Künstliche Intelligenz im Recruiting

Homeoffice oder Remote Work: Diesen Alltag leben wir seit März 2020. Das Arbeiten aus den eigenen vier Wänden stellt auch HR vor Herausforderungen, vor allem vor digitale. Kann Recruiting von zu Hause aus funktionieren? Ja – am besten, wenn künstliche Intelligenz dabei unterstützt.

Die HR-Bereiche stellten sich am Anfang der Pandemie auf eine "kurze Zwangspause zu Hause" ein, mit einigen Wochen mit Online-Bewerbungsgesprä­chen und virtuellem Onboarding. Nun leben sie seit weit über einem Jahr den Recruiting-Alltag im Homeoffice. An­passen an diese neue Situation müssen sich alle: Recruiter und Recruiterinnen, Kandidaten und Kandidatinnen sowie die Unternehmensstrukturen. Die Digitalisierung spielt sowohl in Bewerbungsprozessen als auch in der Dokumentation und Kommu­nikation die entscheidende Rolle.

Mit künstlicher Intelligenz im Recruiting Stereotype vermeiden

Eine große Hilfe, um die Abläufe für HR und Bewerbende schneller und über­sichtlicher zu gestalten, bieten KI-Tech­nologien und maschinelles Lernen. In Personalabteilungen unterstützen sie beim Bewerbermanagement oder beim Aus- und Bewerten vieler Bewerberdaten.

Bei künstlicher Intelligenz (KI) spre­chen wir von Systemen, die vermensch­lichtes Lernen und Denken auf einen Computer übertragen – sie werden sozu­sagen intelligent. Je mehr ein System mit Daten gefüttert wird, desto genauer trai­niert ist es. Es findet eigenständig Ant­worten oder hilft dabei, Probleme zu lö­sen – zum Beispiel die Herausforderung, objektive Entscheidungen zu treffen.

Denn obwohl das äußere Erscheinungs­bild, Geschlecht oder andere persönliche Merkmale keinen Einfluss auf Personal­entscheidungen haben sollten, sieht der Standard in Unternehmen anders aus. Es herrschen weiterhin (unterbewusste) Vor­urteile, vor denen keiner von uns sicher ist. Die sogenannten "Unconscious Bias" beschreiben unbewusste Voreingenommenheiten, die aufgrund von Erfahrun­gen und Erinnerungen bei jeder Entschei­dung zum Tragen kommen. Herr Müller, Herzblut-Recruiter, findet Menschen mit festem Händedruck vertrauenswürdiger, wohingegen Frau Schmidt aus dem Per­sonalmarketing Bewerbende als unsym­pathisch empfindet, die bei Arbeitgeber XY gearbeitet haben.

Um diesen Vorurteilen entgegenzuwir­ken, setzen Arbeitgeber auf Quoten oder das Mehraugenprinzip bei Personalent­scheidungen. Viel effektiver wäre doch die Wahl eines oder einer Bewerbenden rein aufgrund seiner oder ihrer Qualifikation für den Job. Und genau dabei hilft KI. Die KI interessiert es – anders als Herrn Müller und Frau Schmidt – nicht, ob jemand einen festen Händedruck hat oder vorher für ein "un­sympathisches" Unternehmen arbeitete.

Bewerbungsprozesse mit KI smarter gestalten

Beim CV-Parsing liest eine KI-Software relevante Informationen aus dem Lebens­lauf heraus. Eine Studie von 2018 zeigte, dass sich Recruiting-Verantwortliche mit einem zweiseitigen Lebenslauf gerade mal 43 Sekunden befassen – unmöglich, hierbei alle relevanten Daten herauszu­lesen. Die KI bewertet im Gegensatz dazu alle verfügbaren Daten und entscheidet auf dieser Basis, ob jemand geeignet ist oder nicht.

Wenn Informationen zur Auswertung der Kandidatenpassung fehlen, setzen Unternehmen zusätzlich einen Chatbot ein, um diese gezielt zu erfragen. Für das Recruiting bieten sich dabei zwei Vorteile: Der Chatbot übernimmt den aufwendi­gen Kommunikationswechsel per E-Mail und verbessert durch den schnellen Aus­tausch die Candidate Experience enorm. Denn KI kennt weder Feierabend noch Wochenende und kann im Bewerbungs­prozess stellvertretend den raschen Erst­kontakt oder ein Follow-up übernehmen.

Beim Einsatz von KI-Lösungen steht aber eines klar im Vordergrund: Es geht um das Zusammenspiel von Mensch und Assistent. KI kann und soll nicht die Ar­beit des Recruiters oder der Recruiterin übernehmen. Vielmehr verschafft sie zum Beispiel durch Automatisierungen Raum für das, was im Recruiting-Prozess zählt: den individuellen Kontakt zum Bewer­ber und zur Bewerberin. Durch automa­tisierte Abläufe und die Übernahme von administrativen Aufgaben bleibt mehr Zeit für persönliche Telefonate oder Be­werbungsgespräche. Die Technik eignet sich allerdings nicht dazu, für Einstel­lungen relevante Faktoren wie Team-Fit oder relevante Soft Skills einzuschätzen.

Weitere Einsatzgebiete von KI im Recruiting

KI-Technologien können nicht nur im Bewerbungs- und Auswahlprozess unter­stützen, sondern haben sich in der Praxis auch bei der Verbreitung von Stellenaus­schreibungen bewährt. Auf Social-Me­dia-Plattformen hilft die Technik dabei, Vakanzen ausschließlich an passende Be­werberinnen und Bewerber auszuspielen. Anhand der gesam­melten anonymisierten Daten stellt die angelernte KI immer genauere Zielgrup­pen für Stellen zusammen. Sie beruft sich dabei auf Faktoren wie Jobtitel, Wohnort oder Interessen, aber auch auf die Inter­aktion mit ähnlichen Stellenanzeigen.

Genauso passen die Algorithmen von Social-Media-Kanälen wie Facebook oder Twitter Anzeigen stetig an geeignete Kan­didaten an: Wie viel Text führt zur besten Bewerbungsquote? Welches Bild hat die meisten Klicks generiert? Wie oft muss jemand die Stelle sehen, bevor er oder sie sich bewirbt?

Ein anderes Gebiet von KI im Recruiting ist Text-to-Speech. In Zeiten von Podcasts und Smart-Home-Geräten scheint es ein logischer Schritt, auch Stellenanzeigen als Audio-Varianten zu präsentieren. Mit computergenerierten Stimmen lässt sich ohne Zeitaufwand oder professionelles Equipment eine qualitative Audioversion der Stellenausschreibung generieren. Ein Unterschied zwischen Mensch und Ma­schine ist nur mit genauem Zuhören er­kennbar. Die Audioversionen eignen sich als Werbung auf Streaming-Plattformen wie Spotify ( ein Beispiel können Sie hier anhören). Gleichzeitig gehen wir damit einen wei­teren Schritt Richtung Inklusion: Auch Stellensuchende, die nicht lesen können, erhalten Zugang zu vakanten Stellen.

Algorithmen sind nur so gut, wie wir sie trainieren

Wenn KI in der Personalgewinnung zum Einsatz kommt, ist sie bei der Program­mierung immer auf den Menschen an­gewiesen. Für den Lernprozess nutzt sie ausschließlich die vom HR-Softwareent­wickler zur Verfügung gestellten Daten. Stellen wir der KI also Daten zur Verfü­gung, die lediglich einen Teilaspekt be­leuchten, einseitig oder manipuliert sind, erlernt das System das gleiche Bias-Den­ken wie der Mensch und hemmt womög­lich sogar die Vielfalt im Unternehmen.

Beim Training der Technologie sollten wir deswegen große Datensätze verwen­den, die immer wieder geprüft werden. Nicht umsonst hat der Ethikbeirat HR-Tech in 2020 neue Richtlinien eingeführt, um einen verantwortungsvollen Umgang mit KI zu unterstützen. Dazu Oliver Suchy vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und Mitglied des Ethikbeirats HR-Tech: "Wir müssen ganz am Anfang, im Ursprung der Entwicklung, Beschäftigte und Interessenvertretungen beteiligen und gemeinsam diesen Prozess der Entwicklung von Zielen für eine KI, die Umsetzung und auch die Überprüfung neu organisieren.“

KI beschleunigt, automatisiert oder modernisiert Recruiting-Prozesse

Eines haben die vorgestellten Anwen­dungsgebiete gemeinsam: Sie beschleuni­gen, automatisieren oder modernisieren Prozesse in der Personalgewinnung. Sie sind schon heute überall zu finden und im Recruiting aktiv im Einsatz. Sie unterstüt­zen HR-Abteilungen dabei, neue Wege zu gehen und sich Zeit für relevante Aufga­ben zu nehmen. Aber jede Technologie lässt sich nur dann zielführend einsetzen, wenn Mensch und Assistent zusammen­arbeiten und Personalabteilungen Um­strukturierungen offen begegnen.


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