BGH: Öffentliche Zustellung an Wohnungseigentümer

Eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann eine Klage gegen einen Miteigentümer unbekannten Aufenthalts erst dann öffentlich zustellen lassen, wenn sie erfolglos versucht hat, die ihr bekannten Wege zur Kontaktaufnahme auszuschöpfen.  

Hintergrund: GdWE veranlasst öffentliche Zustellung

Eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) verlangt von einem ihrer Mitglieder im Zusammenhang mit Sonderumlagen und Jahresabrechnungen Zahlung von 59.300 Euro. Das Amtsgericht hatte den Eigentümer durch Versäumnisurteil zur Zahlung verurteilt und den Einspruch des Eigentümers hiergegen verworfen. Das Landgericht bestätigte diese Entscheidung. Hiergegen wendet sich der Eigentümer vor dem BGH.

Die Klage und das Versäumnisurteil waren im Wege der öffentlichen Zustellung zugestellt worden. Vorangegangen war der erfolglose Versuch der GdWE, dem Eigentümer das Protokoll einer Eigentümerversammlung an die ihr bekannte Anschrift zuzustellen. Darauf hatte sich ein Rechtsanwalt gemeldet und eine Adresse des Eigentümers in Tschechien angegeben, wo sich dieser berufsbedingt aufhalte. Gleichzeitig kündigte der Anwalt an, alsbald eine Adresse mitzuteilen, an die Zustellungen erfolgen könnten; dies unterblieb dann aber. 

Die GdWE holte sodann eine Auskunft des Einwohnermeldeamts ein, wonach die Anschrift des Eigentümers nicht ermittelt werden konnte. Mithilfe dieser Auskunft erwirkte die GdWE die öffentliche Zustellung der Klage, ohne zuvor zu versuchen, den Eigentümer über eine ihr bekannte E-Mail-Adresse zu erreichen.

Der Eigentümer, der zwischenzeitlich von der Klage und dem Urteil Kenntnis erhielt, meint, die öffentliche Zustellung der Klage und des Versäumnisurteils seien unzulässig gewesen. Er sieht seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt.

Entscheidung: Gemeinschaft muss Kontaktmöglichkeiten ausschöpfen

Der BGH teilt die Auffassung des Eigentümers. Die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung lagen nicht vor. Die GdWE hat nicht alle geeigneten und ihr zumutbaren Nachforschungen angestellt, um den Aufenthalt des Eigentümers zu ermitteln und eine öffentliche Zustellung zu vermeiden.

Die Zustellung einer Klage oder eines Urteils kann durch öffentliche Bekanntmachung (öffentliche Zustellung) erfolgen, wenn der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist. Das ergibt sich aus § 185 Nr. 1 ZPO. Unbekannt ist der Aufenthalt einer Person nur dann, wenn nicht nur das Gericht, sondern auch die Allgemeinheit den Aufenthalt des Zustellungsadressaten nicht kennt.

An die Feststellungen, dass eine Person unbekannten Aufenthalts ist, sind hohe Anforderungen zu stellen. Dabei ist es Sache der Partei, die durch die Zustellung begünstigt wird (hier der GdWE), alle geeigneten und ihr zumutbaren Nachforschungen anzustellen, um den Aufenthalt des Zustellungsempfängers zu ermitteln und ihre ergebnislosen Bemühungen gegenüber dem Gericht darzulegen. Allein die ergebnislose Anfrage beim Einwohnermeldeamt genügt hierfür in der Regel nicht.

Der GdWE war eine Adresse in Tschechien bekannt, der sie nicht weiter nachgegangen ist. Allein der Ankündigung, alsbald eine Zustellungsanschrift mitzuteilen, konnte die GdWE nicht mit Sicherheit entnehmen, dass die Adresse in Tschechien nicht mehr gültig war.

Außerdem lag der GdWE eine E-Mail-Adresse des Eigentümers vor. Es wäre für sie möglich und zumutbar gewesen, den Eigentümer per E-Mail zu kontaktieren und ihn mit Blick auf die beabsichtigte Klageerhebung aufzufordern, eine Zustelladresse anzugeben oder einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen.

Da die Voraussetzungen für eine offizielle Zustellung nicht vorlagen, war der Anspruch des Eigentümers auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Nun muss das Landgericht, an das die Sache zurückverwiesen wurde, prüfen, ob die Einwendungen des Eigentümers, die dieser gegen das Zahlungsverlangen vorbringt, berechtigt sind. 

(BGH, Beschluss v. 22.2.2024, V ZR 117/23)


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