Rz. 373

Kommen mehrere verhaltensbedingte Kündigungsgründe in Betracht, ist zunächst jeder Kündigungsgrund auf seine Eignung zu prüfen.

 

Rz. 374

Bei einer Kündigung, die auf mehrere Gründe gestützt wird, ist zunächst zu prüfen, ob jeder Sachverhalt für sich allein geeignet ist, die Kündigung zu begründen.

Erst wenn die isolierte Betrachtungsweise nicht bereits zur Wirksamkeit der Kündigung führt, ist im Wege einer einheitlichen Betrachtungsweise zu prüfen, ob die einzelnen Kündigungsgründe in ihrer Gesamtheit Umstände darstellen, die bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragsparteien und des Betriebes die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen.[1] Eine solche Gesamtbetrachtung kommt nur bei gleichartigen Verhaltensverstößen in Betracht, die zu vergleichbaren Störungen führen und Ausdruck einer spezifischen Unzuverlässigkeit des Arbeitnehmers sind.[2]

 

Beispiel

Ein Arbeitnehmer fehlt mehrfach unentschuldigt und erscheint häufig mit Alkoholfahne im Betrieb. Ferner hat er schlechter als der Durchschnitt gearbeitet; selbst die in der Urlaubszeit als Aushilfe eingesetzten Schüler waren schneller. Wegen Unzuverlässigkeit und Schlechtleistung war er abgemahnt worden.[3]

 

Rz. 375

Der in § 1 KSchG enthaltenen Einteilung der Kündigungsgründe in personen-, verhaltens- und betriebsbedingte Gründe liegt die Vorstellung zugrunde, die einzelnen Kündigungssachverhalte seien jeweils nur einem dieser Bereiche zuzuordnen. Tatsächlich gibt es aber auch Mischtatbestände, bei denen letztendlich ein einheitlicher Lebenssachverhalt mehrere der in § 1 Abs. 2 KSchG genannten Kündigungsgründe berührt. In einem solchen Fall richtet sich der Prüfungsmaßstab danach, aus welchem der im Gesetz genannten Bereiche die Störung primär kommt, die sich auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses nachteilig auswirkt, während dieser Beeinträchtigung eventuell zugrunde liegende, fernere Ursachen außer Betracht zu bleiben haben.[4]

 

Beispiel

Ein Student ohne Hochschulabschluss wurde als wissenschaftliche Hilfskraft nach erfolgter Exmatrikulation unter Berufung auf personenbedingte Gründe (Fehlens des Anforderungsmerkmals "Immatrikuliertsein") und unter Berufung auf betriebsbedingte Gründe (Unternehmerentscheidung, auf der fraglichen Stelle ausschließlich studentische Hilfskräfte zu beschäftigen) gekündigt. Der Kündigungsgrund knüpfte damit an die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers an, der aus Sicht des Arbeitgebers die vertraglich festgelegten Voraussetzungen der Beschäftigung nicht mehr erfüllt hat. Lediglich zur Rechtfertigung dieser Anforderung stützte sich der Arbeitgeber auf eine Organisationsentscheidung. Die soziale Rechtfertigung der Kündigung war daher anhand der Grundsätze zur personenbedingten Kündigung zu prüfen.[5]

[1] BAG, Urteil v. 20.11.1997, 2 AZR 643/96, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 43.
[2] BAG, Urteil v. 21.6.2001, 2 AZR 30/00, NZA 2002, 232; BAG, Urteil v. 20.11.1997, 2 AZR 643/96, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 43.
[3] BAG, Urteil v. 22.7.1982, 2 AZR 30/81, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 5.
[4] BAG, Urteil v. 18.9.2008, 2 AZR 976/06, NZA 2009, 425; BAG, Urteil v. 20.11.1997, 2 AZR 643/96, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 43; BAG, Urteil v. 29.1.1997, 2 AZR 9/96, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 32.

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