Agilität und Arbeitszeugnis

Bei der agilen Zusammenarbeit im Team nach der Scrum-Methode dürfen Arbeitgeber die Leistung der Teammitglieder individuell bewerten. Einen Anspruch auf ein gleichlautendes Arbeitszeugnis gibt es nicht, entschied das Arbeitsgericht Lübeck.

Mitarbeiter können vom Arbeitgeber nach Ende ihrer Tätigkeit ein qualifiziertes Arbeitszeugnis verlangen. In vielen Unternehmen werden heute regelmäßig agile Methoden zur Arbeitsgestaltung eingesetzt. So arbeiten agile Projektteams häufig nach der Scrum-Methode. Das Team kann selbst entscheiden, wie es sich organisiert und ein Ziel umsetzt. Auf fachliche Weisungen durch den Arbeitgeber wird verzichtet. Was bedeutet dies für die Bewertung der individuellen Arbeitsleistung? Zählt nur die Leistung des Teams? Ob agile Arbeit sich auch darauf auswirken kann, wie ein Arbeitszeugnis ausfallen muss, hatte das Arbeitsgericht Lübeck in einem kürzlich veröffentlichten Fall zu beurteilen.

Arbeitnehmer verlangt neues Arbeitszeugnis

Im konkreten Fall klagte ein Arbeitnehmer, der als Testingenieur im Bereich Product Qualification beschäftigt war. Er arbeitete zusammen mit anderen in einem agilen Projektteam nach der Scrum-Methode. Nachdem sein Arbeitsverhältnis endete, erhielt er sein Arbeitszeugnis. Dieses fiel aus seiner Sicht zu schlecht aus. Im Vergleich zu einem anderen Mitglied des Projekt-Teams fühlte er sich falsch bewertet. Er verlangte daher vor Gericht, der Arbeitgeber müsse sein Arbeitszeugnis im Wortlaut an das Zeugnis des Teammitglieds angleichen.

Bei Teamarbeit Anspruch auf gleiche Arbeitszeugnisse?

Zur Begründung führte er aus, er habe bereits deshalb Anspruch auf ein gleichlautendes Zeugnis, da im Scrum-Team die individuelle Arbeitsleistung aufgrund der Typik dieser Methode nur eine untergeordnete Rolle gespielt habe. Vorrangig gegenüber der Leistung des Einzelnen seien die Team-Ziele gewesen. Seine eigenen Leistungen müsse der Arbeitgeber daher ebenso bewerten wie diejenigen des Kollegen.

Scrum-Methode verhindert keine individuelle Leistungsbewertung

Das Arbeitsgericht Lübeck sah dies nicht so und wies die Klage ab. Die Richter machten in ihrem Urteil deutlich, dass auch in agilen Arbeitsumgebungen unter Einsatz der sogenannten Scrum-Methode die individuelle Leistung messbar sei. Allein diese sei sowohl für die Tätigkeitsbeschreibung wie auch die Bewertung der Leistung in einem Zeugnis maßgeblich. Das Gericht betonte, dass der Einsatz bestimmter moderner Arbeitsmethoden dem nicht entgegen stehe, selbst wenn die verwendete Methode das Gruppenergebnis in den Vordergrund stelle. Die Scrum-Methode verhindere schon im Grundsatz keine individuelle Leistungsbewertung.

ArbG Lübeck: Keine bessere Leistung ersichtlich

Die Klage hatte auch keinen Erfolg, weil der Testingenieur nach Auffassung des Gerichts nicht substantiiert zu den aus seiner Sicht gegebenen besseren Leistungen vorgetragen hatte.

Zudem könne es darüber hinaus sogar widersprüchlich sein, urteilte das Gericht, wenn sich der ehemalige Projektmitarbeiter einerseits auf identisch ausgeübte und in gleicher Weise zu bewertende Tätigkeiten innerhalb der agilen Arbeitsgruppe beziehe und andererseits verlange, dass der Arbeitgeber bestimmte in besonderer Weise bewältigte Arbeitsaufgaben als herausgehoben zu kennzeichnen habe.

Das Urteil ist – noch – nicht rechtskräftig. Das Arbeitsgericht hat die Berufung zugelassen.

Hinweis: Arbeitsgericht Lübeck, Urteil vom 22. Januar 2020, Az:  4 Ca 2222/19


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Schlagworte zum Thema:  Arbeitszeugnis, Agilität, Urteil