EuGH zur Befristung von Arbeitsverhältnissen

Die EU-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge verpflichtet Mitgliedsstaaten, die missbräuchliche Verwendung von Kettenbefristungen zu verhindern. Dies hat der EuGH in einem Fall, der Dauervertretungen von Beschäftigten im spanischen Gesundheitsdienst betraf, präzisiert.

In der europäischen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge sind die allgemeinen Grundsätze und Mindestvorschriften für befristete Arbeitsverträge festgelegt. Damit sollen EU-weit Arbeitnehmer vor dem Missbrauch befristeter Arbeitsverträge geschützt werden. In einem aktuellen Fall hat der EuGH die Anforderungen an eine wiederholte Befristung von Arbeitsverhältnissen konkretisiert. Dauervertretungen im Rahmen befristeter Arbeitsverhältnisse, bei denen kein Auswahlverfahren für die Besetzung der Stelle stattfindet, können danach missbräuchlich sein.

Kettenbefristung: Arbeitnehmer klagen auf Festanstellung

Mehrere spanische Arbeitnehmer, die im Rahmen befristeter Arbeitsverhältnisse im Gesundheitsdienst der Comunidad Madrid beschäftigt waren, hatten vor Gericht auf eine Festanstellung geklagt. Sie hatten über Jahre hinweg - im Rahmen mehrerer Einstellungen - eine befristete Vertretungsstelle inne, weil der Arbeitgeber seiner gesetzlichen Verpflichtung, ein Auswahlverfahren zur endgültigen Besetzung der freien Stelle durchzuführen, nicht nachkam. Die Comunidad Madrid als öffentlicher Arbeitgeber verweigerte den Arbeitnehmern die Anerkennung als festangestelltes Personal oder als öffentliche Bedienstete.

Spanische Gerichte befragen EuGH zur Auslegung der EU-Rahmenvereinbarung

Die spanische Regelung lässt grundsätzlich den Rückgriff auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge im Wesentlichen nur zur Deckung eines zeitweiligen Bedarfs zu. Die mit der Sache befassten Gerichte legten dem EuGH daraufhin diverse Fragen vor, insbesondere zur Auslegung von § 5 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge.

EuGH: Wiederholte Befristungen einschränken

In seinem Urteil hat der europäische Gerichtshof zunächst klargestellt, dass es ein Ziel der Rahmenvereinbarung sei, den wiederholten Rückgriff auf befristete Arbeitsverträge einzugrenzen. Da hier eine Quelle potenziellen Missbrauchs zulasten der Arbeitnehmer gesehen werde. Grundsätzlich sei es Sache der Mitgliedstaaten, unter Einhaltung des Ziels, des Zwecks und der praktischen Wirksamkeit dieser Vereinbarung festzulegen, unter welchen Voraussetzungen diese Arbeitsverträge oder Arbeitsverhältnisse als "aufeinanderfolgend" angesehen werden.

Schutz vor Missbrauch befristeter Arbeitsverhältnisse

Fälle, in denen ein Arbeitnehmer auf der Grundlage eines befristeten Arbeitsverhältnisses – bis die freie Stelle, die er innehat, endgültig besetzt wird – eine Dauervertretung macht, weil der Arbeitgeber seiner gesetzlichen Verpflichtung, fristgerecht ein Auswahlverfahren zur endgültigen Besetzung der freien Stelle durchzuführen, nicht nachkommt und das Arbeitsverhältnis daher von Jahr zu Jahr implizit verlängert wird, dürfen aus Sicht des EuGH nicht vom Begriff der "aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträge oder -verhältnisse" in der Vereinbarung ausgenommen werden.

Bei einer gegenteiligen Auslegung könnten Arbeitnehmer über Jahre hinweg in unsicheren Verhältnissen beschäftigt werden. Dies könnte nicht nur dazu führen, dass eine große Zahl befristeter Arbeitsverhältnisse de facto von dem mit der EU-Richtlinie und der Rahmenvereinbarung angestrebten Schutz ausgeschlossen würde, sodass das mit ihnen verfolgte Ziel weitgehend ausgehöhlt würde, sondern auch dazu, dass es den Arbeitgebern ermöglicht würde, solche Arbeitsverhältnisse in missbräuchlicher Weise zur Deckung eines ständigen und permanenten Arbeitskräftebedarfs zu nutzen.

Keine aufeinanderfolgende Befristung, um dauerhaften Bedarf zu decken

Darüber hinaus hat der Gerichtshof entschieden, dass § 5 der Rahmenvereinbarung den nationalen Rechtsvorschriften oder der nationalen Rechtsprechung entgegensteht, wonach die aufeinanderfolgende Verlängerung befristeter Arbeitsverhältnisse allein deswegen als durch "sachliche Gründe" gerechtfertigt angesehen wird, weil sie den in diesen Rechtsvorschriften vorgesehenen Gründen für die Einstellung - wie Erforderlichkeit, Dringlichkeit oder Durchführung von Programmen zeitlich begrenzter Art - genügten. Dies gelte jedenfalls soweit die Vorgaben den betreffenden Arbeitgeber nicht daran hinderten, in der Praxis mit solchen Verlängerungen einen permanenten Arbeitskräftebedarf zu decken.

Genau dies war aus Sicht der EuGH-Richter jedoch bei den jahrelangen befristeten Einstellungen der Comunidad Madrid der Fall. Aus Sicht des Gerichts wurde durch die befristeten Beschäftigungen und die Verletzung gesetzlicher Pflichten regelmäßig ein ständiger und nicht nur ein zeitweiliger Arbeitskräftebedarf des Gesundheitsdienstes der Comunidad de Madrid gedeckt. 

Schutz vor Missbrauch gilt trotz Zustimmung zu wiederholter Befristung

Deutlich machte der Gerichtshof zudem, dass der Umstand, dass ein Arbeitnehmer der Begründung aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverhältnisse zugestimmt hat, ihn nicht den Schutz, den er aufgrund der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge genießt, verlieren lässt.

Nationale Gerichte müssen Maßnahmen EU-konform beurteilen

Der EuGH hat den nationalen Gerichten damit aus seiner Sicht eine Richtschnur für die Würdigung gegeben. Jetzt müssten diese beurteilen, ob bestimmte Maßnahmen geeignet seien, Missbräuche durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge zu verhindern. Solche Maßnahmen wären zum Beispiel die Durchführung von Auswahlverfahren zur endgültigen Besetzung der Stellen, auf denen sich vorübergehend befristet Beschäftigte befinden, die Umwandlung des Status dieser Arbeitnehmer in "unbefristet, nicht permanent beschäftigtes Personal" und die Gewährung einer Entschädigung in gleicher Höhe wie bei missbräuchlicher Kündigung. Allerdings können sich Arbeitnehmer nicht unmittelbar auf das EU-Recht berufen, sodass die spanischen Gerichte die nationalen Vorschriften nicht unangewendet lassen müssen, wenn ihnen eine EU-konforme Auslegung nicht möglich ist.

Hinweis: EuGH, Urteil vom 20.03.2020, verbundene Rechtssachen C-103/18 und C-429/18 


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