BAG, Urteil vom 7.9.2021, 9 AZR 595/20

Leitsatz (amtlich)

Ein unter Verletzung der dreimonatigen Mindestankündigungsfrist gestellter Antrag auf zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit nach § 9a TzBfG kann nicht ohne weiteres als ein zum frühestmöglichen Zeitpunkt wirkendes Angebot verstanden werden. Eine solche Auslegung ist nur möglich, wenn der Arbeitgeber aufgrund greifbarer Anhaltspunkte erkennen kann, dass der Arbeitnehmer die "Brückenteilzeit" verkürzen oder verschieben möchte.

Sachverhalt

Mit Schreiben vom 22.1.2020 bat die Klägerin ihre Arbeitgeberin um eine Verringerung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit für die Zeit vom 10.4.2020 bis zum 31.3.2022 auf 33 Stunden unter Hinweis auf die Pflegebedürftigkeit ihres Vaters. Dieser Antrag, welcher der Arbeitgeberin am 24.1.2020 zuging, wurde von dieser abgelehnt mit der Begründung, die Angaben der Klägerin reichten ohne Vorlage eines Gutachtens oder eines Attests nicht aus. Außerdem stünden der Gewährung von Teilzeit dienstliche Belange entgegen.

Die Klägerin, die der Auffassung war, dass ihr ein Anspruch auf zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit gem. § 9a Abs. 1 Satz 1 TzBfG zustehe, erhob Klage. Gerichtlich verlangte sie nun außerdem am 30.6.2020 erstmals hilfsweise, dass ihr die Verringerung der Arbeitszeit zumindest für den Zeitraum vom 1.7.2020 bis zum 30.6.2021 gewährt werde. Die Beklagte brachte dagegen an, dass der Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit schon deshalb nicht bestehe, weil die Arbeitnehmerin die 3-monatige Ankündigungsfrist des § 9a TzBfG nicht eingehalten habe. Die Klägerin war jedoch der Ansicht, dass die Beklagte sich auf die Fristversäumung nicht berufen könne, weil sie durch "Erörterung ihres Antrags ohne Vorbehalt" auf die Einhaltung der Frist verzichtet habe. Zumindest sei ihr Antrag dahingehend auszulegen, dass sie die Verringerung der Arbeitszeit zum nächstmöglichen Zeitpunkt wünsche, so dass ihr zumindest die Verringerung für den Zeitraum ab 1.7.2020 zustehe.

Die Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das BAG entschied, dass der Klägerin kein Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit auf der Grundlage des § 9a TzBfG zustehe, da sie die Ankündigungsfrist von 3 Monaten nicht eingehalten hatte.

Es führte hierzu aus, dass ein Arbeitgeber zwar auf die Einhaltung dieser Frist verzichten könne; dieser Verzicht müsse auch nicht ausdrücklich erklärt werden, sondern könne sich auch aus der Reaktion des Arbeitgebers ergeben, wenn hieraus nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133,157 BGB) mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden könne, dass der Arbeitgeber auf die Einhaltung der Frist keinen Wert lege und auch bei der weiteren Behandlung des Verlängerungsantrags auf die Fristverletzung nicht zurückkommen werde. Davon sei dann auszugehen, wenn der Arbeitgeber das Teilzeitverlangen mit dem Arbeitnehmer ohne Vorbehalt erörtert (so das BAG, Urteil vom 16.12.2008 – 9 AZR 893/07 zu § 8 Abs. 2 TzBfG). Der Arbeitgeber müsse hierfür jedoch über die bloße Ablehnung des Antrags hinaus deutlich zum Ausdruck bringen, dass er sich nicht auf die Nichteinhaltung der Mindestankündigungsfrist berufen wolle. Allein in der Ablehnung des Antrags auf "Brückenteilzeit" unter Angabe betrieblicher Gründe liege kein Verzicht des Arbeitgebers auf die Einhaltung der Frist.

Des Weiteren habe die Klägerin nach Auffassung des Gerichts auch keinen Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit ab einem späteren Zeitpunkt; denn ein unter Verletzung der Mindestankündigungsfrist gestellter Antrag auf eine zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit lasse sich nicht ohne Weiteres als ein zum frühestmöglichen Zeitpunkt geltendes Angebot auslegen. Dies setze voraus, dass der Arbeitgeber aufgrund greifbarer Anhaltspunkte erkennen könne, ob der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin die "Brückenteilzeit" verkürzen oder verschieben möchte. Ein solcher Wunsch oder Wille der Arbeitnehmerin sei jedoch im vorliegenden Fall für den Arbeitgeber nicht erkennbar gewesen.

Das Gericht führte hierzu aus, dass sich die für einen Antrag auf Teilzeitbeschäftigung von unbestimmter Dauer geltenden Auslegungsgrundsätze aufgrund der strukturellen Unterschiede nicht ohne Weiteres auf einen Antrag auf "Brückenteilzeit" übertragen lasse; denn wünsche ein/e Arbeitnehmer/in die Änderung von Arbeitszeit und deren Verteilung zu einem zu frühen Zeitpunkt, dann richte sich das auf unbestimmte Dauer gerichtete Verringerungsverlangen nach § 8 TzBfG hilfsweise auf einen Zeitpunkt, zu dem der Beginn der Verringerung nach den gesetzlichen Regeln verlangt werden könne. Es gehe dem/der Arbeitnehmer/in vor allem um das "Ob" der Verringerung und erst in 2. Linie um den Zeitpunkt ihres Beginns. Bei einem Antrag auf "Brückenteilzeit" lasse sich aber gerade nicht ohne Weiteres durch Auslegung ermitteln, ob auch (hilfsweise) die Verkürzung oder die Verschiebung des angegebenen Zeitraums begehrt werde.

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