Vergütung von Reisezeiten: Was gilt bei Dienstreisen?

Trotz neuer Möglichkeiten für Arbeitgeber durch Videokonferenzen oder global einheitliche Tools: Dienstreisen sind weiterhin wichtig und nicht zu ersetzen. Rechtsanwältin Dr. Nina Bogenschütz erläutert, was sich kürzlich durch ein BAG-Urteil bei der Vergütung von Dienstreisezeiten geändert hat.

Bislang kam es für die Beurteilung der Frage, ob die Reisezeit auch Arbeitszeit im vergütungsrechtlichen Sinne ist, allein darauf an, ob der Arbeitnehmer während der Reisedauer frei über seine Zeit verfügen konnte oder nicht. Diesen Grundsatz hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit seiner Entscheidung vom Oktober 2018 modifiziert. (Hier nachzulesen: Reisezeiten bei Auslandsentsendung sind Arbeitszeit). Nun sind Reisezeiten grundsätzlich zu vergüten, jedenfalls dann, wenn keine gesonderte Vergütungsregelung (entweder in einem Arbeits- oder Tarifvertrag) greift.

Welche Reisezeiten sind zu vergüten?

Allerdings sei gleich vorab klargestellt: Das BAG hat sich in seiner Entscheidung (Urteil vom 17.10.2018, Az. 5 AZR 553/17) nicht mit der Frage nach der arbeitsschutzrechtlichen Einordnung von Reisezeiten gemäß den Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) beschäftigt. Die Frage nach der Vergütungspflicht von Reisezeiten beantworten die Richter in ihrer Entscheidung jedoch wie folgt:

  • Reisezeiten, die erforderlich waren, sind vom Arbeitgeber zu vergüten.
  • Der Arbeitnehmer trägt für die Erforderlichkeit der Reisezeiten die Darlegungs- und Beweislast.

Arbeitnehmer muss Erforderlichkeit von Reisezeiten darlegen

Gibt der Arbeitgeber Reisemittel und -verlauf vor, genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, indem er vorträgt, welcher Zeitaufwand ihm im Einzelnen durch die Vorgaben entstanden ist. Dann ist es Sache des Arbeitgebers, die Tatsachen vorzubringen, aus denen sich ergeben soll, dass der vom Arbeitnehmer behauptete Zeitaufwand zur Einhaltung der Vorgaben nicht erforderlich war.

Soweit der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer hinsichtlich Reisemittel und/oder Reiseverlauf Wahlmöglichkeiten lässt, muss der Arbeitnehmer die Umstände darlegen, aus denen sich ergeben soll, dass er sich für den kostengünstigsten Reiseverlauf entschieden hat oder aufgrund welcher persönlichen Umstände dieser nicht zumutbar war.

BAG: Reisezeiten sind vergütungspflichtige Arbeitszeit

Damit nimmt das BAG an, dass sämtliche Reisezeiten, seien es nationale oder internationale Reisezeiten, vergütungspflichtige Arbeitszeit im Sinne § 611 a Abs. 2 BGB sind. Ob der Arbeitnehmer während der Reisezeit im Interesse des Arbeitgebers oder im privaten Interesse tätig wird, ist nunmehr vergütungsrechtlich ohne Belang. Damit hat der Arbeitgeber auch die Zeiten zu bezahlen, in denen der Arbeitnehmer aufgrund arbeitgeberseitiger Veranlassung untätig ist. Diesen generellen Anspruch auf die Vergütung von Reisezeiten gab es bislang gerade nicht.

Welche Reisezeiten sind erforderlich und damit zu vergüten?

Das BAG beurteilt die Erforderlichkeit von Reisezeiten mit einem (Teil-)Rückgriff auf die Beanspruchungstheorie: Wenn und soweit der Arbeitgeber das Reisemittel vorgibt – etwa den Pkw als Selbstfahrer zu verwenden – ist die gesamte Reisedauer erforderlich und damit auch vollständig zu vergüten.

Überlässt der Arbeitgeber dagegen dem Arbeitnehmer die Auswahl des Reisemittels beziehungsweise auch die Planung des konkreten Reiseverlaufs, ist der Arbeitnehmer im Rahmen des ihm Zumutbaren verpflichtet, das kostengünstigste Verkehrsmittel beziehungsweise den kostengünstigsten Reiseverlauf zu wählen. Das ergibt sich aus der Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers § 241 Absatz 2 BGB. Bei einer Flugreise ist deshalb grundsätzlich die Reisezeit erforderlich, die bei einem Direktflug in der Economyclass anfällt, es sei denn, ein solcher wäre wegen besonderer Umstände dem Arbeitnehmer nicht zumutbar.

Kein privater Zwischenstopp auf Kosten des Arbeitgebers

Damit kann ein Arbeitnehmer keinen Zwischenstopp auf Kosten des Arbeitgebers einlegen, wenn dieser im rein privaten Interesse ist und sich die Reisezeit dadurch (deutlich) verlängert. Zu vergüten ist auch dann nur die Dauer der Reisezeit, die der direkte Weg in Anspruch genommen hätte.

In dem vom BAG entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber auf Wunsch des Arbeitnehmers für die Hin- und Rückreise statt eines direkten Flugs in der Economyclass einen Flug in der Businessclass mit Zwischenstopp in Dubai gebucht, was die Reisezeit erheblich verlängert hatte. Diesen zusätzlichen Zeitaufwand des Umwegs über Dubai samt Zwischenlandung sah das BAG als nicht erforderlich und deshalb als nicht vergütungspflichtig an.

Arbeitgeber sollten Vergütungsregeln zu Reisezeiten treffen

Zu diesen allgemeinen Vorgaben des BAG sind jedoch individuelle Ausnahmen möglich. So kann die Vergütung von Reisezeiten, die außerhalb der regelmäßig geschuldeten Arbeitszeit anfallen, zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer individualvertraglich abweichend geregelt werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Arbeitsverträge in der Regel formularmäßig verwendet werden. Daher wird es wohl nicht ausreichend sein, Reisezeiten aus der vergütungspflichtigen Arbeitszeit vollständig auszunehmen. Hierin dürfte eine unangemessene Benachteiligung zu sehen sein (§ 307 Abs. 1, 2 BGB).

Abweichende Vergütung für Reisezeiten ist möglich

Daher sollte die einzelvertragliche Regelung zur Vergütung von Dienstreisen grundsätzlich eine Vergütungspflicht vorsehen. Diese könnte allerdings der Höhe nach von der Vergütung für die Haupttätigkeit abweichen. Bei der individualvertraglichen Vereinbarung der Vergütungspflicht von Reisezeiten ist jedoch auch zu bedenken, dass diese gegebenenfalls nach dem Günstigkeitsprinzip durch für den Arbeitnehmer bessere Regelungen in einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag verdrängt werden können.

Das Fazit: Absprachen zwischen den Arbeitsvertragsparteien helfen

Zusammenfassend gilt also: Dienstreisezeiten, die außerhalb der Normalarbeitszeit zu erbringen sind, sind grundsätzlich zu vergüten, soweit sie erforderlich sind. Nicht erforderlich sind Aufwendungen von Arbeitnehmern, die sie allein im privaten Interesse verursachen. Daher kann ein Arbeitnehmer eine Dienstreise nicht auf Kosten des Arbeitgebers im privaten Interesse verlängern und die Kosten dafür unter „Sowiesokosten“ des Arbeitgebers verbuchen. Arbeitgeber sollten daher transparente Absprachen über die Handhabung von Dienstreisen mit den Arbeitnehmern treffen.

Hinweis: Die Frage, ob es sich bei Reisezeiten um Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz handelt, ist weiterhin von der Vergütungspflicht zu trennen. Insbesondere ist der Arbeitsschutz hinsichtlich der geleisteten Arbeitszeit nicht durch eine Vergütung dieser Zeit gewährleistet. Was Arbeitgeber in diesem Zusammenhang beachten müssen, lesen Sie im kompletten Text im Personalmagazin, Heft 05/2019. Hier geht es zur Personalmagazin-App.

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