 207/16).


Norm:

SGB VII, Gesetzliche Unfallversicherung

§ 8 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 SGB VII

  1. Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
  2. Nr. 1: Versicherte Tätigkeiten sind auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit.
Schlagworte zum Thema:  Verkehrsunfall, Arbeitsunfall