Rz. 362

Pflichtwidrigkeiten können ferner den betrieblichen Bereich betreffen. Hierbei kommt zum einen die Störung des Betriebsfriedens infrage. Unter dem Begriff Betriebsfrieden versteht man das betriebliche Miteinander der Arbeitnehmer. Dieses kann z. B. durch Beleidigungen von Vorgesetzten oder Kollegen, durch Angriffe auf diese oder durch üble Nachrede gestört werden. Zwar dürfen Arbeitnehmer – auch unternehmensöffentlich – Kritik am Arbeitgeber, ihren Vorgesetzten und den betrieblichen Verhältnissen üben und sich dabei auch überspitzt äußern, grob unsachliche Angriffe, die z. B. zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen können, muss der Arbeitgeber aber nicht hinnehmen.[1] Das Bestehen von Schadensersatzansprüchen untereinander ändert nichts daran, dass solche Vertragsstörungen eine Kündigung rechtfertigen können.

 

Beispiel

Der tätliche Angriff auf Arbeitskollegen stellt die Verletzung der Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die Rechte und Interessen der anderen Arbeitnehmer dar. Der Arbeitgeber ist allen Mitarbeitern gegenüber verpflichtet, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem diese keinen Tätlichkeiten ausgesetzt sind. Er hat ein eigenes Interesse daran, dass die betriebliche Zusammenarbeit nicht durch tätliche Auseinandersetzungen beeinträchtigt wird bzw. Mitarbeiter verletzt werden und ggf. ausfallen.[2]

 

Rz. 363

Des Weiteren kann eine Störung des Betriebsablaufs oder der Betriebsordnung kündigungsrelevant sein. Die Pflicht zur Sicherung der ungestörten Arbeitsabläufe ist Bestandteil der dem Arbeitnehmer obliegenden Treuepflicht. Die Regeln hierzu können durch Arbeitsanweisungen auf der Grundlage des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts durchgesetzt und z. B. in einer Betriebsordnung – unter Beachtung der betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG – festgelegt werden. Hierzu gehören u. a. auch Vorschriften zum äußeren Erscheinungsbild oder zum angemessenen Auftreten, Alkohol-, Cannabis- oder Rauchverbote sowie Regelungen zum Umgang mit Medien oder Kontrollvorschriften oder Regelungen, mit denen der Arbeitgeber in einem Verhaltenskodex das Verhalten der Arbeitnehmer und die betriebliche Ordnung regeln will.[3]

 

Beispiel

Die – wiederholte – Nichtbeachtung eines aus Sicherheitsgründen erlassenen absoluten Rauchverbots kann sogar zur außerordentlichen Kündigung führen.[4]

 

Rz. 364

Der Verstoß gegen eine Pflicht des Arbeitnehmers, ggf. auf Wunsch des Arbeitgebers nach entsprechender Ausübung billigen Ermessens an einer ärztlichen Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit mitzuwirken, kann eine Kündigung rechtfertigen.[5] Bei Vorliegen eines berechtigten Interesses des Arbeitgebers kann sich eine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Entbindung der behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht ergeben. Eine solche Verpflichtung kann sowohl aus tarifvertraglichen Bestimmungen als auch aus der allgemeinen Treuepflicht des Arbeitnehmers resultieren, insbesondere, wenn begründete Zweifel an der Tauglichkeit des Arbeitnehmers bestehen, den Anforderungen des Arbeitsplatzes aus gesundheitlichen Gründen – auf Dauer – gerecht zu werden. Unter Umständen kann eine Verweigerung eines Arbeitnehmers, seine Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden, als Beweisvereitelung im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen sein.[6]

 

Beispiele

Ein Arbeitnehmer, der berufs- oder erwerbsunfähig ist, aber schuldhaft entgegen tarifvertraglicher Verpflichtung an einer Mitwirkung die Stellung seines Rentenantrags verzögert, handelt grob pflichtwidrig.[7]

Das Gleiche gilt, wenn er schuldhaft eine ordnungsgemäße Begutachtung durch den Amtsarzt zur Feststellung seiner Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit unmöglich macht.[8]

[1] BAG, Urteil v. 5.12.2019, 2 AZR 240/19, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77.
[3] BAG, Beschluss v. 22.7.2008, 1 ABR 40/07, AP BetrVG 1972 § 87 Nr. 14.
[4] BAG, Urteil v. 27.9.2012, 2 AZR 955/11, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 74.
[5] BAG, Urteil v. 27.9.2012, 2 AZR 811/11, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68.
[6] BAG, Urteil v. 8.5.2014, 2 AZR 75/13, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 71.
[7] BAG, Urteil v. 7.11.2002, 2 AZR 475/01, AP BGB § 620 Kündigungserklärung Nr. 19.
[8] BAG, Urteil v. 6.11.1997, 2 AZR 801/96, AP BGB § 626 Nr. 142.

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