75 Jahre DW Die Wohnungswirtschaft – Interview Hans Maier

Der Freistaat Bayern ist bei Wohnungssuchenden beliebt. Wie es der bayerischen Wohnungswirtschaft gelingt, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und welche Hindernisse es dabei gibt, erklärt Verbandsdirektor Hans Maier.

Der Verband bayerischer Wohnungsunternehmen e.V. (VdW Bayern) steht seit dem Jahr 1909 für das bezahlbare Wohnen im Freistaat. Die mehr als 500 Mitglieder sind Wohnungsgenossenschaften, kommunale Wohnungsbaugesellschaften sowie kirchliche und freie Wohnungsunternehmen.

München ist teuerste Miet-Stadt Deutschlands – was ist mit den anderen Städten im Bundesland? Ist bezahlbares Wohnen in Bayern möglich?

Hans Maier: Das Ziel der Bayerischen Staatsregierung für den Wohnungsbau wurde vor einigen Jahren mit 70.000 Baufertigstellungen pro Jahr beziffert. Davon sind wir mit jährlich rund 60.000 neuen Wohnungen ein Stück entfernt. Die Bremsen für den Wohnungsbau sind in allen Bundesländern dieselben. Der Freistaat hat 2015 den Wohnungspakt Bayern ausgerufen und dadurch bei den sozial orientierten Wohnungsunternehmen einen Bauboom bewirkt.

Angesichts der Baukrise hat das Staatsministerium für Bauen, Wohnen und Verkehr im Frühjahr 2023 mit einem "Wohnbau-Booster" reagiert. Die Fördermittel des Bundes werden in Bayern noch durch eigene Landesmittel aufgestockt, sodass insgesamt rund eine Milliarde Euro zur Verfügung stehen. Diese Mittel wurden in diesem Jahr allerdings auch vollständig abgerufen. Das zeigt, dass auch in Bayern bei der Förderung noch Luft nach oben ist. Nach Schätzungen des VdW Bayern fehlen in Bayern aktuell 200.000 bezahlbare Wohnungen. Den unrühmlichen Titel "teuerste Stadt Deutschlands" trägt München seit Jahren. Das wird sich auf absehbare Zeit auch nicht ändern. Das Bauministerium benennt aber auch noch 208 andere Gemeinden und Städte als Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt.

"Der VdW Bayern hat seit 2015 52 neue Mitgliedsunternehmen hinzugewonnen. Auslöser für die vielen Neugründungen ist der zunehmende Mangel an bezahlbaren Wohnungen", steht auf Ihrer Webseite. Ist das ein Ausweg?

Die großen Gründungswellen bei den Wohnungsgenossenschaften und kommunalen Wohnungsunternehmen erfolgten schon immer in Zeiten des Wohnungsmangels. Bezeichnend ist, dass die Neugründungen nicht nur in den Ballungszentren stattfinden. Unser 500. Mitgliedsunternehmen ist die Stadtbau Marktoberdorf GmbH & Co. KG, ein kommunales Wohnungsunternehmen im Regierungsbezirk Schwaben. Die größte Hürde für die Neugründungen, vor allem für die Genossenschaften, ist der Zugang zu bezahlbarem Bauland. Hier sind die Kommunen gefragt, die es in der Hand haben, eigene Grundstücke nach dem besten Konzept und nicht nach dem höchsten Angebot zu vergeben. Auch die Fördermittelausstattung und die Förderkonditionen spielen eine zentrale Rolle für die Neugründungen.

Zu Ihrer Frage nach dem Erfolg der Neugründungen: Die lässt sich eindeutig mit Ja beantworten. Vor allem in München haben viele junge Genossenschaften von den Konzeptausschreibungen der Landeshauptstadt profitiert und erste Wohnprojekte realisiert. Die kommunalen Wohnungsunternehmen erblühen sowieso sehr schnell.

Was bedeutet der Ausgang der Landtagswahlen in Bayern für die Wohnungswirtschaft? Welche Punkte haben Sie im Vorfeld der Wahlen vor allem an die Politik adressiert?

Bayern ist und bleibt ein Zuwanderungsmagnet: Allein im Jahr 2022 lag der Wanderungsgewinn bei rund 222.500 Personen. Der Wohnungsbau kann mit dieser Entwicklung nicht mithalten. Wir brauchen einen starken Schub auf allen Ebenen. Für ein deutliches Wachstum beim geförderten Wohnraum sind vor allem stetige Fördermittel notwendig. Der zweite Punkt ist der Dauerbrenner Baukosten. Die Deregulierung muss endlich Realität werden. Eine Kernforderung des VdW Bayern ist die Aufnahme des Gebäudetyps "E" in die Bauordnung. Außerdem fordert der Verband eine Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren.

Eine Besonderheit in Bayern ist im bundesweiten Vergleich sicherlich, dass es bei der Landesregierung eine gewisse Kontinuität gibt. Dazu gehört auch, dass die Wohnraumförderung seit der Föderalismusreform 2006 immer fortgesetzt wurde, verstärkt durch Landesmittel. Das gab es in der Form nicht in vielen Ländern. Wichtig aus unserer Sicht ist vor allem auch, dass der Wohnungsbau sich für alle Akteure wieder lohnt. Denn die notwendigen 70.000 neuen Wohnungen jährlich können die Verbandsmitglieder nicht allein stemmen. Und wenn der private Wohnungsbau zum Erliegen kommt, wie es ja gerade der Fall ist, steigt der Druck im Kessel.

Ende September fand der Wohnungsbaugipfel mit Bundeskanzler Olaf Scholz statt. Der GdW und die Regionalverbände, also auch der VdW Bayern, verweigerten die Teilnahme. Warum war es so wichtig, dieses Zeichen zu setzen?

Der Frust über die Wohnungspolitik der aktuellen Regierung sitzt bei vielen Wohnungsunternehmen tief. Wir brauchen vor allem Planbarkeit. Das unsägliche Gezerre um das sogenannte Heizungsgesetz und insbesondere die notwendige Förderung für weniger betuchte Mieter hat sicherlich auch dazu beigetragen, dass die Stimmung bei vielen Wohnungsunternehmen im Keller ist.

Dass die Wohnungswirtschaft Ende September nicht am Wohngipfel beim Kanzler teilgenommen hat, war eine von allen Gremien des GdW und den Regionalverbänden einstimmig getragene Entscheidung. Dabei ist es wichtig, zu betonen, dass die Wohnungswirtschaft keine grundsätzliche Verweigerungshaltung einnimmt, sondern auch weiterhin auf einen konstruktiven Dialog mit der Politik zur Verbesserung der Bedingungen für den Wohnungsneubau und die Maßnahmen für den Klimaschutz im Segment Bezahlbares Wohnen setzt.

Bei diversen Auszeichnungen schaffen es regelmäßig Wohnungsunternehmen aus Bayern aufs Treppchen. Was glauben Sie, woher kommt diese Innovationskraft mit Leuchtturmprojekten aus Ihren Reihen?

Ein Grund für den Erfolg der bayerischen Wohnungswirtschaft bei Wettbewerben ist sicherlich, dass unsere Mitglieder die Neubaufertigstellungen seit dem Jahr 2013 verdreifacht haben. Dazu kommen zwei weitere Besonderheiten. Die Landeshauptstadt München setzt bei der Vergabe der städtischen Grundstücke seit einigen Jahren auf die Vergabe nach dem besten Konzept und fördert dadurch den genossenschaftlichen Wohnungsbau.

So konnten in den vergangenen Jahren einige innovative Wohnprojekte auf den städtischen Konversionsflächen wie dem Prinz-Eugen-Park oder dem Domagkpark entstehen. Bei den Vergabekriterien spielen Aspekte wie Mobilität, klimagerechtes Bauen und Wohnen in Gemeinschaft eine entscheidende Rolle. Und auch der Freistaat fördert mit dem Experimentellen Wohnungsbau zukunftsfähige und gleichzeitig wirtschaftlich tragfähige Wohnmodelle. Aus diesem Programm gingen einige Preisträger hervor.

Und zum Schluss dürfen Sie uns noch verraten, was Sie der DW zum 75. Geburtstag wünschen. Wie groß ist für Sie und bei Ihren Mitgliedern der Stellenwert des Branchenmagazins?

Die DW ist seit nunmehr seit 75 Jahren ein unersetzliches Sprachrohr der Wohnungswirtschaft mit einem unglaublich breiten und vielseitigen Themenspektrum. Dazu meinen herzlichen Glückwunsch. Formate wie die Brandenburger-Hof-Gespräche und natürlich der DW-Zukunftspreis der Immobilienwirtschaft sind wegweisend. In der Branche gibt es viel Innovation und die DW schafft es hervorragend, diesen Entwicklungen nachzugehen und zugänglich zu machen. Deshalb sind die Fachinformationen aus der Branche und für die Branche so bereichernd.

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Das vollständige Interview erschien in der DW Die Wohnungswirtschaft 11/2023.

Schlagworte zum Thema:  Wohnungswirtschaft, Bayern, Neubau, Wohnraum, Förderung