Urteil: Voraussetzung für Coronaerkrankung als Arbeitsunfall

Eine Coronaerkrankung kann grundsätzlich als Arbeitsunfall anerkannt werden. Dafür muss jedoch nachgewiesen werden, dass sich die Infektion bei der Arbeit und nicht im privaten Bereich ereignet hat. Dass dies regelmäßig nicht ganz einfach ist, zeigt das aktuelle Urteil des Sozialgerichts Konstanz.

Eine Infektion mit dem Covid-19-Virus kann grundsätzlich als Arbeitsunfall anerkannt werden. Allerdings muss die Erkrankung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit durch die berufliche Tätigkeit ausgelöst worden sein. Hierfür reicht es nicht aus, dass ein intensiver Kontakt mit einer infektiösen Person am Arbeitsplatz stattgefunden hat. Es ist im Einzelfall zudem immer zu prüfen, ob zum maßgeblichen Zeitpunkt vergleichbare außerberufliche Gefährdungen zu einer Infektion geführt haben könnten. Das Sozialgericht Konstanz hielt diese Möglichkeit bereits bei einem Einkauf von Lebensmitteln für eine vierköpfige Familie für wahrscheinlich.

Coronaerkrankung mit Langzeitfolgen: ein Arbeitsunfall?

Die Arbeitnehmerin ist als Büroangestellte in einem Handwerksbetrieb beschäftigt. Am 12. April 2021 wurde ein Leiharbeitnehmer, der in demselben Betrieb beschäftigt ist, positiv auf das Covid 19-Virus getestet. Die Büroangestellte verspürte drei Tage später, in der Nacht vom 15. auf den 16. April 2021, erste Symptome. Wiederum drei Tage später bestätigte ein positiver PCR-Test eine Coronainfektion. Von dieser hat sich die Arbeitnehmerin nach eigenen Angaben bis heute nicht erholt, sondern leidet noch immer an Langzeitfolgen.

Coronaerkrankung kann grundsätzlich Arbeitsunfall sein

Das Sozialgericht Konstanz entschied, dass die Coronaerkrankung der Büroangestellten in diesem Fall kein Arbeitsunfall war. Es wies darauf hin, dass eine Anerkennung als Arbeitsunfall grundsätzlich möglich sei. Dem stehe nicht entgegen, dass es in Deutschland massenweise zu Infektionen mit dem Covid-19-Virus komme, es sich bei einer Infektion also um eine allgemeine Gefahr handle. Denn das Risiko, sich zu infizieren, steigt nach Ansicht des Gerichts durch die am Arbeitsplatz auftretenden zusätzlichen Kontakte an.

Infektion muss am Arbeitsplatz erfolgt sein

Allerdings müsse für die Anerkennung einer Coronainfektion als Arbeitsunfall nachgewiesen sein, dass sich die Infektion bei der versicherten Tätigkeit und nicht im privaten Bereich ereignet hat. Diesen Nachweis konnte die Arbeitnehmerin vorliegend nicht erbringen, stellte das SG Konstanz fest. Bei der Beurteilung, ob eine Infektion am Arbeitsplatz erfolgt ist, könnten die vom Robert-Koch-Institut entwickelten Maßstäbe zur Bestimmung enger Kontaktpersonen nicht unmittelbar herangezogen werden. Vielmehr müsste eine Bewertung und Abwägung möglicher Risiken anhand der besonderen Umstände des Einzelfalls erfolgen.     

Das Gericht führte dazu aus, dass eine Kausalität für die Coronaerkrankung vermutet werden könne, wenn keine anderen Tatsachen festgestellt würden, die ebenfalls zur Infektion geführt haben  könnten. Im Fall der Büroangestellten war dies nicht zweifelsfrei gegeben: Sie hatte am Arbeitsplatz immer wieder kurze Kontakte mit dem Leiharbeitnehmer, wobei beide grundsätzlich OP-Masken trugen. Zudem hatte sie im maßgeblichen Zeitraum aber auch familiäre Kontakte und war einkaufen. Damit bestand die Möglichkeit, dass sie sich im privaten Bereich oder im Supermarkt mit Corona infiziert haben könnte.

SG Konstanz: Coronainfektion am Arbeitsplatz nicht nachgewiesen

Das Sozialgericht Konstanz kam zu dem Ergebnis, dass die Unfallkausalität nicht nachgewiesen werden konnte, da neben Kontakten am Arbeitsplatz in vergleichbarem Umfang Infektionsmöglichkeiten im privaten, nicht versicherten Bereich bestanden. Auch in Lebensmittelgeschäften habe man ähnlichen, kurzzeitigen Kontakt mit anderen Personen, wie ihn die Arbeitnehmerin zu dem infizierten Leiharbeitnehmer hatte. Eine Coronainfektion am Arbeitsplatz war damit für das Gericht nicht nachgewiesen.

Gegen das Urteil ist die Berufung zulässig.

Hinweis: Sozialgericht Konstanz, Urteil vom 16. September 2022,  Az: S 1 U 452/22


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