Hessisches LSG, Urteil vom 14.6.2019, L 9 U 208/17

Ein Sturz bei einem Spaziergang während einer aufgrund eines individuell gestaltbaren Arbeitstags eingelegten Arbeitspause außerhalb des Firmengebäudes stellt keinen Arbeitsunfall i. S. d. § 8 SGB VII dar.

Sachverhalt

Der Kläger, ein Fondsmanager, konnte seinen Arbeitsbeginn, Arbeitsende sowie Dauer, Zeitpunkt und Häufigkeit von persönlich bedingten Arbeitsunterbrechungen selbst bestimmen. Am Tage des Sturzes verließ er das Firmengebäude, um – wie üblich – spazieren zu gehen und "Luft zu schnappen". Er stürzte hierbei vor dem Firmengebäude über eine herausstehende Bodenplatte und zog sich Schürfwunden an Händen und Knie zu. Die beklagte Gesetzliche Unfallversicherung lehnte die Zahlung einer Entschädigung ab. Hiergegen erhob der Kläger Klage.

Die Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg. Die Revision zum BSG wurde nicht zugelassen.

Das Gericht entschied, dass dem Kläger kein Anspruch auf Entschädigungsleistungen von der Gesetzlichen Unfallversicherung zustehe, da es sich bei dem Sturz nicht um einen Arbeitsunfall i. S. d. § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII handelte.

Hierzu führte es aus, dass Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründeten Tätigkeit (versicherte Tätigkeit) seien. Voraussetzung sei hierbei ein sachlicher Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Verrichtung; d. h. die Verrichtung müsse zu dem von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis geführt haben (Unfallkausalität) und das Unfallereignis den Gesundheitsschaden des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität).

Dies lag im vorliegenden Fall jedoch nicht vor. Im Unfallzeitpunkt stand die Tätigkeit des Klägers nicht in Zusammenhang mit dessen arbeitsvertraglichen Pflichten als Fondsmanager, sondern war eine eigenwirtschaftliche Verrichtung; denn das Spazierengehen in der Arbeitspause, so das LSG, gehöre nicht zu der sich aus dem Beschäftigungsverhältnis ergebenden Hauptpflicht des Klägers, sondern sei grds. dem privaten und damit unversicherten Lebensbereich zuzuordnen.

Auch liege hier keine Konstellation vor, in der ausnahmsweise eine an sich unversicherte eigenwirtschaftliche Verrichtung unter dem Schutz der Gesetzlichen Unfallversicherung stehe; dies wäre nur dann der Fall, wenn der Spaziergang ausnahmsweise aufgrund der objektiven Handlungstendenz des Klägers betriebsdienlich wäre. In Fällen, in denen ein Versicherter während einer Pause infolge einer Tätigkeit verunglückt, die er während der Pause ausübt, bestehe ein innerer Zusammenhang nur, wenn diese Tätigkeit dem Betrieb zu dienen bestimmt war. Bei einem Spaziergang sei dies nur der Fall, wenn er aus besonderen Gründen zur notwendigen Erholung für eine weitere betriebliche Betätigung erforderlich sei. Eine solche Belastung war hier jedoch nicht feststellbar.

Des Weiteren war der Weg des Klägers "zur Pause" nach Ansicht des Gerichts auch nicht entsprechend den Grundsätzen über versicherte Wege im Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme oder der Verrichtung der Notdurft versichert; denn diese dienten einerseits der Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit, andererseits handele es sich dann um einen Weg, der in seinem Ausgangs- und Zielpunkt durch die Notwendigkeit geprägt sei, persönlich an der Arbeitsstätte anwesend zu sein, um dort betriebliche Tätigkeiten zu verrichten. Diese Grundsätze seien jedoch nicht auf einen Spaziergang übertragbar; denn dieser sei nicht aus biologischen Gründen bei jedem Menschen erforderlich.

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