Rz. 753

Stehen für einen Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz weggefallen ist und dem eine Beendigungskündigung droht, mehrere andere Beschäftigungsmöglichkeiten zur Verfügung, hat der Arbeitgeber nach den Wertungen des § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG eine Auswahl unter diesen zu treffen. Zunächst ist somit vor Ausspruch einer Änderungskündigung eine Anpassung der Vertragsbedingungen im Wege des Direktionsrechts in Betracht zu ziehen. Denn auch die Änderungskündigung unterliegt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. zur "überflüssigen" Änderungskündigung aber insbesondere Rz. 725).

 

Rz. 754

Unter mehreren Beschäftigungsmöglichkeiten, die der Arbeitgeber im Wege des Direktionsrechts zuweisen kann, besteht keine zwingende Reihenfolge. Zwar muss der Arbeitgeber im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB auch berücksichtigen, inwieweit der Arbeitnehmer durch eine Änderung der Arbeitsbedingungen belastet wird. Er ist aber nicht gezwungen, die aus Sicht des Arbeitnehmers am wenigsten belastende Änderung vorzunehmen. Vorrangig kann er seine unternehmerischen Interessen berücksichtigen und prüfen, wie er den Arbeitnehmer aufgrund seiner Kenntnisse und Qualifikation am produktivsten einsetzen kann.[1]

Stehen allerdings betriebliche Gründe nicht entgegen, hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Tätigkeit zuzuweisen, die ihm nach seinen Fähigkeiten am ehesten gerecht wird.[2]

 

Rz. 755

Kommt eine Weiterbeschäftigung nur nach Änderung der Vertragsbedingungen in Betracht und hat der Arbeitgeber verschiedene Möglichkeiten der Weiterbeschäftigung, ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zunächst ein objektiver Günstigkeitsvergleich anzustellen und dem Arbeitnehmer der Arbeitsplatz anzubieten, dessen Arbeitsbedingungen sich am wenigsten weit von den bisherigen entfernen. Nur so kann das Änderungsangebot dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz standhalten.[3] Etwaigen Bewertungsproblemen im Hinblick auf die Gewichtung der verschiedenen Bestandteile des Arbeitsvertrags (Beschäftigungsort, Vergütung, Arbeitszeit usw.) und der korrespondierenden Änderungen kann der Arbeitgeber entgehen, indem er eine Änderungskündigung ausspricht, und dem Arbeitnehmer alternativ und hinreichend bestimmt alle etwaigen Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten anbietet.

 

Beispiel

Eine Versicherung am Standort Köln löst einen Bereich auf und deshalb entfällt die Stelle des Bereichsleiters. Der betroffene Arbeitnehmer könnte in Köln als Schadenssachbearbeiter zu 50 % der bisherigen Vergütung oder in Göttingen als Abteilungsleiter zu 75 % der bisherigen Vergütung weiterbeschäftigt werden.

Der Arbeitnehmer hat dann die Wahl, eines der Angebote vorbehaltlos oder unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG anzunehmen oder sämtliche Änderungsangebote abzulehnen.[4]

Möchte der Arbeitgeber mehreren Arbeitnehmern gegenüber eine Änderungskündigung aussprechen, muss er zunächst dem sozial schwächsten Arbeitnehmer alle verfügbaren Beschäftigungsoptionen alternativ anbieten. Gibt er dem Arbeitgeber sodann zu erkennen, dass er bestimmte Arbeitsplätze ablehnt, kann der Arbeitgeber hierüber anderweitig verfügen.

Es verbleibt allerdings das Problem, dass der Arbeitgeber nicht mehreren Arbeitnehmern zeitgleich dieselben geänderten Bedingungen anbieten kann, da er sonst Gefahr liefe, Arbeitsplätze mehrfach besetzen zu müssen.[5]

 
Hinweis

Eine sinnvolle Lösung kann bei betriebsbedingten Massen(änderungs)kündigungen deswegen nur durch sondierende Gespräche mit den betroffenen Arbeitnehmern im Vorfeld der Kündigungen erreicht werden. Die Arbeitnehmer müssen danach befragt werden, welche Vertragsänderungen für sie von vornherein ausscheiden.[6] So kann zum einen geklärt werden, inwiefern der Arbeitnehmer mit einer Fortbildung oder einer Weiterbeschäftigung zu geänderten Bedingungen überhaupt einverstanden ist. Zum anderen kann der Arbeitgeber Rücksicht auf persönliche Präferenzen nehmen und möglicherweise sogar eine einvernehmliche Vertragsänderung erzielen. Werden im Verlaufe dieses Verfahrens etwaige Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten von den Arbeitnehmern ausgeschlossen, so kann es diesen im Hinblick auf § 162 BGB nicht zustehen, sich in einem anschließenden Kündigungsschutzprozess auf diese Stellen zu berufen.

[1] APS/Kiel, § 1 KSchG Rz. 579.
[2] Linck/Krause/Bayreuther/Krause, § 1 KSchG Rz. 767.
[3] BAG, Urteil v. 10.4.2014, 2 AZR 812/12, Rz. 53; BAG, Urteil v. 22.9.2005, 2 AZR 519/04, zu II 2 d) aa) der Gründe; BAG, Urteil v. 28.10.1999, 2 AZR 437/98, zu II 3 der Gründe; APS/Kiel, § 1 KSchG Rz. 580; Linck/Krause/Bayreuther/Krause, § 1 KSchG Rz. 770.
[5] APS/Kiel, § 1 KSchG Rz. 580 f.
[6] APS/Kiel, § 1 KSchG Rz. 582.

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