Rz. 673

Jeder Kündigung geht zwangsläufig eine konzeptionelle unternehmerische Entscheidung voraus, die Auswirkungen auf die Entwicklung des Personalbedarfs hat, denn auch umgekehrt korreliert jede Beschäftigungsmöglichkeit mit der unternehmerischen Entscheidung, eine bestimmte Tätigkeit durch abhängig beschäftigte Arbeitnehmer ausführen zu lassen.[1] Das Erfordernis für eine Kündigung entsteht somit nicht allein und unmittelbar durch wirtschaftliche oder technische Entwicklungen, sondern erst durch die dadurch veranlasste Entscheidung des Arbeitgebers, sodass die unternehmerische Entscheidung im Mittelpunkt der Betrachtung stehen muss.[2] Der Arbeitgeber trifft etwa aufgrund konjunktureller, saisonaler oder branchenspezifischer Einflüsse eine Entscheidung, die sich letztlich auf die Beschäftigungsmöglichkeiten im Betrieb auswirkt und den Beschäftigungsbedarf für einzelne Arbeitnehmer entfallen lässt. Diese Entscheidung begründet ein dringendes betriebliches Erfordernis i. S. d. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.[3]

Der Wegfall einer Beschäftigungsmöglichkeit für einen Arbeitnehmer ohne Willensakt des Arbeitgebers ist nicht denkbar. Es ist deswegen auch rechtlich nicht notwendig, zwischen innerbetrieblichen und außerbetrieblichen Gründen zu unterscheiden.[4] Diese Differenzierung ist vielmehr deskriptiv und dient der systematischen Erfassung.[5]

Der Kündigungsentschluss selbst ist dagegen mangels Einbindung in ein unternehmerisches Konzept kein innerbetrieblicher Grund und keine abstrahierte unternehmerische Entscheidung, die eine soziale Rechtfertigung nach dem Kündigungsschutzgesetz bewirken könnte.[6]

 

Rz. 674

Die unternehmerische Entscheidung wird im Ansatzpunkt von den Gerichten nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder Zweckmäßigkeit hin überprüft. Es kommt nach dem geltenden Recht nicht darauf an, ob die den Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung ihrerseits, etwa aus wirtschaftlichen Gründen, "dringend" war oder die Existenz des Unternehmens auch ohne sie nicht gefährdet gewesen wäre.[7] Es ist deswegen nicht Sache der Gerichte, dem Arbeitgeber eine "bessere" oder "zielführendere" betriebliche Organisation vorzuschreiben oder die Stichhaltigkeit der Erwägungen des Arbeitgebers zu prüfen. Dementsprechend kann das Kündigungsschutzgesetz den Arbeitgeber auch nicht dazu verpflichten, betriebliche Organisationsstrukturen oder Standorte beizubehalten und geplante Änderungen nicht durchzuführen.[8]

Der Arbeitgeber trägt das wirtschaftliche Risiko für die zweckmäßige Einrichtung und Gestaltung des Betriebs. Zum wesentlichen Inhalt der grundrechtlich durch Art. 12, Art 14 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Entscheidungsfreiheit gehört deswegen gerade auch die Freiheit zur Gestaltung der betrieblichen Organisation. Die unternehmerische Entscheidung zur Umorganisation ist somit mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG bis zur Grenze der offensichtlichen Unsachlichkeit, Unvernunft oder Willkür frei.[9] Entsprechend ist der Arbeitgeber berechtigt, seine betrieblichen Aktivitäten zu gestalten, einzuschränken oder bestimmte bisher in seinem Betrieb verrichtete Arbeiten an Dritte fremd zu vergeben.[10] Hierzu gehört auch das Recht, sein Unternehmen aufzugeben bzw. selbst darüber zu entscheiden, welche Größenordnung es haben und welche unternehmerischen Ziele es verfolgen soll , ebenso die Festlegung, an welchem Standort welche arbeitstechnischen Zwecke verfolgt werden sollen.[11] Auch kann der Arbeitgeber frei darüber entscheiden, ob er infolge einer Personalreduzierung z. B. qualitative Abstriche oder verlängerte Bearbeitungszeiten in Kauf nimmt.[12]

 

Rz. 675

Gleichwohl wird von den Gerichten bei der Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes auf die freie unternehmerische Entscheidung stets eine eingeschränkte Überprüfung des unternehmerischen Konzepts vorgenommen, da bei einer schrankenlosen Hinnahme jeglicher unternehmerischen Entscheidung als bindend für den Kündigungsschutzprozess der Kündigungsschutz der Arbeitnehmer teilweise leerlaufen würde.[13] Nicht immer kann nämlich der eigentliche Kündigungsausspruch von dem ihm zugrunde liegenden unternehmerischen Konzept getrennt werden. Je näher somit die Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss heranreicht oder sogar mit ihm zusammenfällt, umso dichter wird die arbeitsgerichtliche Kontrolle.

Dies äußert sich insbesondere in den gesteigerten Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers, der nun im Prozess die organisatorische Durchführbarkeit und Nachhaltigkeit seiner unternehmerischen Entscheidung ausreichend verdeutlichen muss. Hierzu muss er konkret erläutern, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen die bisher vom Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen. Es muss konkret erläutert werden, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen, d. h. im Rahmen ihrer vertraglich geschuldeten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit, erledi...

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