Will ein bestreiktes Unternehmen seine Aktivitäten weiterführen, kann es naheliegen, über Anreize und Belohnungen nachzudenken, um zum Streik aufgerufene Arbeitnehmer zur Weiterarbeit zu veranlassen. Verschiedene Verhaltensweisen kommen hier in Betracht: Man kann eine angemessene Erhöhung des Entgelts für solche Arbeit versprechen, die trotz bestehenden Streikaufrufs geleistet wird. Man kann für einen solchen Fall auch eine Einmalzahlung oder eine Prämie für jeden Tag der Arbeitsleistung versprechen ("Streikbruchprämie"). In diesen Fällen lautet die Rechtsfrage jeweils, ob der Arbeitgeber diese Zuwendung auf die Arbeitnehmer beschränken darf, die sich nicht am Streik beteiligt haben. Er könnte von Rechts wegen dazu verpflichtet sein, entgegen seiner Absicht, auch diejenigen einzubeziehen, die gestreikt haben. Denn der Arbeitgeber ist wie bei jeder anderen von ihm gewährten freiwilligen Leistung an den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden. Er muss die Leistungsvoraussetzungen so abgrenzen, dass Arbeitnehmer des Betriebs nicht aus sachfremden oder willkürlichen Gründen von der Leistung ausgeschlossen werden. Dabei ist das Maßregelungsverbot des § 612a BGB zu beachten. Arbeitnehmer dürfen nicht allein deshalb schlechter behandeln werden, weil sie ein ihnen zustehendes Recht wahrgenommen haben. Das tun sie auch dann, wenn sie sich an einem rechtmäßigen Arbeitskampf beteiligen.

Bei der Entscheidung der aufgeworfenen Frage kommt es in erster Linie auf den Zweck der zusätzlichen freiwilligen Leistung des Arbeitgebers an: Geht es darum, die zum Streik aufgerufenen Arbeitnehmer durch eine zusätzliche Leistung davon abzuhalten, sich am Streik zu beteiligen, oder sie zu belohnen, weil sie trotz Streikaufrufs ihrer Arbeit nachgegangen sind, handelt es sich um echte "Streikbruchprämien". Bei ihnen hat das Gleichbehandlungsproblem einiges Gewicht. Von vornherein anders verhält es sich, wenn Zweck der Zulagenzahlung die Abgeltung besonderer Belastungen ist, die erheblich über das normale Maß der mit jeder Streikarbeit verbundenen Erschwernisse hinausgingen. Bei einer solchen Zulage ist es zulässig, Arbeitnehmer, die gestreikt haben, hiervon auszunehmen.[1] Ein derartiger – offenzulegender – Leistungszweck wird dadurch offengelegt, dass bei der Bemessung danach differenziert wird, inwieweit der Einsatz unter besonderen Erschwernissen oder konkreten Belastungen erfolgt ist.

 
Praxis-Beispiel

Prämien nur an Arbeitswillige

Arbeitnehmer, die sich an einem Streik beteiligt haben, können von besonderen Prämien ausgenommen werden, die Arbeitswillige erhalten haben, wenn und soweit sie während des Streiks in einem für sie atypischen Umfang über die tarifliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet haben, um den anderweitigen Arbeitsausfall zu kompensieren. Zwischen Mehrarbeit und Prämie muss eine deutlich erkennbare Korrelation bestehen.

Besteht eine solche besondere, Differenzierungen rechtfertigende und aus der Zusage selbst erkennbare Zwecksetzung der Zulage nicht, dann ist die Rechtslage nach der Rechtsprechung des BAG je nach Fallgestaltung unterschiedlich[2]:

  • Verspricht der Arbeitgeber zu Beginn des Arbeitskampfes Entgeltzulagen oder einmalige Prämien an die zum Streik aufgerufenen Arbeitnehmer, wenn sie entgegen dem Streikaufruf ihren arbeitsvertraglichen Tätigkeiten weiterhin nachgehen, dann handelt es sich um eine grundsätzlich zulässige arbeitgeberseitige Arbeitskampfmaßnahme. Sie ist geeignet und erforderlich zur Abwehr übermäßiger Streikfolgen. Sie verstößt in aller Regel auch nicht gegen das Übermaßverbot. Die Nichtgewährung der Prämie an die, die dem Streikaufruf gefolgt sind, ist aufgrund des besonderen, arbeitskampfrechtlich zulässigen Zwecks sachlich gerechtfertigt.[3].
  • Anders ist es, wenn nach Abschluss des Streiks ohne vorherige Ankündigung diejenigen, die weitergearbeitet haben, aus diesem Grund eine Sonderleistung erhalten. Eine solche Leistung hat keinen unmittelbar arbeitskampfrechtlichen Bezug. Sie will nicht auf das Streikgeschehen und das Verhalten der Beschäftigten im Arbeitskampf Einfluss nehmen. Bei dieser freiwilligen Arbeitgeberleistung gilt der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz. Allein die allgemeinen, insbesondere psychischen Erschwernisse, die in der Ableistung von Streikarbeit liegen, reichen nicht aus, diejenigen, die sich stattdessen an einem rechtmäßigen Streik beteiligt haben, von der Arbeitgeberleistung auszunehmen. Die Teilnahme an einem rechtmäßigen Streik ist ebenso ein rechtmäßiges Arbeitnehmerverhalten, wie die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Leistungspflichten. Die Nichtgewährung der Sonderzahlung an die Streikenden maßregelt diese wegen deren rechtmäßigem Verhalten. Sie ist damit eine sachliche nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung.
  • Auch bei einer als Arbeitskampfmittel eingesetzten Streikbruchprämie muss der Arbeitgeber die an sich nur für die Arbeitswilligen gedachte Sonderleistung auch denen zukommen lassen, die sich am Streik beteiligt haben, wenn im An...

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