Rz. 9
Nach Abs. 1 darf der Sozialleistungsträger die Daten, die ihm von einem Arzt oder einer Ärztin – im Sozialleistungsbereich der Hauptanwendungsfall, daher vom Gesetzgeber besonders hervorgehoben – oder einem anderen Geheimnisträger zugänglich gemacht worden sind, seinerseits nur unter den Voraussetzungen zulässig übermitteln, unter denen der Arzt oder der andere Geheimnisträger i. S. d. StGB es selbst dürfte.
Der Begriff "Zugänglich machen" ist weder in Art. 4 Nr. 2 DSGVO noch in § 67 definiert. Gemeint ist jede Art der Bereit- oder Zurverfügungstellung von Daten unabhängig von einer technischen Form, also auch die mündliche/fernmündliche Mitteilung oder die Gewährung von Einsichtnahme.
§ 76 Abs. 1 verlängert die ärztliche Schweigepflicht auf die Sozialleistungsträger und die für sie im Auftrag tätigen Stellen (Rz. 13 bis 16).
2.1.1 Besonders schutzwürdige Sozialdaten
Rz. 10
Als besonders schutzwürdig sind vom Gesetzgeber alle Daten eingestuft worden, die von einem Arzt oder einer Ärztin oder einer anderen in § 203 Abs. 1 und 4 StGB genannten Person zugänglich gemacht worden sind.
Durch Art. 10 des Gesetzes zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen v. 30.10.2017 wurde zum 9.11.2017 in Abs. 1 der bisherige Verweis auf § 203 Abs. 1 und 3 StGB geändert in § 203 Abs. 1 und 4 StGB, da der Inhalt des bisherigen § 203 Abs. 3 StGB in § 203 Abs. 4 StGB überführt wurde.
Bereits am 17.7.2017 wurde § 76 durch Art. 24 des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften zum 25.5.2018 an die DSGVO angepasst. Dabei konnte die zukünftige Änderung in § 203 StGB und die erforderlichen Folgeänderungen nicht berücksichtigt werden.
Im Ergebnis enthielt daher § 76 Abs. 1 wieder den Verweis auf § 203 Abs. 1 und 3 StGB, obwohl tatsächlich § 203 Abs. 1 und 4 StGB gemeint und mit Art. 10 des Gesetzes zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen auch bereits umgesetzt war. Mit Gesetz zur Verlängerung befristeter Regelungen im Arbeitsförderungsrecht und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/2102 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen v. 10.7.20218 (BGBl. I S. 1117) wurde zum 14.7.2018 der Verweis wieder auf § 203 Abs. 1 und 4 StGB geändert.
Rz. 11
§ 203 Abs. 1 und 4 StGB regelt die berufliche Schweigepflicht der Angehörigen der dort genannten Berufsgruppen und sonstigen mitwirkenden Personen.
Auf die Belange der Sozialleistungsträger bezogen sind dies nach Abs. 1 vor allem
- Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker und Angehörige anderer Heilberufe, für deren Berufsausübung oder Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erforderlich ist (z. B. Psychotherapeuten), § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB;
- Berufspsychologen mit staatlich anerkannter wissenschaftlicher Abschlussprüfung, § 203 Abs. 1 Nr. 2 StGB;
- Rechts- und Patentanwälte, Kammerrechtsbeistände, Notare, Verteidiger in einem gesetzlich geordneten Verfahren, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerbevollmächtigte, § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB;
- Organ oder Mitglied eines Organs einer Wirtschaftsprüfungs-, Buchprüfungs- oder einer Berufsausübungsgesellschaft von Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten, einer Berufsausübungsgesellschaft von Rechtsanwälten oder Patentanwälten oder niedergelassenen europäischen Patentanwälten im Zusammenhang mit der Beratung und Vertretung der Wirtschaftsprüfungs-, Buchprüfungs- oder Berufsausübungsgesellschaft im Bereich der Wirtschaftsprüfung, Buchprüfung oder Hilfeleistung in Steuersachen oder ihrer rechtsanwaltlichen oder patentanwaltlichen Tätigkeit, § 203 Abs. 1 Nr. 3a StGB;
- Ehe-, Familien-, Erziehungs- und Jugendberater sowie Suchtberater in einer Beratungsstelle, die von einer Behörde oder Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts anerkannt ist, § 203 Abs. 1 Nr. 4 StGB;
- Mitglieder oder Beauftragte einer anerkannten Beratungsstelle nach den §§ 3 und 8 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes, § 203 Abs. 1 Nr. 5 StGB;
- staatlich anerkannte Sozialarbeiter oder -pädagogen, § 203 Abs. 1 Nr. 6 StGB;
- Angehörige privater Kranken-, Unfall- oder Lebensversicherungsunternehmen oder einer privatärztlichen, steuerberaterlichen oder anwaltlichen Verrechnungsstelle, § 203 Abs. 1 Nr. 7 StGB.
Rz. 12
Die berufsmäßig tätigen Gehilfen und Personen, die sich bei den in § 203 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 StGB Genannten in Ausbildung zu den dort genannten Berufen befinden, sind seit 9.11.2017 nicht mehr in § 203 Abs. 1 StGB aufgelistet (Art. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen v. 30.10.2017, BGBl. I S. 3618).
Seit 9.11.2017 wurde durch § 203 Abs. 3 Satz 1 StGB klargestellt, dass es sich um keine Offenbarung handelt (das StGB benutzt den Begriff der Offenbarung), wenn ihnen Geheimnisse von diesen in Abs. 1 oder 2 Genannten zugänglich gema...