BVerfG: Entfernung aus Beamtenverhältnis durch Verwaltungsakt

Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis durch Verwaltungsakt verstößt nicht gegen die Grundsätze des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in einem aktuell veröffentlichen Beschluss entschieden. 

Der Beschwerdeführer war 2011 durch eine Verfügung des Polizeipräsidiums Karlsruhe aus dem Beamtenverhältnis entfernt worden. Grund dafür war seine Verurteilung zu einer Haftstrafe auf Bewährung. Der Beschwerdeführer übte seinen Dienst zuletzt als Polizeiobermeister bei einem Polizeirevier aus. Parallel hierzu war er als Geschäftsführer zweier Bauunternehmen tätig. In diesem Zusammenhang wurde er dreimal insbesondere wegen Betrugs- und Urkundendelikten rechtskräftig verurteilt, zuletzt zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten. 

Sämtliche Disziplinarmaßnahmen durch Verwaltungsakt

Anders als im Bund und in den meisten Ländern werden in Baden-Württemberg seit 2008 sämtliche Disziplinarmaßnahmen gegen Landesbeamte durch Verwaltungsakt ausgesprochen, auch die Höchststrafen. Die hiergegen gerichtete Klage des Beschwerdeführers blieb in allen Instanzen bis hin zur Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht erfolglos.

Entfernung nicht zwangsläufig durch Richterspruch

Mit Beschluss vom 14.1.2020 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nicht zwingend von einem Dienstgericht verhängt werden muss.  

Ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums, wonach eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nur durch Richterspruch erfolgen darf, bestehe nicht, so die Richter. Ebenfalls bestehe kein hergebrachter Grundsatz, wonach die Entfernungsentscheidung der unmittelbaren alleinigen Diziplinargewalt des Dienstvorgesetzten entzogen und immer einem Gremium zu überantworten sei.

Effektiver nachgelagerte Rechtsschutz sichergestellt

Das zum Kernbestand der Strukturprinzipien gehörende Lebenszeitprinzip aus Art. 33 Abs. 5 GG erfordere auch keinen Richtervorbehalt für Entfernungen aus dem Beamtenverhältnis, da effektiver nachgelagerter Rechtsschutz sichergestellt sei. 

Das Gericht führt aus, dass der Schutz vor Staatswillkür und Machtmissbrauch zur Freiheitssicherung im demokratischen Rechtsstaat des Grundgesetzes vornehmlich durch die Gewaltenteilung gewährleistet werde. Dies bedeute hingegen nicht, dass bereits die disziplinare Erstentscheidung von einem Gericht getroffen werden muss. Vielmehr könne angesichts des ausdifferenzierten Rechtsschutzsystems ein hinreichender Grundrechtsschutz grundsätzlich durch nachträgliche gerichtliche Kontrolle gewährleistet werden. Jedenfalls im Fall eines nachgelagerten effektiven Rechtsschutzes in Gestalt einer gerichtlichen Vollkontrolle sei dem Lebenszeitprinzip Genüge getan. 

Keine faktischen Hindernisse für Inanspruchnahme

Durch den Wegfall der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis durch Richterspruch ergäben sich auch keine weiteren faktischen Hindernisse für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes, welche unter dem Gesichtspunkt des Lebenszeitprinzips besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des gerichtlichen Verfahrens stellten. 

Die Sorge, die Verwaltung könne von einer erforderlichen Entfernung aus dem Beamtenverhältnis aus Gefälligkeit oder Scheu vor einem öffentlichen Gerichtsprozess absehen, sodass untragbare Personen im Dienst verblieben, führe im hiesigen Kontext nicht weiter, da im Disziplinarklagesystem gleichermaßen das Risiko bestünde, dass von der Erhebung der Klage trotz Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen und unter Verletzung einer Verpflichtung zum Tätigwerden abgesehen wird. Für den gleichsam umgekehrten Fall einer strukturellen Missbrauchsgefahr im Sinne „schikanöser Entfernungen“ fehle es an substanziellen Anhaltspunkten.

Damit hat das Gericht die Verfassungsbeschwerde des ehemaligen baden-württembergischen Polizeibeamten zurückgewiesen.

BVerfG PM Nr. 16/2020
Schlagworte zum Thema:  Beamte, Bundesverfassungsgericht