Urteil: Mann kann nicht Gleichstellungsbeauftragter werden

Ein männlicher Beamter in Mecklenburg-Vorpommern kann nicht Gleichstellungsbeauftragter werden. Das Verfassungsgericht in Greifswald wies die Beschwerde des Mannes als unbegründet zurück und erklärte das Gleichstellungsgesetz für verfassungskonform.

Der Mann sah sich diskriminiert, weil er als Mann nicht Gleichstellungsbeauftragter werden durfte. Er klagte gegen § 18 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Gleichstellung von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Gleichstellungsgesetz - GlG M-V). Nach der angegriffenen Vorschrift wird die Gleichstellungsbeauftragte von den weiblichen Beschäftigten der betreffenden Dienststelle aus ihrem Kreise gewählt.

Mann rügt Diskriminierung aufgrund des Geschlechts

Der Beschwerdeführer machte geltend, aufgrund der Regelung im Gleichstellungsgesetz an einer Kandidatur für das Amt der Gleichstellungsbeauftragten gehindert zu werden und diese auch nicht wählen zu dürfen. Dies verstoße gegen das Verbot aus Art. 3 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit Art. 5 Abs. 3 der Landesverfassung, aus Gründen des Geschlechts benachteiligt zu werden. Anders als beim vorangegangenen, allein auf Frauenförderung ausgerichteten Gleichstellungsgesetz seien von den Zielen des angegriffenen Gesetzes und den Aufgaben der Gleichstellungsbeauftragten beide Geschlechter erfasst, jedoch ohne die männlichen Beschäftigten bei der Wahl nach § 18 Abs. 1 Satz 1 GlG M-V einzubeziehen.

Gericht: Regelung ist verfassungsgemäß und dient der Frauenförderung 

Nach Ansicht der Richter ist die Wahlrechtsbeschränkung jedoch verhältnismäßig, um Frauen die verfassungsrechtlich garantierte Chancengleichheit zu gewährleisten. Frauen seien noch immer strukturell benachteiligt, was sich unter anderem in der Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen zeige. Das Gleichstellungsgesetz sei in erster Linien noch immer auf die Frauenförderung ausgerichtet.

Da es im Hinblick auf § 18 Abs. 1 Satz 1 GlG M-V nicht um eine Ungleichbehandlung aufgrund von biologischen Unterschieden geht, lässt sie sich nur noch im Wege einer Abwägung mit kollidierendem Verfassungsrecht legitimieren. Insoweit kommt das Gleichberechtigungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG zum Tragen. Dieses berechtigt den Gesetzgeber, faktische Nachteile, die typischerweise Frauen treffen, durch begünstigende Regelungen auszugleichen. Die Art und Weise, wie der Staat seine Verpflichtung erfüllt, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken, obliegen der gesetzgeberischen Ausgestaltungsbefugnis. Die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit habe der Gesetzgeber im vorliegenden Fall nicht überschritten, die Beschränkung des Wahlrechts sei geeignet, erforderlich und angemessen. Die angegriffene Regelung  sei jedenfalls derzeit durch den – dem Gesetzgeber mit Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG erteilten – Auftrag gerechtfertigt, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern.

Derzeit noch strukturelle Benachteiligung von Frauen

Die Einschätzung des Gesetzgebers, dass weibliche Beschäftigte im öffentlichen Dienst in Teilbereichen nach wie vor strukturell benachteiligt sind, insbesondere im Bereich der Führungspositionen, ist nach Auffassung des Gerichts nachvollziehbar und vertretbar und damit verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Nach den Erkenntnissen des Gesetzgebers war demgegenüber nicht von strukturell bedingten Benachteiligungen männlicher Beschäftigter auszugehen. Dementsprechend sind nach der Gesetzesbegründung weiterhin Frauen faktisch Hauptadressat auch der Aufgaben der Gleichstellungsbeauftragten. Angeführt wird neben der strukturell bedingten Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen, dass Frauen überwiegend von sexueller Belästigung und schließlich vorrangig von Familien- und Pflegeaufgaben betroffen sind.

Das Gericht forderte den Gesetzgeber auf, die Entwicklung in den kommenden fünf Jahren sorgfältig zu beobachten. Die Entscheidung fiel mehrheitlich, aber nicht einstimmig (LVerfG, Urteil vom 10.10.2017, LVerfG 7/16).

Kläger reagierte enttäuscht

Der Kläger,  als Landesbeamter beim Bürgerbeauftragten tätig, reagierte enttäuscht. «Ich werde weiter von einer Gleichstellungsbeauftragten vertreten, die ich nicht wählen darf.»  Gerade die Vereinbarkeit von Beruf und Familie betreffe Männer im gleichen Maße wie Frauen, sagte er. Die Richter hatten in ihrem Urteil deutlich gemacht, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nur ein Teilbereich der Aufgabe der Gleichstellungsbeauftragten sei.

dpa / Pressemitteilung LVerfG MV
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