1 Einführung

Streik und Aussperrung als die im Wesentlichen praktizierten Mittel des Arbeitskampfes sind keine rechtlichen, sondern historisch gewachsene soziale Phänomene des Arbeitslebens. Es sind Mittel, um auf den sozialen Gegenspieler Druck auszuüben. Man will diesen veranlassen, eigenen Forderungen nachzugeben oder von Forderungen Abstand zu nehmen. Dafür hält die Arbeitnehmerseite die eigene Arbeitsleistung zurück, die Arbeitgeberseite verweigert Beschäftigung und Bezahlung. Der Konflikt soll entsprechend den eigenen Interessen entschieden werden. Ein solches Geschehen, das auf Nachteilszufügung zur eigenen Interessendurchsetzung abstellt, fordert jede Rechtsordnung heraus, die grundsätzlich gesellschaftliche Friedensordnung ist. Sie wird durch eine Selbsthilfe außerhalb der angebotenen Verfahrenswege herausgefordert. In der Bundesrepublik Deutschland ist Teil der Rechtsordnung auch eine freiheitliche Sozialordnung, die durch die kollektiven Akteure des Arbeitslebens in einem verfassungsrechtlich durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Autonomiebereich auszugestalten ist. Um hierbei ihre häufig gegenläufigen Interessen austragen zu können, steht auch das Recht zum Arbeitskampf zur Verfügung.[1] Hierfür hat die Rechtsordnung den äußeren Rahmen vorzugeben, was noch, und was nicht mehr hinnehmbar ist. Das deutsche Arbeitskampfrecht hat im Vergleich zum europäischen und US-amerikanischen Ausland einen relativ engen Rahmen für zulässige Arbeitskampfmaßnahmen gezogen. Innerhalb dessen besteht aber ein verfassungsrechtlich abgesicherter und deshalb weitgehend rechtssicherer Freiraum für die Akteure des Arbeitslebens. Der Beitrag versucht die Begriffe zu klären sowie den Rahmen und den Freiraum zu beschreiben. Dabei werden auch die rechtlichen Konstruktionen und die sich ergebenden Rechtsfolgen geklärt.

[1] In der DDR gab es nach der systemtragenden Idee keinen derartigen strukturellen Interessengegensatz und deshalb auch kein Recht zum Arbeitskampf.

2 Der Streik

Der Streik ist das überkommene Mittel, dessen sich abhängig Beschäftigte im Arbeitskampf bedienen. Der Begriff "strike" stammt aus dem England des 19. Jahrhunderts. Er meinte zunächst nur den plötzlichen "Schlag" einer Arbeitnehmergruppe gegen den sozialen Gegenspieler. Heute versteht man unter dem Streik die planmäßige und gemeinschaftliche ("kollektive") Verweigerung der nach den abgeschlossenen Einzelarbeitsverträgen eigentlich geschuldeten Arbeit durch eine Gruppe von Arbeitnehmern oder ganze Belegschaften. Mithilfe der so erzeugten Störung der Produktionsabläufe soll das angestrebte Ziel erreicht werden. Dies stets vor dem Hintergrund, dass die Streikenden die Arbeit nach dem Ende der Maßnahme wieder aufnehmen wollen. Ziel wird regelmäßig eine Verbesserung der kollektiven Arbeitsbedingungen sein, wie sie insbesondere in Tarifverträgen festgelegt werden. Dieses heute typische Ziel eines Streiks gehört aber nicht zu dessen Begriffsmerkmalen. Bei kollektiven Arbeitsniederlegungen kann es auch darum gehen, tatsächlich eingetretene Verschlechterungen rückgängig zu machen.

Das Arbeitskampfrecht dient dazu, die Zulässigkeit und Rechtsfolgen von Streikmaßnahmen zu bestimmen. Es hat darüber zu entscheiden, bei welcher Zielrichtung und mit welcher Intensität von organisierten Kollektiven ausgehende Störungen des Arbeitslebens hingenommen werden können. Es hat die Aufgabe, das Arbeitskampfgeschehen derart zu regulieren, dass Schäden bei Beteiligten und Dritten nicht außer Verhältnis zu dem von den Kämpfenden angestrebten Ziel geraten. Es liegt auf der Hand, dass es hier sehr unterschiedliche Einschätzungen der am Arbeitsleben und an der Rechtsprechung Beteiligten geben kann.

Die Rechtsordnung hat sich im Zusammenhang mit Arbeitskämpfen von Arbeitnehmerseite allerdings nicht ausschließlich mit dem Streik zu befassen. Aus dem Freiheitsgrundrecht der Koalitionen und deren für die Koalitionsfreiheit zentral bedeutsamen Staatsferne ergibt sich, dass die Wahl der Mittel, welche die Koalitionen zur Erreichung der koalitionsspezifischen Zwecke für geeignet halten, diesen überlassen bleibt. Deshalb können nach der allerdings vielfach bekämpften Rechtsprechung zu den rechtlich zu überprüfenden Kampfmitteln auch die von Gewerkschaften streikbegleitend organisierten sog. Flashmob-Aktionen gehören. Mit ihnen sollen rechtmäßige Arbeitskampfziele unterstützt werden. Flashmob meint die "blitzartige Mobilisierung" von Menschen mit dem Ziel, kurzzeitig die Abläufe in einem Betrieb zu stören und so zusätzlichen Verhandlungsdruck aufzubauen.

 
Praxis-Beispiel

Flashmob

In einer Auseinandersetzung um einen neuen Tarifvertrag im Einzelhandel veranlasste die beteiligte Gewerkschaft Menschen, die sich zuvor zu einer derartigen Unterstützungsaktion bereit erklärt hatten, kurzfristig per Handy in einer durch Streikbrecher weiter betriebenen Filiale "gezielt einkaufen zu gehen": "z. B. so: Viele Menschen kaufen zur gleichen Zeit einen Pfennig-Artikel und blockieren dann für längere Zeit den Kassenbereich. Viele Mensc...

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