Zusammenfassung
Ist ein Zeugnis im Hinblick auf Tatsachenbeschreibungen oder Bewertung von Leistung und Verhalten fehlerhaft, kann dies zu Schadensersatzansprüchen des Arbeitnehmers oder gar eines Dritten, der sich auf den – falschen – Zeugnisinhalt verlässt, führen.
1 Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber
Der Arbeitnehmer kann einen Schadensersatzanspruch gegen den ehemaligen Arbeitgeber herleiten
- aus Verzug, wegen Nichterteilung oder verspäteter Erteilung des Zeugnisses,
- aus der Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten wegen unvollständiger oder unrichtiger Zeugniserteilung.
Verletzt der Arbeitgeber schuldhaft seine Pflicht, dem Arbeitnehmer rechtzeitig ein ordnungsgemäßes Zeugnis zu erteilen, haftet er dem Arbeitnehmer für den Minderverdienst, der diesem dadurch entsteht, dass er bei Bewerbungen kein oder kein ordnungsgemäßes Zeugnis vorlegen kann.
Der Arbeitnehmer hat natürlich die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs zu beweisen. Er muss nachweisen, dass er ein Zeugnis verlangt hat und dass er kein oder nur ein unrichtiges Zeugnis erhalten hat. Weiter muss er nachweisen, dass ihm wegen der verspäteten, nicht ordnungsgemäßen oder fehlenden Erteilung des Zeugnisses ein Schaden entstanden ist. Außerdem muss er die Höhe des eingetretenen Schadens konkret und nachrechenbar nachweisen.
Grundsätzlich gehen zwar die Arbeitsgerichte davon aus, dass es – auch bei leitenden Angestellten – keinen Erfahrungsgrundsatz gebe, dass das Fehlen eines Arbeitszeugnisses in den Bewerbungsunterlagen die Ursache für den Misserfolg von Bewerbungen um einen Arbeitsplatz gewesen sei. Der Arbeitnehmer müsse deshalb in einem solchen Fall darlegen und im Streitfall beweisen, dass ein bestimmter Arbeitgeber bereit gewesen sei, ihn einzustellen oder ein höheres Entgelt zu zahlen, sich aber dann wegen des fehlenden Zeugnisses davon habe abhalten lassen.
Ergänzend ist aber auch vom BAG entschieden worden, dass dem Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweiserleichterung nach § 252 Satz 2 BGB zugutekommt für den Nachweis, dass ein Minderverdienst auf die Verletzung der Pflicht zur ordnungsgemäßen Zeugniserteilung zurückzuführen sei. Danach gilt der Verdienst als entgangen, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann. Außerdem könne das Gericht nach § 287 Abs. 1 ZPO beurteilen, ob die Voraussetzungen von § 252 Satz 2 BGB vorliegen. Nach § 287 Abs. 1 ZPO kann ein Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung entscheiden, ob und in welcher Höhe ein Schaden entstanden ist.
Dementsprechend braucht ein Arbeitnehmer nur die Umstände darzulegen und im Rahmen von § 287 Abs. 1 ZPO zu beweisen, aus denen sich die Wahrscheinlichkeit des entgangenen Verdienstes ergibt. Dabei dürfen keine zu strengen Anforderungen gestellt werden. Dargelegt werden müssen die tatsächlichen Grundlagen für die vom Gericht vorzunehmende Schätzung. Ausreichend kann sein, dass ein bestimmter Arbeitgeber ernsthaft an der Einstellung des Arbeitnehmers interessiert war und die Zeugnisfrage zur Sprache gebracht wurde.
Daneben kann in Ausnahmefällen ein Schmerzensgeldanspruch entstehen, wenn der Arbeitnehmer durch das Verschulden des Arbeitgebers bei der Zeugniserteilung längere Zeit arbeitslos war und es hierdurch zu einer schwerwiegenden Gesundheitsschädigung, z. B. im psychischen Bereich, gekommen ist. Auch für einen Anspruch auf Schmerzensgeld ist der Arbeitnehmer darlegungs- und beweispflichtig.
2 Ansprüche des neuen Arbeitgebers gegen den alten Arbeitgeber
Gegenüber dem neuen Arbeitgeber kann der alte Arbeitgeber wegen unrichtiger Zeugniserteilung nach § 826 BGB (sittenwidrige vorsätzliche Schädigung) schadensersatzpflichtig werden. Ein Anspruch nach § 826 BGB setzt jedoch zumindest bedingten Vorsatz des ehemaligen Arbeitgebers bezüglich der unrichtigen Formulierungen voraus; Fahrlässigkeit allein genügt nicht. Ein solcher Schädigungsvorsatz dürfte selten vorliegen und in der Praxis kaum zu beweisen sein.
Der BGH geht davon aus, dass ein Dienstzeugnis für denjenigen, den es später angeht, eine nach Treu und Glauben unerlässliche Mindestgewähr für die Richtigkeit des Zeugnisses beinhalte. Die Wahrheitspflicht und, bei ursprünglich unzutreffender Zeugnisausstellung, die Berichtigungspflicht beschränke sich allerdings auf die Punkte, die die Verlässlichkeit des Zeugnisses in ihrem Kern berühren. Darüber hinaus bestehe keine Gewährübernahme, wenn dem Aussteller die Unrichtigkeit des ausgestellten Zeugnisses durch bloße Nachlässigkeit nicht bewusst geworden sei und von ihm auch nachträglich nicht erkannt werde.
Erkennt ein Zeugnisaussteller jedoch, dass das zunächst in gutem Glauben ausgestellte Zeugnis grob unrichtig ist und muss er davon ausgehen, dass ein Dritter darauf vertraut und dadurch geschädigt werden kann, is...