Rz. 727

Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung zunächst gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer "in diesem Betrieb" nicht weiterbeschäftigt werden kann (Vgl. zum Betriebsbegriff Rz. 690). Zu dem für die Weiterbeschäftigung relevanten Betrieb zählt ebenso wie beim Kündigungsgrund auch der Gemeinschaftsbetrieb (Vgl. zum Begriff Gemeinschaftsbetrieb Rz. 692). Hinsichtlich der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem freien Arbeitsplatz im Gemeinschaftsbetrieb ist daher nicht darauf abzustellen, wer Vertragsarbeitgeber ist und welche Arbeitsplätze diesem jeweils zuzuordnen sind. Haben verschiedene Arbeitgeber einen Gemeinschaftsbetrieb gebildet, ist vor Ausspruch einer Kündigung, unabhängig von der konkreten vertraglichen Anbindung an einen Arbeitgeber, zu prüfen, ob eine Weiterbeschäftigung auf einem Arbeitsplatz in dem Gemeinschaftsbetrieb möglich ist.[1] Der Kündigungsschutz ist insoweit arbeitgeberübergreifend.[2] Allerdings bedarf es auf der Grundlage des gemeinschaftlichen institutionellen Leistungsapparats auch einer Eingriffs- und Gestaltungsmöglichkeit seitens des Vertragsarbeitgebers. Andernfalls fehlt es an der notwendigen Rechtsgrundlage. Eine solche fehlt insbesondere für eine Erstreckung der Prüfung auf andere Betriebe der am Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Unternehmen. Besteht der Arbeitsvertrag somit nur mit einem der Rechtsträger des Gemeinschaftsbetriebs, sind ausschließlich die bei diesem verfügbaren Beschäftigungsmöglichkeiten in sämtlichen Betrieben, einschließlich des Gemeinschaftsbetriebs zu berücksichtigen. Besteht der Arbeitsvertrag mit einer von allen Trägerunternehmen gebildeten Gesellschaft (Joint Venture) ist die Weiterbeschäftigungspflicht auf den Gemeinschaftsbetrieb begrenzt, da der Vertragsarbeitgeber – die Joint Venture-Gesellschaft – nur den Gemeinschaftsbetrieb unterhält.[3] Zudem gilt etwas anderes, wenn mit der unternehmerischen Entscheidung, die der Kündigung zugrunde liegt, zugleich die Auflösung des gemeinsamen Betriebs, insbesondere des institutionellen Leistungsapparats einhergeht. Das ist bereits dann anzunehmen, wenn einer der Betriebe des gemeinsamen Betriebs stillgelegt wird oder aufgrund der unternehmerischen Entscheidung feststeht, dass er bei Ablauf der Kündigungsfrist stillgelegt sein wird. Denn dann ist der Unternehmer des stillzulegenden Betriebs rechtlich nicht mehr in der Lage, eine Weiterbeschäftigung im fortgeführten Betrieb des anderen Unternehmens durchzusetzen.[4] Allerdings ist in jedem Einzelfall konkret zu prüfen, ob durch die Organisationsentscheidung – etwa die Änderung des Betriebszwecks oder die Stilllegung – der institutionelle Leitungsapperat und damit die verbindende Klammer, welche eine etwaige Weiterbeschäftigung ermöglicht, tatsächlich entfallen ist.[5]

 

Rz. 728

Anders als bei der Frage, ob die Beschäftigungsmöglichkeit im Betrieb entfallen ist und der verringerte Beschäftigungsbedarf eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigt, ist hinsichtlich der Prüfung einer anderweitigen zumutbaren Weiterbeschäftigungsmöglichkeit darüber hinaus auch auf andere Betriebe des Unternehmens abzustellen. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG gilt unternehmensbezogen und geht seinem Wortlaut nach somit über § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG hinaus. Der Arbeitgeber hat im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen, ob eine Kündigung des betroffenen Arbeitnehmers durch eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen freien Arbeitsplatz im Unternehmen abzuwenden ist.[6]

 

Rz. 729

Ein konzernweiter Kündigungsschutz kommt dagegen nicht in Betracht. Er widerspräche den eindeutigen Vorgaben des Kündigungsschutzgesetzes.[7] Er ist auch kaum mit dem Grundsatz der rechtlichen Selbstständigkeit der einzelnen Konzernunternehmen in Einklang zu bringen, denn die Weiterbeschäftigung durch ein anderes Unternehmen würde zu einem Wechsel des Vertragspartners und damit zu einer Durchbrechung des Grundsatzes der Relativität von Schuldverhältnissen (vgl. § 311 Abs. 1 BGB) führen. Ein konzernweiter Kündigungsschutz würde in einem mit dem Wortlaut von § 1 Abs. 2 KSchG nicht mehr vereinbaren Kontrahierungszwang resultieren.

Ein Konzern ist ein Zusammenschluss von Unternehmen unter einheitlicher Leitung. Arbeitsvertragspartner ist i. d. R. deshalb das einzelne Unternehmen als Arbeitgeber; nur diesem obliegt eine Beschäftigungspflicht. Grds. ist der Arbeitgeber vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung daher nicht verpflichtet, eine anderweitige Unterbringung des Arbeitnehmers in einem anderen Konzernunternehmen zu versuchen.[8]

 

Rz. 730

Gleichwohl kann ausnahmsweise im Hinblick auf eine besondere vertragliche Ausgestaltung der Leistungspflichten des Arbeitnehmers eine konzerndimensionale Betrachtungsweise angebracht sein.

Die Rechtsprechung hat einen Konzernbezug zunächst bejaht, wenn ein anderes Konzernunternehmen sich ausdrücklich zur Übernahme des betroffenen Arbeitnehmers bereiterklärt hat[9], wobei diese Zusage wohl auch konkludent erklärt werden kann. Hieran sind allerdings hohe Anforderunge...

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