Brandenburger Hof Gespräch: Wege aus der Wohnungskrise

Die Wohnungsknappheit spitzt sich weiter zu. Welche Hindernisse den Bau neuer Wohnungen blockieren und welche Maßnahmen zur Lösung der Krise nötig sind, waren Thema beim 30. Brandenburger Hof Gespräch in Berlin.

Den vielleicht eindringlichsten Satz sagte Axel Gedaschko, Präsident des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, am Ende des 30. Brandenburger Hof Gesprächs: Man dürfe die Menschen nicht vergessen, "die händeringend Wohnungen brauchen". Und da sehe es düster aus: Noch würden im Wohnungsbau die begonnenen Projekte beendet – doch Mitte 2024 werde "die Dramatik am Markt ankommen".

Einbrechende Genehmigungszahlen, stornierte Neubauprojekte und wachsende Wohnungsknappheit in weiten Teilen des Landes: Das war der thematische Hintergrund der Debatte, die von Thomas Tuma, Chefautor und Mitglied der Chefredaktion des Magazins Focus, moderiert wurde. Sie widmete sich einem der derzeit brennendsten politischen Themen, nämlich der Frage, wie es gelingen kann, trotz schwieriger Rahmenbedingen den dringend benötigten Wohnraum zu schaffen.

Die Diskussion, zu der sich die fünf Teilnehmenden Ende November in Berlin trafen, fand in bewegten Zeiten statt. Zwei Wochen zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht sein aufsehenerregendes Urteil zum 60-Milliarden-Euro-Sondervermögen gefällt und damit den Bundeshaushalt in seinen Grundfesten erschüttert – mit unabsehbaren Folgen auch für die Wohnungswirtschaft. Noch nicht bekannt war hingegen der abrupte Stopp des KfW-Förderprogramms Klimafreundlicher Neubau, den das Bundesbauministerium im Dezember bekanntgab und der der Runde vermutlich noch einmal reichlich Diskussionsstoff beschert hätte. Auch die Entscheidung, bei der europäischen Gebäuderichtlinie auf einen individuellen Sanierungszwang für einzelne Häuser zu verzichten, fiel erst einige Tage nach dem Gespräch.

GdW fordert Zinssenkungsprogramm

Einen konkreten Vorschlag, wie der Bau gerade auch von bezahlbaren Wohnungen wieder auf Touren kommen könnte, machte Axel Gedaschko. Mit Blick auf das Zinsniveau schlug er ein Zinsverbilligungsprogramm über die KfW vor. Dieses solle nur für Bauvorhaben gelten, bei denen sowohl die Baukosten als auch die Mieten begrenzt seien. Voraussetzung dafür sei eine Stärkung des Eigenkapitals der KfW, sagte Gedaschko.

Zustimmung signalisierte hierzu Volker Leers, Sprecher der Geschäftsführung der SBT Immobilien Gruppe in Saarbrücken und Verbandspräsident des Verbands der saarländischen Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (vdw Saar). Ein Zinssenkungsprogramm allein reiche jedoch nicht, so Leers: "Wir brauchen jetzt ein Portfolio von Maßnahmen. Eine Maßnahme allein wird keine Wirkung entfalten." Nötig seien insbesondere "langfristig planbare Grundlagen". Dabei müssten auch die Bundesländer und die Kommunen in den Blick genommen werden.

"Prozesse neu denken"

"Warum dauern Genehmigungsverfahren so lange? Warum machen wir das Bauen so furchtbar kompliziert in Deutschland?", fragte Jochen Klösges, Vorstandsvorsitzender der Aareal Bank, die das Brandenburger Hof Gespräch auch dieses Jahr unterstützte. Man müsse "einzelne Prozesse neu denken", forderte Klösges und nannte dabei mehr Flexibilität bei der Genehmigung von Baugebieten, die Entwicklung großer Stadtquartiere und die Standardisierung des Bauens. Außerdem müssten künftige Wohneinheiten kleiner werden, denn "am Ende des Tages wird man sich gerade in Ballungsgebieten nur kleinere Wohnungen leisten können."

Die Notar- und Maklergebühren zu überdenken, regte die Bundestagsabgeordnete Sandra Weeser (FDP) an. Die Vorsitzende des Ausschusses für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen im Bundestag sprach sich ferner für erhöhte steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten aus und verwies dabei auf das Wachstumschancengesetz mit der darin vorgesehenen Sonderabschreibung von sechs Prozent, die zum Zeitpunkt der Diskussion im Bundesrat blockiert war. Grundsätzlich erwarte Weeser, die Beschlüsse des Wohnungsbaugipfels von Ende September schnell umzusetzen. So gelte es beispielsweise, das Baugesetzbuch zu "entschlacken".

Neubau in großem Stil sei dringend erforderlich, erklärte auch Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie. Den Vorschlag, den Wohnungsmangel allein durch Aufstockung und Ausbau von Dachgeschossen zu bekämpfen, bezeichnete er ebenso als "Quatsch" wie die Idee, durch Tauschbörsen und Anreize fürs Umziehen ältere Menschen zum Umzug in kleinere Wohnungen zu bewegen. "Um diesen großen Wohnungsmangel wirklich zu beheben, muss gebaut werden, daran führt kein Weg vorbei", sagte der Verbandsvertreter, "und das ist für die Baubranche schon mal eine positive Aussicht. Jetzt braucht der Wohnungsbaumotor nur noch Starthilfe".

Zahlreiche Hindernisse

Positive Aussichten sahen die Diskussionsteilnehmer nur wenige. Umso ausführlicher widmeten sie sich den Hemmnissen, die dafür gesorgt haben, dass die Zahl der genehmigten Wohnungen laut Statistischem Bundesamt von Januar bis Oktober 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 26,7 Prozent eingebrochen ist. Einen erheblichen Teil der Verantwortung dafür sahen sie bei der Politik, die Instrumente wie Lagebeurteilungen nicht nutze.

Tatsächlich verzögerten kommunale Verwaltungen die Schaffung von Wohnraum, bestätigte Aareal-Bank-Chef Jochen Klösges aus eigener Erfahrung. Auch die kommunalen Parlamente hätten eine Mitverantwortung, ergänzte Axel Gedaschko: Wenn der Stadtrat immer neue Erwartungen an einen Investor formuliere, dann vergraule er diesen Investor. Und manch ein Bürgermeister verzichte schon deshalb auf die Ausweisung neuer Baugebiete, weil er den Widerstand von Bürgerinitiativen sowie die Folgekosten durch neue Kindergärten und Schulen fürchte. Darüber hinaus diagnostizierte Gedaschko eine "Wahrnehmungsverweigerung" der Politik. Es sei ein "politischer Stockfehler" gewesen, sich nicht frühzeitig einzugestehen, dass das Ziel von jährlich 400.000 neuen Wohnungen nicht erreichbar sei. Andernfalls, so der GdW-Präsident, hätte die Politik nämlich die Chance gehabt, rechtzeitig gegenzusteuern.

Ein weiteres Problem seien die 16 unterschiedlichen Landesbauordnungen, ergänzte Tim-Oliver Müller vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie. Sandra Weeser aus dem Bundestag bezeichnete es als "Herkulesaufgabe", die Bauprozesse auf den unterschiedlichen föderalen Stufen zu digitalisieren. Außerdem thematisierte sie das Fehlermanagement in der Verwaltung, das Beamte nicht zu pragmatischen Entscheidungen befähige.

Zinserhöhung und Baukostensteigerung

Thematisiert wurden auch die Auswirkungen der innerhalb kurzer Zeit erfolgten Zinserhöhungen. Jochen Klösges von der Aareal Bank machte wenig Hoffnung auf eine schnelle Zinssenkung; immerhin sei aber die Gefahr weiterer Zinssteigerungen geringer geworden. Verbandspräsident Volker Leers wies darauf hin, dass auch die Bauindustrie ihren Teil zu den gestiegenen Baukosten beigetragen habe, indem sie kräftig an der Preisspirale gedreht habe. "Ich habe wenig Mitleid mit Ihren Mitgliedern", sagte er in Richtung Tim-Oliver Müller. Dieser entgegnete, es sei zwar richtig, dass die Bauunternehmen in den vergangenen Jahren die Preise angehoben hätten. Zuvor hätten sie aber lange aufgrund der damaligen Überkapazitäten "unter der Kostendeckungsgrenze" angeboten. Zu berücksichtigen seien nicht zuletzt auch die starken Preissprünge bei den Baumaterialien. Im Rohbau, so der Vertreter der Bauindustrie, zeige sich jetzt die Entwicklung, dass Unternehmen erneut nicht kostendeckende und damit letztlich existenzgefährdende Angebote einreichten.

In diesem Zusammenhang bot Müller der Wohnungswirtschaft sogenannte Fair-Business-Vereinbarungen an, wie sie nach seinen Angaben bereits mit öffentlichen Auftraggebern geschlossen wurden. Sie regeln, wie die Parteien im Konfliktfall miteinander umgehen. Auch die Prozesse nahm Müller in den Blick: Ein Grundproblem sei, dass Planen und Bauen voneinander getrennt seien. Ziel müsse es stattdessen sein, "ein gutes Bauprojekt in Partnerschaft mit dem Auftraggeber, mit dem Planer, mit den Ausführenden umzusetzen".

GEG: "Wir bleiben technologieoffen"

Charakteristisch für das Format des Brandenburger Hof Gesprächs ist, dass es Raum lässt für grundsätzliche Überlegungen und die Erörterung von Aspekten, die nur indirekt im Zusammenhang mit dem zentralen Thema stehen. So debattierte die Runde auch über das Gebäudeenergiegesetz (Sandra Weeser: "wir bleiben technologieoffen"), über die wachsenden sozialen Probleme in den Quartieren (Axel Gedaschko: "eine gewaltige Sprengkraft"), über die gestiegene Bedeutung der Nachhaltigkeit bei der Finanzierung und über die Auswirkungen des Zusammenbruchs des Signa-Konzerns von René Benko, die auch zurückhaltend kalkulierende Projektentwickler in massive Schwierigkeiten bringen könne.

Das bestätigte Tim-Oliver Müller, der gleichzeitig erwarte, dass seriöse Unternehmen von der Krise insofern profitierten, als sie die entsprechenden Baugrundstücke zu günstigeren Preisen kaufen und dann bebauen könnten. Entsprechende Hoffnungen dämpfte Volker Leers: Er habe seit 1994 nie erlebt, dass Grund und Boden ("ein endlicher Rohstoff") billiger geworden sei.

Ein Zeichen der Hoffnung setzte Volker Leers, dessen Unternehmen derzeit rund tausend Wohneinheiten in Planung habe (alle als Effizienzhaus 40 NH) – "und die werden wir auch in den Bau führen". Damit andere Unternehmen diesem Beispiel folgen, ist nach Ansicht der Diskutanten allerdings ein Mentalitätswechsel erforderlich. Oder, wie es Axel Gedaschko formulierte: "Wir brauchen einen Grundkonsens, dass Bauen nicht böse ist."

Das Brandenburger Hof Gespräch fand mit freundlicher Unterstützung der Aareal Bank statt.

Eine ausführliche Zusammenfassung des Brandenburger Hof Gesprächs lesen Sie in der DW 02/2024.

Das ganze Gespräch zum Nachhören finden Sie auch in unserem Podcast L'Immo Teil 1 und Teil 2.

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