Kurzbeschreibung

Fallgruppen anhand von Entscheidungen, in denen der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert bzw. nicht erschüttert ist.

Vorbemerkung

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen kommt grundsätzlich ein hoher Beweiswert zu. Es ist jedoch möglich, diesen zu erschüttern. Das ist der Fall, wenn nach Maßgabe eines verständigen Arbeitgebers belastbare Tatsachen vorhanden sind, die erhebliche Zweifel an der tatsächlichen Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers belegen.

Im Bestreitensfall hat der Arbeitgeber diese Umstände darzulegen und zu beweisen. Gelingt das dem Arbeitgeber, kommt der vorgelegten AU-Bescheinigung kein Beweiswert mehr zu.

In dem Fall muss der Arbeitnehmer konkrete Tatsachen darlegen und beweisen, dass er tatsächlich krank war im Sinne des EFZG.

Bei der Prüfung des Beweiswerts von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die während einer laufenden Kündigungsfrist ausgestellt werden, ist für die Erschütterung des Beweiswerts nicht entscheidend, ob es sich um eine Kündigung des Arbeitnehmers oder eine Kündigung des Arbeitgebers handelt und ob für den Beweis der Arbeitsunfähigkeit eine oder mehrere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt werden. Erforderlich ist stets eine Würdigung der Gesamtumstände im Einzelfall.[1]

Der Beweiswert ist in der Regel erschüttert bei:

  • Erkrankung nach Ablehnung eines Urlaubsantrags im beantragten Urlaubszeitraum
  • leichtfertiges Ausschreiben einer AU-Bescheinigung (z.B. bei leichtem Husten ohne weitere Symptome)
  • formale Fehler (z.B. unterbliebene Unterschrift des Arztes oder Rückdatierung[2] einer AUB)
  • unvereinbare Freizeitaktivitäten mit einer Arbeitsunfähigkeit
  • Drohung mit Krankheit, Ankündigung einer Erkrankung durch den Arbeitnehmer[3]

Daneben können auch Indizien wie z.B. die Formulierung einer Eigenkündigung durch den Arbeitnehmer je nach Umständen des konkreten Einzelfalls dazu beitragen, den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern.

Arbeitsunfähigkeit vor oder nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses

Entscheidung Sachverhalt Beweiswert erschüttert Beweiswert nicht erschüttert

BAG, Urteil v. 13.12.2023, 5 AZR 137/23[1]

Vorinstanz: LAG Niedersachsen, Urteil v. 8.3.2023, 8 Sa 859/22
Anknüpfend an LAG Niedersachsen, Urteil v. 8.3.2023, 8 Sa 859/22 hatte die Revision des beklagten Arbeitgebers teilweise Erfolg. Hinsichtlich der Erstbescheinigung ist der Beweiswert entsprechend den Ausführungen der Vorinstanz nicht erschüttert. Bezüglich der Folgebescheinigungen ist der Beweiswert hingegen erschüttert. Das LAG hatte nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Verlängerung der Folgebescheinigung passgenau bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses andauerte und der Arbeitnehmer unmittelbar danach eine neue Beschäftigung aufgenommen hatte. Damit hat der Arbeitnehmer für die Folgebescheinigungen zu beweisen, dass er tatsächlich arbeitsunfähig war.

x

(hinsichtlich der Folgebescheinigungen)

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(hinsichtlich der Erstbescheinigung)
LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 15.8.2023, 5 Sa 12/23 Der Arbeitnehmer kündigte das Arbeitsverhältnis selbst und erkrankte dann. Der Arbeitgeber konnte nicht beweisen, dass der Arbeitnehmer trotz Arbeitsunfähigkeit gearbeitet und seinen Urlaub hätte nehmen können. Es wurde festgestellt, dass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nicht aufgrund von zeitnahen gleichartigen Vorerkrankungen entfällt.   x
LAG Köln, Urteil v. 10.8.2023, 6 Sa 682/22 Die Arbeitnehmerin kündigte das Arbeitsverhältnis selbst und meldete sich mit Ausspruch der Kündigung krank. Daraufhin übermittelte sie mehrere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Am darauffolgenden Tag erschien sie für einen Tag wieder am Arbeitsplatz und nahm anschließend ihren Resturlaub. Dieser endete kurz vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Für die übrige Dauer des Arbeitsverhältnisses, jedoch über Kündigungszeitraum hinaus meldete sie sich erneut krank und befand sich seitdem in stationärer Behandlung.   x
LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 13.7.2023, 5 Sa 1/23 Der Arbeitnehmer erkrankte kurz nachdem er seine Eigenkündigung gegenüber dem Arbeitgeber erklärt hatte und fuhr rund 10 Stunden mit der Bahn zu seinem Hauptwohnsitz. Im Anschluss an seine Arbeitsunfähigkeit trat er seinen zuvor abgestimmten Resturlaub an und begann dann seine neue Tätigkeit.   x
BAG, Urteil v. 28.6.2023, 5 AZR 335/22 Das Arbeitsverhältnis wurde durch den Arbeitgeber ordentlich gekündigt. Der Arbeitnehmer legte danach eine Erst- und mehrere Folgebescheinigung über eine Arbeitsunfähigkeit vor. Der Einwand des Arbeitgebers, die Bescheinigungen entsprächen nicht den Vorgaben der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie[2], fruchtete nicht.   x
LAG Schleswig-Holstein, Urteil v. 2.5.2023, 2 Sa 203/22 Die Arbeitnehmerin kündigte das Arbeitsverhältnis selbst und reichte daraufhin durchgehend bis zum Ende der Kündigungsfrist und damit genau für 6 Wochen AU-Bescheinigungen (Erst- und mehrere Folgebescheinigungen) ein. x  

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