Die digitale Entwicklung lässt sich nicht mehr aufhalten
Einer aktuellen Studie des Future Real Estate Instituts zufolge sehen zwar fast alle deutschen Immobilienunternehmen (95 Prozent) in der Digitalisierung große Chancen. Jedoch fühlen sich 90 Prozent der Befragten nicht dazu in der Lage, den Prozess einzuleiten. Die meisten Firmen bemerken jedoch dabei nicht, dass sie sich bereits mitten in der digitalen Transformation befinden. Denn die Treiber der Entwicklung sind meist neue, digitale Services.
Software-Unternehmen mit großem Umsatzplus
Aareon verkündete jüngst, das Geschäftsjahr 2016 mit dem besten Ergebnis seiner Unternehmensgeschichte abgeschlossen zu haben. Mit einer Steigerung um 27,1 Prozent lag das EBIT deutlich über dem Vorjahresniveau. Ende 2016 haben sich den Mainzern zufolge hierzulande rund 840 Kunden für die ERP-Lösung Wodis Sigma entschieden. Die meisten dieser Kunden nutzen Wodis Sigma als Software as a Service (SaaS) aus der Aareon Cloud. Gute Zahlen verlauteten auch aus Ratingen. Nach eigenen Angaben hat Crem Solutions die Umsätze im ersten Halbjahr im Vergleich zum Vorjahr um 17,5 Prozent gesteigert. Das größte Wachstum hat das Unternehmen demnach mit Umsätzen aus Lizenzen, sowohl aus der Neukundengewinnung als auch aus dem Nachverkauf an Bestandskunden, erwirtschaftet. Die Haufe Group mit ihrem immobilien- und wohnungswirtschaftlichen Softwareportfolio meldete im August für das zurückliegende Geschäftsjahr mehr als 200 Neukunden. Der Zuwachs wurde neben dem webbasierten ERP-System Haufe-FIO axera auch bei den On-Premises-Lösungen Haufe wowinex und Haufe PowerHaus verzeichnet.
Property Management Software: Nachholbedarf bei der Anwenderfreundlichkeit
Der Markt ist sehr heterogen. Neben ERP-Anbietern finden sich CAFM-Hersteller und eine kaum überschaubare Anzahl von Herstellern für Speziallösungen. Unter den Software-Systemen für die Verwaltung von gewerblichen Immobilien findet seit Jahren ein Verdrängungswettbewerb statt, in dem immer wieder Software-Anbieter aufgekauft werden oder vom Markt verschwinden. Zum Beispiel hat im Jahr 2016 der internationale Branchenriese Yardi Systems über seine deutsche Tochter die renommierte Immobilien-Management-Systeme (iMS) in Mainz übernommen.
Gleichzeitig drängen seit einiger Zeit PropTech-Startups mit webbasierten Speziallösungen, wie Mieter- und Kundenportalen, Dokumentenmanagement oder mobilen Lösungen, auf dieses Feld und haben dadurch das Partnering, also die Themen Kooperation und Schnittstellen, in den Fokus gerückt. Außerdem gibt es Potenzial in der Fläche zu erschließen.
Etwa ein Drittel der Immobilienunternehmen arbeitet noch immer mit selbstgestrickten Lösungen oder Excel-Tabellen.
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Ralf-Stefan Golinski, Vorsitzender des Branchenverbands CAFM-Ring, teilt den Markt in drei Arten von Anbietern ein: Die einen fokussieren sich auf einzelne Prozesse wie Vermietung, Mängelmanagement und Transaktionen oder auf konkrete Zielgruppen, wie Büroimmobilien, Logistikimmobilien oder Krankenhäuser.
Andere versuchen mit ihren Lösungen den gesamten Lebenszyklus von Immobilien und technischen Anlagen abzudecken.
„Ich kenne auch nach fast 20 Jahren noch keine Verwaltungslösung, die diesem Anspruch und insbesondere der Erwartung der Kunden in Bezug auf Anwenderfreundlichkeit gerecht geworden ist.“ Ralf-Stefan Golinski, Vorsitzender des Branchenverbands CAFM-Ring
Schließlich gebe es eine kleine Reihe von Anbietern, die bereit seien, sich in die IT-Landschaft ihrer Kunden zu integrieren und dabei auf international anerkannte Standards in den Datenstrukturen, auf offene Schnittstellen und den praktischen Einsatz setzten – On-Premises, im Web, mit SaaS und mobil.
Property Management Software: On-Premises oder Web?
Bislang ist das Thema Software as a Service bei ERP- und CAFM-Systemen jedoch noch immer eine Randerscheinung. Auch das Dokumentenmanagement setzt sich nur langsam durch. Im Bereich der ERP-Systeme sieht Matthias Lampatz, Geschäftsführer in der GIT-Gruppe, „gefühlt eine Konsolidierung“. Gleichzeitig seien im letzten Jahr einige Start-ups auf den Markt gekommen, die rein auf die Cloud setzen. Das findet Lampatz zwar interessant, aber „wir gehen davon aus, dass ein Großteil der Arbeit bei unseren Kunden in den nächsten Jahren weiterhin so durchgeführt wird wie bisher. Es gibt Randbereiche, die definitiv ins Web wandern werden, wie Schadensmeldungen und das Beschwerdemanagement, aber das kompensieren wir über Schnittstellen. Der Aufwand, ein Programm wie Relax in die Cloud zu bringen, ist sehr groß. Natürlich können wir uns dem Thema nicht verschließen, aber der Nutzen muss im Mittelpunkt stehen“. Ähnlich sieht das Ralf Herbergs, der bei mse für den Vertrieb der Software RELion zuständig ist.
„On-Premises ist kein Dogma. Die Antwort, ob die Cloud genutzt wird oder nicht, ergibt sich für unsere Kunden meist von selbst aus einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung.“ Ralf Herbergs, mse Vertrieb Software RELion
Zunehmende Nachfrage nach Digitalem
Bei Aareon hingegen hat man eine zunehmende Nachfrage nach digitalen Lösungen in den Bereichen Kundenportale, Dokumentenmanagementsysteme und automatisierter Rechnungsservice registriert. „Wir verstehen uns als Vorreiter für die Digitalisierung in der Immobilienwirtschaft“, betont Vorstandsvorsitzender Dr. Manfred Alflen. Zum Jahresende 2016 haben sich ihm zufolge in Deutschland schon 150 Kunden für die mobilen Services entschieden. Hierzu zählen insbesondere die Wohnungsabnahme sowie das Bestandsdaten- und Auftragsmanagement.
Auch bei Haufe sieht man webbasierte Lösungen auf dem Vormarsch. Im Oktober 2016 vermeldeten die Freiburger eine Kooperation mit FIO Systems, einem Spezialanbieter webbasierter Branchenlösungen für die Finanz- und Immobilienwirtschaft. Unter der neuen Marke Haufe-FIO axera bieten die Unternehmen seitdem eine webbasierte ERP-Lösung an.
„Wir bieten eine ausgereifte Weblösung, die heutige und zukünftige Anforderungen in der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft abdeckt.“ Dr. Carsten Thies, Geschäftsführer Haufe Group
Seit Juni 2017 entwickeln Haufe und FIO Systems als Technologiepartner mit dem Proptechs QIVALO gemeinsam tiefgreifende ausschließlich digitale Abrechnungsprozesse. „Viele Kunden haben die Zeichen der Zeit erkannt und gehen den ersten Schritt in Sachen Digitalisierung“, ist Dr. Christian Westphal, Geschäftsführer von Crem Solutions, überzeugt. „Mit iX-Haus und dem vollständig integrierten Dokumentenmanagementsystem unseres Partners DocuWare unterstützen wir sie dabei. Das wirkt sich natürlich auch unmittelbar auf unser Umsatzwachstum aus.“
Immoware24 setzte von Beginn an – seit 2008 – komplett auf das Web. Die SaaS-Lösung hat für dieses Jahr neue Portale für Mieter und Eigentümer angekündigt. Im nächsten Jahr soll ein Handwerkerportal folgen. Später sollen die Portale durch eine App, zum Beispiel für mobile Schadensmeldungen, ergänzt werden. Für Bewohner, die kein Smartphone benutzen, entwickelt Immoware24 ein virtuelles Schwarzes Brett. Mitgesellschafter und Geschäftsführer Ronny Selzer: „Dieses Jahr haben wir eine Datev-Schnittstelle entwickelt, das Onlinebanking um bankenunabhängige virtuelle Konten erweitert, die Verwalterhonorarabrechnung, konfigurierbare Anwendungs-Layouts, viele neue Funktionen und Verbesserungen in die Software eingefügt und werden bis Jahresende die Portale und einen Mieterhöhungsassistenten mit Mietspiegeln online stellen.“
Die Herausforderungen: Transparenz und Datensicherheit
Zu den großen Herausforderungen für Immobilienunternehmen gehört es, die eigenen Prozesse zu hinterfragen und zu optimieren. In der Regel reicht es nämlich nicht aus, eine neue Software zu installieren. Mit neuen Workflows müssen die Prozesse im Unternehmen überdacht und standardisiert werden. Und hier sieht Lampatz noch Nachholbedarf.
„Nur ein Drittel der Immobilienunternehmen setzt überhaupt ein Dokumentenmanagementsystem ein.“ Matthias Lampatz, Geschäftsführer in der GIT-Gruppe
Folgerichtig sieht Golinski eine Hauptaufgabe der Software-Anbieter darin, über alle Kanäle und auf allen Endgeräten Datensicherheit und Datentransparenz zu ermöglichen. Herbergs geht für RELion noch einen Schritt weiter. „Die Software muss selbsterklärender werden und alles, was der Anwender falsch machen könnte, im Vorfeld bereits wissen. Und dann muss sie dafür sorgen, dass im Hintergrund diese Fehler korrigiert werden.“ Auch für Lampatz liegt die Anwenderfreundlichkeit in mehr Ergonomie und Workflows. Das gelte gerade für Prozesse, die zwar wiederkehren, aber nicht zum alltäglichen Geschäft gehören. „Nach einem Jahr hat jeder User vergessen, wie ein bestimmter Prozess funktioniert. Dann ist es im Grunde so, als ob ein ungeschulter Anwender diese Funktion ausführt. Deshalb braucht er dort ein paar Leitplanken“, so der GIT-Geschäftsführer.
Die digitale Entwicklung lässt sich nicht mehr aufhalten
Für die Software-Anbieter steht längst fest, dass sich die digitale Entwicklung nicht mehr aufhalten lässt. Sie beeinflusst die Immobilienwirtschaft nachhaltig. Es gibt kein Zurück mehr. Jetzt sollten nur noch 90 Prozent der Marktteilnehmer sich in die Lage versetzen, diesen Prozess auch aktiv steuern zu können.
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