Rz. 10

Der in § 19a EStG angesprochene Arbeitnehmer wird in dieser Norm nicht definiert. Aufgrund des zum 1.4.2017 eingeführten § 611a BGB und des Umstands, dass diese Norm ein Gesetz im formellen Sinn ist, ist dessen Auslegung vorrangig. Ergänzend hierzu sind die nachrangigen materiellen Normen der § 1 LStDV sowie R 19.1 LStR 2023 und H 19.0 LStH 2023 zur Auslegung heranzuziehen; die dort genannte Rspr. ist jedoch lange vor dem im Jahr 2017 eingeführten § 611a BGB ergangen und steht daher unter dem Vorbehalt einer nicht mehr aktuellen Rechtslage. Laut BAG liegt ein Arbeitsverhältnis vor, wenn die Vertragsparteien einen als Arbeitsvertrag bezeichneten Vertrag abschließen und für ein Arbeitsverhältnis typische Rechte und Pflichten im Vertrag regeln.[1]

 

Rz. 11

Die aufgeschobene Besteuerung nach § 19a EStG gilt für unbeschränkt und beschr. stpfl. Arbeitnehmer (§ 1 EStG), die in einem gegenwärtigen Dienstverhältnis zum Unternehmen stehen (§ 1 Abs. 1 und Abs. 2 LStDV); die Finanzverwaltung lässt es hierbei ausreichen, wenn es sich bei dem Dienstverhältnis nicht um ein Hauptarbeitsverhältnis (erstes Dienstverhältnis), sondern nur um ein Nebenarbeitsverhältnis (weiteres Dienstverhältnis) handelt.[2]

Unschädlich ist es, wenn das Dienstverhältnis des Arbeitnehmers ruht, z. B. während des Mutterschutzes, der Elternzeit oder aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung über eine befristete Auslandstätigkeit, oder sich der Arbeitnehmer in der Freistellungsphase einer Altersteilzeit befindet.

Personen, die ausschließlich Versorgungsbezüge beziehen, stehen nicht mehr in einem gegenwärtigen Dienstverhältnis und sind keine Arbeitnehmer i. S. d. § 19a EStG; die Überlassung von Vermögensbeteiligungen an frühere Arbeitnehmer des Arbeitgebers ist nicht von § 19a EStG umfasst.[3]

 

Rz. 12

Nimmt der Arbeitnehmer, dem Vermögen übertragen wurde, zu seinen Lebzeiten keine (Weiter-)Übertragung i. S. d. § 19a Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG vor, und verstirbt er vor Ablauf der in § 19a Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG genannten Haltefrist von 15 Jahren, ist fraglich, ob eine Nachversteuerung vorzunehmen ist (s. Rz. 53) und wer diese vornehmen muss. Eine auf den Rechtsnachfolger abstellende Möglichkeit bestünde darin, ungeachtet des Versterbens des begünstigten Arbeitnehmers nach Ablauf der 15 Jahre eine Versteuerung beim Rechtsnachfolger vorzunehmen; falls dieser vor Ablauf der 12 Jahre das Vermögen (weiter-)übertragen hat, kommt auch eine zu diesem Zeitpunkt einsetzende Versteuerung in Betracht; allerdings passt hier aufgrund des bereits erfolgten Zuflusses z. B. § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 LStDV als Rechtsgrundlage nicht. Es kommt aber auch eine Versteuerung zum Todeszeitpunkt des Arbeitnehmers in Betracht, da mit dessen Tod auch das Dienstverhältnis zum bisherigen Arbeitgeber beendet wird und dies die Nachversteuerung gem. § 19a Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG (noch in der Person des Arbeitnehmers) auslöst. M. E. ist letzteres vorzugswürdig; damit besteht auch kein Erfordernis, den persönlichen Anwendungsbereich des § 19a EStG auf den Rechtsnachfolger des Arbeitnehmers zu erstrecken.

 

Rz. 13

Ist eine GmbH Unternehmerin i. S. d. § 19a Abs. 3 EStG, ist ein Gesellschafter-Geschäftsführer in seiner Doppelfunktion nicht bereits aufgrund seiner Organstellung gem. § 35 Abs. 1 S. 1 GmbHG Arbeitnehmer i. S. d. §§ 19a, 19 EStG; entscheidend ist, ob die Geschäftsführerleistung selbstständig oder unselbstständig erbracht wird[4]; zur Frage, ob dies anhand § 1 LStDV, R 19.1 LStR 2023 und H 19.0 LStH 2023 oder § 611a Abs. 1 BGB zu beurteilen ist s. Rz. 10. Bei jeder GmbH-Gründung ist für alle Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH ein Statusfeststellungsverfahren gem. § 7a Abs. 1 S. 2 SGB IV obligatorisch. Das obligatorische Anfrageverfahren ist im Rahmen der sog. Elementenfeststellung ab 1.4.2022 auf die Feststellung einer abhängigen Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit beschränkt (§ 7a Abs. 2 S. 1 SGB IV).[5]

 

Rz. 14

Bei Aktiengesellschaften können zwar die gegenwärtigen Vorstandsmitglieder begünstigte Arbeitnehmer des § 19a EStG sein, keinesfalls aber die weisungsunabhängigen gegenwärtigen Aufsichtsratsmitglieder. Gleiches gilt bei der dualistischen SE (Societas Europaea – Europäische Aktiengesellschaft).

[1] LAG Hessen v. 1.2.2022, 19 Ta 507/21 mit Verweis auf Rspr. des BAG.
[5] G. v. 16.7.2021, BGBl I 2021, 2970; Rundschreiben der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung v. 1.4.2022, S. 29ff., incl. Anlage 3 zum Rundschreiben, s. www.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/Downloads/DE

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