Nach § 123 BGB können Willenserklärungen, also Angebot oder Annahme des Arbeitsvertrags, die durch widerrechtliche Drohung oder arglistige Täuschung zustande gekommen sind, angefochten werden.

Dass ein Arbeitsverhältnis durch Drohung zustande kommt, ist in der Praxis kaum wahrscheinlich. Anfechtungen wegen widerrechtlicher Drohung erfolgen im Arbeitsrecht vielmehr typischerweise bei Aufhebungsverträgen.

Dagegen kommen in der Praxis Arbeitsverträge weit häufiger durch arglistige Täuschung zustande, weshalb hier Anfechtungen grundsätzlich mit dieser Begründung erfolgen.

Eine arglistige Täuschung liegt regelmäßig dann vor, wenn eine Täuschung (= Irreführung) über Tatsachen vorsätzlich erfolgt, der Täuschende also weiß und will, dass sein Verhalten zu einem Irrtum des Getäuschten führen wird.

 
Praxis-Beispiel

Vorbeschäftigungen, Zeugnisse

Ein Stellenbewerber spiegelt dem Arbeitgeber in seiner Bewerbung Beschäftigungen bei bedeutenden Arbeitgebern in gehobenen Positionen vor und/oder unterstützt seinen Vortrag mit gefälschten Zeugnissen.

Täuschen kann auch, wer Tatsachen entstellt.

 
Praxis-Beispiel

Grafologisches Gutachten

Ein Stellenbewerber weiß, dass der Arbeitgeber ein grafologisches Gutachten vom handgeschriebenen Lebenslauf fertigen lässt. Er lässt daher seinen Lebenslauf von einer anderen Person schreiben und legt diesen dem Arbeitgeber vor, um eine bessere Bewertung zu bekommen.[1]

Schweigen kann nur eine Täuschung sein, wenn der Bewerber eine Pflicht zur Aufklärung über eine bestimmte Tatsache hat (Offenbarungspflicht).[2] Diese ergibt sich aus § 241 Abs. 2 BGB und setzt voraus, dass der Bewerber erkennt, dass

  • es für ihn von vornherein nicht möglich ist, die vorgesehenen arbeitsvertraglichen Leistungen zu erfüllen oder
  • er eine oder mehrere Voraussetzungen, die zur Eignung für den vorgesehenen Arbeitsplatz von ausschlaggebender Bedeutung sind, nicht erfüllen kann[3] oder will.[4]

Es muss weder auf eine Schwangerschaft, noch auf eine Schwerbehinderteneigenschaft oder einen diesbezüglich gestellten Antrag hingewiesen werden. Auf Krankheiten muss ein Bewerber nur dann hinweisen, wenn er zum Zeitpunkt des Arbeitsantritts voraussichtlich krank ist oder zur Kur sein wird.[5] Über die vorgesehene Vollstreckung einer Strafhaft, die die Tätigkeit beeinträchtigen wird, ist jedoch zu informieren.[6]

 
Praxis-Beispiel

Fahrpraxis beim Lkw-Fahrer

Ein Stellenbewerber weiß, dass der Arbeitgeber einen Sattelschlepperfahrer mit Erfahrung sucht und verschweigt, dass er die letzten 10 Jahre nicht mehr Lkw gefahren ist. Hier besteht eine Hinweispflicht.

Eine arglistige Täuschung verlangt, dass der Bewerber wusste oder erkennen musste, dass die von ihm vorgespiegelte oder verschwiegene Tatsache den Willen des Arbeitgebers beeinflusst, d. h. für dessen Entscheidung über die Begründung des Arbeitsverhältnisses wesentlich sein kann. Das erfordert, dass dem Bewerber erkennbar ist, dass der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag bei Kenntnis der wahren Sachlage nicht oder zumindest nicht zu diesen Konditionen abschließen würde.

Eine falsche Antwort ist nur dann "arglistig", wenn sie auf eine zulässige Frage gegeben wird.[7] Damit kommt es entscheidend darauf an, ob der Arbeitgeber überhaupt zu der falsch beantworteten Frage berechtigt war.[8] Der Arbeitgeber darf nach all solchen Umständen fragen, die für das zukünftige Arbeitsverhältnis von Bedeutung sind, insbesondere in Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz oder der zu leistenden Arbeit stehen. Allerdings sollte er dabei auf die Einschränkungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) achten.[9]

Die Frage nach der Schwangerschaft ist bei der Einstellung wegen ihrer geschlechterdiskriminierenden Wirkung grundsätzlich unzulässig, selbst wenn die Bewerberin aufgrund der Schwangerschaft einem Beschäftigungsverbot unterfiele.[10] Dies gilt sogar dann, wenn die Bewerberin nur befristet als Schwangerschaftsvertretung beschäftigt werden soll.[11] Der Arbeitgeber darf den Bewerber nach Vorstrafen fragen, wenn und soweit die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes dies "erfordert", d. h. bei objektiver Betrachtung berechtigt erscheinen lässt.[12] Die Fragen dürfen folglich nicht zu weit gefasst werden.[13] Auch die Frage nach noch anhängigen Straf- oder Ermittlungsverfahren kann zulässig sein, wenn solche Verfahren Zweifel an der persönlichen Eignung des Bewerbers begründen können. Dem steht auch nicht die in Art. 6 Abs. 2 EMRK verankerte Unschuldsvermutung entgegen.[14] Allerdings kann sich eine Einschränkung des Fragerechts im Einzelfall aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Bewerbers, dem Datenschutzrecht oder bei abgeschlossenen Straf- oder Ermittlungsverfahren aus den Wertentscheidungen des § 53 BZRG ergeben.[15] Das bedeutet, dass ein Fragerecht nicht besteht, wenn auch kein Eintragungserfordernis vorliegt.

Die Frage nach einer Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung[16] oder einem diesbezüglich gestellten Antrag ist bei der Einstellung nach überwiegender Auffassung unzulässig. Eine – einschlägige – Fr...

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