Anwälte haben kein Einsichtsrecht in die Personalakten

„Mein Anwalt wird die Personalakte einmal genauer unter die Lupe nehmen.“ – Arbeitnehmer, die glauben, ihren Chef auf diese Art zu beeindrucken, täuschen sich. Nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig dürfen Rechtsanwälte noch nicht einmal einen Blick in die Akte werfen.

Der Fall betraf eine 53-jährige Verkäuferin, die seit 1989 bei demselben Arbeitgeber beschäftigt war. 2009 hatte sie eine Abmahnung erhalten. 2012 erteilte ihr der Arbeitgeber im Anschluss an eine Kundenbeschwerde eine weitere Abmahnung. Diese ließ sie über einen beauftragten Rechtsanwalt zurückweisen und wehrte sich mit einer Gegendarstellung.

Arbeitgeber sollte dem Rechtsanwalt Einsicht in die Personalakte gewähren

Die Arbeitnehmerin forderte sie ihren Arbeitgeber zudem auf, beide Abmahnungen aus der Personalakte zu entfernen und ihrem Rechtsanwalt Einsicht in die Personalakte zu gewähren. Zwischenzeitlich war die Mitarbeiterin zwar aus dem Betrieb ausgeschieden, die Einsichtnahme in die Personalakte klagte sie aber gleichwohl noch ein. 

Akteneinsicht ist auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglich

Der Arbeitnehmer hat gemäß § 241 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf Einsicht in seine vom ehemaligen Arbeitgeber weiter aufbewahrte Personalakte.

  • Für das nachvertragliche Einsichtsrecht bedarf es keines besonderen berechtigten Interesses des ausgeschiedenen Arbeitnehmers. 
  • Das sich aus § 241 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 2 GG, Art. 1 GG ergebene nachvertragliche persönliche Einsichtsrecht kann entgegen der Auffassung der Klägerin aber grundsätzlich nicht auf einen Dritten übertragen werden.

Aber: Akteneinsicht ist ein höchstpersönliches Recht

Der im bestehenden Arbeitsvertrag nach § 83 Abs. 1 Satz 1 BetrVG begründete Anspruch auf Personalakteneinsicht, den die Klägerin mit ihrer Klage zunächst geltend gemacht hat, steht nur dem Arbeitnehmer höchstpersönlich zu. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut, der Systematik und dem Sinn und Zweck der Norm.

Hinzuziehen bedeutet nicht bevollmächtigen

Bereits nach dem Wortlaut des § 83 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hat nur der Arbeitnehmer und nicht ein durch ihn beauftragter Dritter das Recht, in die über ihn geführte Personalakte Einsicht zu nehmen. Aber gerade die Systematik der Sätze 1 und 2 des § 83 Abs. 1 BetrVG macht deutlich, dass es sich bei dem Personalakteneinsichtsrecht um ein höchstpersönliches Recht des Arbeitnehmers handelt.

Nur ein Mitglied des Betriebsrats kann hinzugezogen werden

Nach § 83 Abs. 1 Satz 2 BetrVG kann der Arbeitnehmer bei der Einsichtnahme ein Mitglied des Betriebsrats hinzuziehen. Gerade der Umstand, dass das Gesetz ausdrücklich nur die Hinzuziehung eines Betriebsratsmitglieds vorsieht, lässt den Umkehrschluss zu, dass der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, sonstigen vom Arbeitnehmer hinzugezogenen Dritten Akteneinsicht zu gewähren.

Zudem bedeutet „hinzuziehen“ nicht bevollmächtigen. Bei der Bevollmächtigung nimmt ein Dritter anstelle des Berechtigten dessen Rechte wahr. Demgegenüber bedeutet „hinzuziehen“ grundsätzlich, dass der Berechtigte bei der Ausübung seiner Rechte einen Dritten zu Rate zieht. Aber auch nach der teleologischen Auslegung handelt es sich bei dem Recht auf Personalakteneinsicht um ein nur dem Arbeitnehmer höchstpersönlich zustehendes Recht.

Sinn der Akteneinsicht

Die Akteneinsicht dient dazu, Kenntnis über die in der Personalakte enthaltenen Daten zu erlangen. „Bei der Einsichtnahme in die Personalakte geht es lediglich um einen dem Beseitigungs- oder Korrekturanspruch vorgelagerten Transparenzschutz hinsichtlich des fremd geschaffenen und zeitlich aufbewahrten Meinungsbilds.

Bevor der Arbeitnehmer seine Rechte auf Beseitigung oder Korrektur unrichtiger Daten in seiner Personalakte gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen kann, muss er Gelegenheit haben, überhaupt Kenntnis über die in der Personalakte enthaltenen Daten zu erhalten. Bei der Akteneinsicht geht es mithin um die reine Kenntniserlangung und nicht um die rechtliche Beurteilung eines Beseitigungs- oder Korrekturanspruchs“, schlussfolgert das Gericht. 

Ausnahme: Einsichtsrecht aufgrund langanhaltender Erkrankung

Etwas anderes kann allerdings dann gelten, wenn der Arbeitnehmer selbst über einen längeren Zeitraum verhindert ist, sein Akteneinsichtsrecht höchstpersönlich wahrzunehmen, z. B. während einer langanhaltenden Erkrankung oder einem längeren Auslandseinsatz. Unter vertraglichen Fürsorgegesichtspunkten kann der Arbeitgeber verpflichtet sein, einem konkret bevollmächtigten Dritten Einsicht in die Personalakte des Arbeitnehmers zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer selbst unverschuldet verhindert ist, das Einsichtsrecht wahrzunehmen und eine sofortige Einsichtnahme erforderlich ist.

In einem solchen Ausnahmefall kann der Arbeitnehmer verlangen, dass ein Dritter für ihn das Einsichtsrecht wahrnimmt. Im konkreten Fall war die Mitarbeiterin unstreitig nicht unverschuldet daran gehindert, selbst Einsicht in ihre Personalakte zu nehmen.

(LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 17.4.2014, 5 Sa 385/13).

Weitere Informationen zum Thema Personalakte für die anwaltliche Praxis bietet die digitale Fachbibliothek " Deutsches Anwalt Office Premium".

Schlagworte zum Thema:  Personalakte, Rechtsanwalt