Rz. 84

Satz 1 Nr. 9 erfasst die Personen, die selbstständig tätig sind. Der Personenkreis ist von den weisungsabhängigen Beschäftigten abzugrenzen; § 7 Abs. 1 SGB IV. Sie erfasst daher nur tatsächlich selbstständig Tätige. Personen, die sich als Selbstständige offerieren, nach der tatsächlichen Ausgestaltung ihrer Erwerbstätigkeit aber als Beschäftigte anzusehen sind – also die sog. Scheinselbstständigen –, werden von § 1 erfasst (BT-Drs. 14/45 S. 20; zur Abgrenzung vgl. Komm. zu § 7 SGB IV und Komm. zu § 1, Rz. 7).

 

Rz. 85

Dies ist insbesondere für die Beitragstragung von Bedeutung, wobei der Gesetzgeber für diese Personengruppe zur Beitragsentlastung in § 165 Abs. 1 Satz 2 geregelt hat, dass bis zum Ablauf von 3 Kalenderjahren nach Beginn der selbstständigen Tätigkeit Beiträge zur Rentenversicherung nur in Höhe der halben Bezugsgröße geleistet werden müssen. § 165 Abs. 1 Satz 2 HS 2 lässt dem Selbstständigen allerdings das Wahlrecht, wonach auf Antrag des Versicherten auch ein Arbeitseinkommen in Höhe der Bezugsgröße zugrunde gelegt werden kann. Satz 1 Nr. 9 stellt dabei einen eigenständigen Versicherungstatbestand dar, dessen Voraussetzungen nicht in die anderen Versicherungstatbestände hineingelesen werden können. Ein Gewerbetreibender, der in die Handwerksrolle eingetragen ist, kann sich daher nicht auf § 2 Satz 1 Nr. 9 Buchst. a berufen und einer Beitragserhebung mit dem Argument der Beschäftigung eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmers entgegentreten (zum Konkurrenzverhältnis vgl. unten Rz. 18).

 

Rz. 86

Der Versicherungspflicht nach Satz 1 Nr. 9 kommt in der Praxis erhebliche Bedeutung zu. Der Personenkreis der in ihrer Schutzbedürftigkeit arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen zeichnet sich dabei weniger durch die Zugehörigkeit zu bestimmten Berufsgruppen als vielmehr durch typische Tätigkeitsmerkmale aus (so die ausdrücklichen gesetzgeberischen Erwägungen BT-Drs. 14/45 S. 20; diese Sichtweise hat das BSG mehrfach bestätigt; BSG, Urteil v. 4.11.2009, B 12 R 3/08 R zur Schutzbedürftigkeit eines selbstständig tätigen Franchisenehmers in einer vertikalen Vertriebskette; BSG, Urteil v. 9.11.2011, B 12 R 1/10 R, wonach ein Selbstständiger selbst dann nur für "einen Auftraggeber" tätig ist, wenn verbundene Unternehmen, zu denen sie vertragliche Beziehungen unterhalten, einen Konzern i. S. d. § 18 AktG bilden).

 

Rz. 87

Der Gesetzgeber hat die beiden typischen Tätigkeitsmerkmale der besonderen Schutzbedürftigkeit abschließend geregelt. Zu diesen Merkmalen gehören nach Satz 1 Nr. 9 Buchst. a vor allem, dass die Betreffenden im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigten, dessen Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung die Geringfügigkeitsgrenze (aktuell 450,00 EUR, § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV) übersteigt und nach Satz 1 Nr. 9 Buchst. b auf Dauer und im Wesentlichen für einen Arbeitgeber tätig sind. Von Satz 1 Nr. 9 werden nur Personen erfasst, die zwar die Voraussetzungen von § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB IV erfüllen, für die aber die Vermutung, dass sie gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, nicht eingreift, weil sie vom Betreffenden widerlegt worden ist. Deshalb ist zwangsläufig vorab zu prüfen, ob nicht in Wahrheit eine Beschäftigung gegen Entgelt und damit Versicherungspflicht nach § 1 Satz 1 Nr. 1 vorliegt.

 

Rz. 88

Nr. 9 wird durch die Übergangsregelung in § 231 Abs. 5 ergänzt, durch die dem ab dem 1.1.1999 in die Versicherungspflicht einbezogenen Selbstständigen unter bestimmten Voraussetzungen ein befristetes Befreiungsrecht eingeräumt wird.

 

Rz. 89

Da die so definierten arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen nicht weniger sozialschutzbedürftig erscheinen als die von Nr. 1 bis 7 erfassten Selbstständigen, ist es konsequent, sie ebenso in die Rentenversicherungspflicht einzubeziehen (BT-Drs. 14/45 S. 20).

2.11.1 Keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt – Nr. 9 Buchst. a

 

Rz. 90

Die Voraussetzung, keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer zu beschäftigen, entspricht der Regelung in Nr. 1 und 2. Insoweit kann auch hinsichtlich der Rechtsprechung des BSG folgenden Gesetzesänderung (BT-Drs. 16/3794 S. 32) auf die Komm. in Rz. 39 ff. – Lehrer und Erzieher (Satz 1 Nr. 1) verwiesen werden. Mit Satz 2 Nr. 3 wird klargestellt, dass für den Ausschluss der Versicherungspflicht nicht die Beschäftigung von Arbeitnehmern durch den Gesellschafter (als natürliche Person) erforderlich ist. Vielmehr ist auch hier maßgebend, ob von der Gesellschaft sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer beschäftigt werden. Somit sind auch in diesem Zusammenhang die (Außen-)Verhältnisse der Gesellschaft entscheidend. Aus Gleichbehandlungsgründen kann diese Regelung nicht ausschließlich auf die von § 2 Satz 1 Nr. 9 erfassten Personen beschränkt werden (BT-Drs. 16/1525 S. 28).

2.11.2 Nur für einen Auftraggeber tätig – Nr. 9 Buchst. b

 

Rz. 91

Weiterhin darf der selbstständig Tätige im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sein. Der Begriff Auftraggeber ist im Renten- und auch im Sozialversicherungsrecht nicht definiert. Der Begriff ist eigenständig für das Rentenversicherungsrecht im Kontext der übrigen...

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