Geschlechtervielfalt in Konzernen: nur kleine Schritte

Der Frauenanteil unter Vorständen großer Konzerne in Deutschland steigt nur um zwei Prozentpunkte. Der Gehaltsunterschied ist sogar gestiegen. Aber immerhin: Weibliche Vorstände halten sich länger auf ihren Positionen als ihre männlichen Kollegen.

Der Anteil der männlichen Abgänge im Vorstand zwischen 2017 und 2019 lag bei durchschnittlich 13 Prozent pro Jahr, unter den Frauen verließen nur sieben Prozent ihre Vorstandsposten. Das ist ein Ergebnis der aktuellen Studie der Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG), die in Kooperation mit der Technischen Universität München (TUM) erschien. „Frauen im Top-Management haben Durchhalte- und Durchsetzungsvermögen – anders als in der öffentlichen Diskussion manchmal dargestellt“, sagt Rocío Lorenzo, Partnerin bei BCG und Co-Autorin der Studie.

Für die Studie analysierten BCG und die TUM erneut die 100 größten börsennotierten Konzerne Deutschlands im Hinblick auf Vielfalt in den Führungsgremien. Dabei standen die Verteilung der Geschlechter in Vorstand und Aufsichtsrat sowie deren Vergütung im Mittelpunkt. Da die Studie bereits im dritten Jahr in Folge durchgeführt wurde, lässt sich auch die Entwicklung in den Unternehmen nachvollziehen.

Anteil von Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten steigt nur schleppend

Im Vergleich zum Vorjahr ist der Anteil der Vorständinnen um zwei Prozentpunkte gestiegen, doch sind lediglich neun Prozent der deutschen Vorstandsposten mit Frauen besetzt (2018: sieben Prozent; 2017: sechs Prozent). Unter den Aufsichtsräten erhöht sich im Jahr 2019 der Frauenanteil um bloß einen Prozentpunkt auf 32 Prozent (2018: 31 Prozent, 2017: 29 Prozent). „Geht die Entwicklung weiter wie bisher, erreichen wir ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis in den Vorständen erst im Jahr 2051“, sagt Nicole Voigt, Partnerin bei BCG und Co-Autorin der Studie. Aktuell leisten sich noch 59 von 100 Unternehmen einen rein männlich besetzten Vorstand.

Wie es besser geht, zeigen die „Diversity Champions“: An der Spitze des BCG Gender Diversity Index stehen dieses Jahr das Finanzinstitut Aareal Bank mit 81 von 100 möglichen Punkten, das Chemieunternehmen Evonik Industries (75 Punkte) und der Telekommunikationskonzern Deutsche Telekom (73 Punkte). Letzterem gelingt damit das ausgewogenste Verhältnis unter den DAX-Unternehmen. Es folgen die Konzerne Henkel, SAP und Lufthansa. Insgesamt zeigt sich, dass große Unternehmen Vielfalt stärker priorisieren als kleinere. So schneiden die DAX-Konzerne besser ab als der Durchschnitt der 100 Unternehmen.

Gehaltslücke im Vorstand vergrößert sich – aber nicht in allen Bereichen

Die Lücke zwischen den Gehältern von Frauen und Männern auf Vorstandsebene hat sich in diesem Jahr wieder etwas vergrößert – von 21 Prozent auf 23 Prozent (2017: 30 Prozent). In den Aufsichtsräten stagniert der Gender Pay Gap bei 17 Prozent (2017: 20 Prozent). „Immerhin beobachten wir das folgende Nischenphänomen“, sagt Isabell Welpe, Inhaberin des Lehrstuhls für Strategie und Organisation an der Technischen Universität München: „In businessnahen Positionen, beispielsweise im Produktions- oder Vertriebsressort, verdienten Frauen im Jahr 2019 durchschnittlich acht Prozent mehr als ihre männlichen Kollegen. Für die Ausübung sogenannter supportnaher Ämter – etwa Personal oder Compliance – erhielten Frauen im Vorstand sechs Prozent mehr als Männer.“

Die Befragung zeigt außerdem, dass aufstiegsambitionierte Frauen in Deutschland Diversität im Top-Management als wichtiges Signal für die eigene Perspektive bewerten. Wenn die oberste Führungsriege als vielfältig wahrgenommen wird, wollen 83 Prozent der befragten ambitionierten Frauen lieber im eigenen Unternehmen aufsteigen als anderswo. „Die oft gehörte Entschuldigung ‚Wir haben keine Frauen im Top-Management, weil uns der weibliche Nachwuchs fehlt‘ lässt sich ins Gegenteil umkehren“, sagt Rocío Lorenzo. Vielmehr gelte: „Je mehr Frauen in Spitzenpositionen, desto größer die Sogwirkung für weiblichen Führungsnachwuchs“, ergänzt Nicole Voigt.


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