Entscheidungsstichwort (Thema)

Transparenzgebot bei der Benennung von Kündigungsfristen. Weiterbeschäftigung über die Kündigungsfrist hinaus als konkludente Vereinbarung zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es ist im Arbeitsleben durchaus üblich, auf die Kündigungsfristen des § 622 Abs. 2 BGB im Arbeitsvertrag Bezug zu nehmen und die Geltung für beide Seiten zu vereinbaren. Darin liegt keine unangemessene Benachteiligung oder Intransparenz zu Lasten des Arbeitnehmers.

2. Aus der Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus kann nur auf einen Rechtsfolgewillen zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses geschlossen werden, wenn besondere Umstände hinzutreten. Dabei muss vom Standpunkt eines unbeteiligten objektiven Dritten aus dem Verhalten des Arbeitgebers aufgrund aller äußeren Indizien auf einen wirklichen Willen geschlossen werden können, das Arbeitsverhältnis fortsetzen zu wollen.

 

Normenkette

BGB § 622 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Suhl (Entscheidung vom 26.04.2022; Aktenzeichen 2 Ca 1207/21)

 

Tenor

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsrechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.

Der Kläger war seit dem 02.01.1998 bei der Beklagten u. a. als Einrichter und stellvertretender Meister, zuletzt als Schichtmeister beschäftigt. Am 16.07.2018 schlossen die Parteien einen Änderungsvertrag. Danach wurde vereinbart, dass der Kläger mit Wirkung vom 01.07.2018 als Schichtmeister eingesetzt wurde. Zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses heißt es in § 16 Ziffer 1:

"Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses bedarf der Schriftform. Das Arbeitsverhältnis kann beidseits mit einer Frist

-3 Monaten zum Quartalsende

gekündigt werden. Ferner wird die Verlängerung der Kündigungsfristen gem. § 622 Abs. 2 BGB vereinbart, die sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer als vereinbart gelten."

Das durchschnittliche Bruttomonatseinkommen belief sich inkl. zusätzlicher Vergütungsbestandteile zuletzt auf rund 5.500,00 €.

Mit Schreiben vom 07.04.2021 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis gegenüber der Beklagten. Hierin heißt es: "Hiermit kündige ich zum nächstmöglichen Zeitpunkt unter Einhaltung der vertraglich festgelegten Frist meine Anstellung in Ihrem Unternehmen. ..."

Am 18.04.2021 schickte der Kläger eine E-Mail an die Mitarbeiterin der Personalabteilung der Beklagten, Frau.... Darin heißt es:

"Ich ziehe hiermit meine Kündigung vom 07.04.2021 zurück. Ich hatte ein kurzes Gespräch mit Herrn ... und ein längeres mit Herrn .... Wir, die Schichtmeister, werden uns zusammensetzen und diverse Möglichkeiten ausarbeiten um ein leichteres und angenehmeres Arbeiten zu ermöglichen.

Sag mir bitte Bescheid, ob es Okay ist für die Geschäftsleitung und sie die Rücknahme akzeptieren."

In einer weiteren E-Mail an Frau ... vom 21.04.2021 heißt es:

"... Ich habe Dich leider nicht erreicht. Hat sich die Geschäftsleitung mal geäußert zu der Rücknahme der Kündigung? ..."

Auf diese E-Mails erhielt der Kläger keine Antwort. In der Folge ging der Kläger seiner Tätigkeit bis zum 19.11.2021 nach. An diesem Tag wurde der Kläger zu einem Gespräch mit der Werksleitung und der Personalabteilung der Beklagten gebeten. Darin wurde ihm erklärt, dass es bei der von ihm ausgesprochenen Kündigung bleiben sollte. Er gab seinen Betriebsschlüssel, den Werksausweis und das betriebliche Mobiltelefon heraus und nahm anschließend seinen verbliebenen Resturlaub bis zum 30.11.2021.

Nach dem Gespräch am 19.11.2021 trat der Betriebsratsvorsitzende, Herr ..., an den Werksleiter, Herrn ..., heran und erkundigte sich nach den Möglichkeiten für eine Weiterbeschäftigung des Klägers. Herr ... verneinte dies und verwies auf die vom Kläger selbst ausgesprochene Kündigung. Der Kläger nahm als Ersatzmitglied des Betriebsrates bei der Beklagten an einer Sitzung des Betriebsrates am 02.12.2021 teil.

Mit seiner am 19.12.2021 beim Arbeitsgericht Suhl eingereichten Klage begehrte der Kläger die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten fortbesteht und begehrte die Weiterbeschäftigung als Schichtmeister zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen. Der Kläger trug zur Begründung vor, dass das durch den Kläger unterbreitete Angebot auf Fortbestehen des ursprünglich gekündigten Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte nicht ausdrücklich angenommen worden sei, sondern die Beklagte durch die Weiterbeschäftigung über den 30.09.2021 hinaus die Annahme des Kündigungsrücknahmeangebots konkludent zum Ausdruck gebracht habe. Die Regelung des § 16 Ziffer 1 im Arbeitsvertrag, welche die beiderseitige Anwendung des § 622 Abs. 2 BGB vorsehe, sei unwirksam. Die Klausel sei intransparent und würde den Kläger unangemessen benachteiligen.

Die Beklagte vertrat die Auffassung, dass die Klausel in § 16 Ziffer 1 des Änderungsvertrages vom 16.07.2018 wirksam und die Kündigungsfrist somit zum 30.11.20...

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