Posted Worker Notification: Wann die A1-Bescheinigung nicht ausreicht
Wer erfahrene Personalverantwortliche fragt, welche Dokumente für den Arbeitseinsatz im Ausland benötigt werden, bekommt meist rasch die Antwort "A1-Bescheinigung" – also der EU-weit erforderliche Beleg dafür, dass Arbeitnehmende in einem anderen Mitgliedsland sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind und dort bereits den entsprechenden Beitrag abführen.
Es gibt allerdings noch eine weitere Verpflichtung, die seit 1996 bei einer Dienstreise ins Ausland zwingend erforderlich ist, aber immer wieder vergessen wird: Gemeint ist die sogenannte "Posted Worker Notification", auch "EU-Meldung" genannt. Sie wurde im Rahmen der Entsenderichtlinie von den zuständigen EU-Gremien verabschiedet, trägt allerdings keinen EU-weit einheitlichen Namen – was deren Beantragung für Unternehmen, die Beschäftigte ins Ausland entsenden, in der Praxis zusätzlich verkompliziert.
"Posted Worker Notification" soll Lohndumping verhindern
Die grundsätzliche Überlegung hinter der Entsenderichtlinie war der Schutz des heimischen Arbeitsmarktes vor Billiglohnkräften aus dem Ausland. War es zuvor möglich, ausländische Arbeitnehmende anzuwerben und zu niedrigeren Löhnen als die inländische Konkurrenz zu beschäftigen, ist dies nun ausgeschlossen. Arbeitgeber sind damit gezwungen, ihre Arbeitnehmenden nach landesüblichen Mindeststandards zu vergüten und damit den Grundsatz "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" in der Praxis zu realisieren.
Zugleich ging es bei der Einführung der Entsenderichtlinie auch darum, gering bezahlte Arbeitskräfte vor Ausnutzung zu schützen. Insbesondere, wenn die Person aus einem Land stammt, in dem ein niedriges Lohngefüge herrscht, erwartet sie womöglich auch in einem Hochlohnland keine bessere Bezahlung und wäre damit potenziellem Lohndumping schutzlos ausgeliefert. Die "Posted Worker Notification" stellt also einen Schutz in beide Richtungen sicher: Zum einen erhalten Arbeitskräfte eine angemessene Entlohnung, zum anderen wird das Einkommensniveau nicht zu stark nach unten gedrückt.
Fehlt die "Posted Worker Notification" droht eine Strafe von bis zu 100.000 Euro
Obwohl die Entsenderichtlinie bereits vor gut 25 Jahren verabschiedet wurde, kommt es allerdings bis heute zu teils kostspieligen Versäumnissen bei der Umsetzung. Fällt den Kontrolleuren oder Kontrolleurinnen - beispielsweise bei einer Baustellenbegehung - die fehlende "Posted Worker Notification" auf, kann es zu gewichtigen Strafen kommen. Für das betroffene Unternehmen können Zahlungen von bis zu 100.000 Euro drohen. Bei mehrfachem Rechtsbruch können diese sogar auf bis zu 500.000 Euro anwachsen. Der Arbeitnehmende muss mit einem Bußgeld von 5.000 Euro rechnen.
In einem uns bekannten Fall wurde ein österreichischer Arbeitgeber zu einer empfindlichen Strafzahlung verurteilt, weil er versäumt hatte, für seine auf einer deutschen Baustelle tätigen Arbeitskräfte die "Posted Worker Notification" zu beantragen. Die aus einem osteuropäischen Niedriglohnland stammenden Bauarbeiter besaßen zwar eine gültige A1-Bescheinigung, konnten allerdings nicht nachweisen, dass eine "Posted Worker Notification" erfolgte. Obwohl sie nur wenige Wochen in Deutschland vor Ort waren, musste das Unternehmen rund 20.000 Euro Strafe überweisen.
Überblick: Posted Worker Notificaton - für diese Branchen ist sie notwendig
Das Beispiel zeigt das aktuelle Problem in anschaulicher Art und Weise: Während die A1-Bescheinigung mittlerweile sektorenübergreifend bekannt ist und für erfahrene Personaler eine Selbstverständlichkeit darstellt, ist dies bei der "Posted Worker Notificaton" bislang häufig nicht der Fall. Womöglich lässt sich dieser Umstand teilweise mit dem etwas komplexeren Beantragungsprozess erklären. Der Hauptgrund dürfte gleichwohl in der Tatsache begründet liegen, dass die Notifizierung zumindest in Deutschland schlichtweg nicht für alle ausländischen Arbeitnehmenden notwendig ist.
Von der Regelung betroffen sind hierzulande nämlich lediglich die folgenden Branchen, in denen prekäre Beschäftigungsverhältnisse an der Tagesordnung sind:
- Abfallwirtschaft, einschließlich Straßenreinigung und Winterdienst
- Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach SGB II oder III
- Bauhauptgewerbe
- Dachdeckerhandwerk
- Elektrohandwerk
- Gebäudereinigungsleistungen
- Gerüstbauerhandwerk
- Maler- und Lackiererhandwerk
- Pflegedienstleistungen
- Schlachten und Fleischverarbeitung (Fleischwirtschaft)
- Schornsteinfegerhandwerk
- Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerk
In allen anderen Branchen reicht für entsendete EU-Ausländer hierzulande die A1-Bescheinigung aus.
Insbesondere die Nachbarländer Österreich und Frankreich sind für strenge Kontrollen in einer Vielzahl an Branchen bekannt. Auch die Bußgelder fallen in diesen Ländern bei Nichteinhaltung der Nachweispflicht für die "Posted Worker Notification" in der Regel höher aus.
Personalverantwortliche sollten bei einem Wechsel in die betroffenen Branchen deshalb genau prüfen, ob der neue Kollege beim nächsten Arbeitseinsatz im Ausland neben der A1-Bescheinigung nicht auch die "Posted Worker Notification" benötigt.
EU-Bescheinigung: Drei Herausforderungen, die Personaler kennen müssen
Bei unklarer Ausgangssituation bietet es sich für Unternehmen an, die Notifizierung sicherheitshalber zu tätigen. Aufgrund der undurchsichtigen juristischen Sachlage empfiehlt beispielsweise auch die in Deutschland zuständige Zollbehörde, im Zweifelsfall lieber Vorsicht walten zu lassen. Gleiches gilt für Österreich, wo mit der KIAB allerdings nicht der Zoll, sondern die landesweit tätige Finanzpolizei die Kontrolle übernimmt.
Es lassen sich zusammenfassend drei Punkte festhalten, die die komplexe Ausgangssituation verdeutlichen:
- Die "Posted Worker Notification" trägt keinen einheitlichen Namen in den jeweiligen EU-Mitgliedsstaaten.
- Für die Kontrolle der Bescheinigung vor Ort sind in den einzelnen EU-Staaten unterschiedliche Behörden zuständig.
- Auch die betroffenen Branchen, in denen die Notifizierung nachgewiesen werden muss, sind von Land zu Land verschieden.
Ohne eine detaillierte Kenntnis der spezifischen Vorgaben im jeweiligen Zielland kann es bei der Beantragung deshalb leicht zu unbeabsichtigten Fehlern kommen. De facto reicht es also nicht aus, nur mit der deutschen Rechtslage vertraut zu sein, sondern auch mit der Umsetzung der Entsenderichtlinie in anderen EU-Staaten.
Dementsprechend wäre es zwar wünschenswert, dass die verschiedenen Dokumente, inklusive der A1-Bescheinigung, künftig zu einer einzelnen Bescheinigung zusammengefügt werden und das Prozedere dadurch vereinfacht wird. Solange dies aber nicht der Fall ist, wird es bei der Beantragung der "Posted Worker Notification" beinahe zwangsläufig immer wieder zu folgenschweren Missverständnissen kommen.
Angesichts der äußerst komplexen Rechtslage und insbesondere, wenn die Personalverantwortlichen noch nicht häufig Dienstreisen ins europäische Ausland organisieren musste oder ein Unternehmen regelmäßig Beschäftigte in eine Vielzahl verschiedener EU-Länder entsendet, kann sich deshalb auch juristische Unterstützung als wertvoll erweisen.
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