Die Zumutbarkeit von Lärmimmissionen ist gesetzlich in der TA-Lärm geregelt, die dem Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche dient. Die TA-Lärm gilt aber nicht für den Lärm, den temporäre Freizeitveranstaltungen verursachen.

Freizeitaktivitäten sind den Regelungen durch das Immissionsschutzrecht zugänglich, soweit sie an einem bestimmten Ort stattfinden, der eine Anlage i. S. d. § 22 BImSchG darstellt. Von diesem Anlagenbezug geht die Freizeitlärmrichtlinie aus.

Die vom Länderausschuss für Immissionsschutz (LAI) beschlossene Freizeitlärmrichtlinie ist das Ergebnis langjähriger Beratungen von Fachleuten der Bundes- und Länderverwaltung, die in der aktuellen Fassung vom 6.3.2015 anzuwenden ist. Wegen des in die Ausarbeitung der Richtlinie eingebrachten Sachverstands verstehen die Gerichte sie zwar nicht als verbindliche Vorgabe für ihre Entscheidungen wie die Sportanlagen-LärmschutzVO. Sie gilt ihnen aber als Orientierungs- und Entscheidungshilfe mit Indizcharakter[1] unabhängig davon, ob sie durch Ländererlasse als für die Verwaltung verbindlich umgesetzt worden ist oder nicht.

Als Orientierungshilfe kann die Freizeitlärmrichtlinie zur Bestimmung der Grenze der Zumutbarkeit herangezogen werden, wenn sie für die Beurteilung der Erheblichkeit einer Lärmbelästigung im konkreten Streitfall brauchbare Anhaltspunkte liefert. Die Richtlinie darf jedoch nicht schematisch angewendet werden. Die Zumutbarkeitsgrenze ist aufgrund einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu bestimmen.[2]

1.1 Freizeitanlagen gemäß der Richtlinie

Die Freizeitlärmrichtlinie versteht unter Freizeitanlagen Einrichtungen i. S. v. § 3 Abs. 5 Nr. 1 und 3 BImSchG, "die dazu bestimmt sind, von Personen zur Gestaltung ihrer Freizeit genutzt zu werden".

Einrichtungen

Einrichtungen in diesem Sinne sind zum einen Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen sowie zum anderen auch Grundstücke, wenn sie nicht nur gelegentlich zur Freizeitgestaltung bereitgestellt werden, wie etwa die Wiese eines Landwirts für ein einmaliges Jahrhundertereignis in der Art eines deutschen Woodstock.

Die als Anlagen geltenden Grundstücke können auch Flächen sein, die sonst etwa der Sportausübung, dem Flugbetrieb oder dem Straßenverkehr dienen. Insgesamt geht die Freizeitlärmrichtlinie von einem weit gefassten Anlagenbetrieb aus. Dementsprechend mannigfach sind auch die folgenden in der Richtlinie beispielhaft aufgeführten Anlagen.

  • Grundstücke, auf denen in Zelten oder im Freien Diskothekenveranstaltungen, Lifemusikdarbietungen, Rockmusikdarbietungen, Platzkonzerte, regelmäßige Feuerwerke, Volksfeste oder ähnliche Veranstaltungen stattfinden
  • Spielhallen,
  • Rummelplätze,
  • Freilichtbühnen,
  • Autokinos,
  • Freizeitparks,
  • Vergnügungsparks,
  • Abenteuer-Spielplätze (Robinson-Spielplätze, Aktiv-Spielplätze),
  • Sonderflächen für Freizeitaktivitäten, zum Beispiel Grillplätze,
  • Badeplätze,
  • Erlebnisbäder, auch soweit sie in Verbindung mit Hallenbädern als Außenanlagen betrieben werden,
  • Anlagen für Modellfahrzeuge, Wasserflächen für Schiffsmodelle,
  • Sommerrodelbahnen,
  • Zirkusse,
  • Hundedressurplätze.

1.2 Freizeitanlagen gemäß der Rechtsprechung

Zusätzlich zu den in der Freizeitlärmrichtlinie beispielhaft aufgeführten Anlagen wurde von den Gerichten in folgenden Fällen ebenfalls die Eigenschaft als Freizeitanlage bejaht:

  • Fastnachtsumzug[1]
  • Karnevals- und Kirmesveranstaltungen[2]
  • Kommunales Bürgerhaus[3]
  • Kommunale Mehrzweckhalle[4]
  • Jahrmarkt[5]
  • Mehrtägiges Seefest[6]
  • Minigolf-Anlage[7]
  • Modellflugplatz[8]
  • Open-Air-/Freiluftkonzert[9]
  • Skater-Anlage[10]
  • Spielplatz mit zahlreichen Spiel- und Sportgeräten[11]
  • Stadthalle mit Jugendhaus und Sporthalle[12]

Abgrenzung zum Sportlärm

Das Beispiel "Modellflugplatz" macht deutlich, dass den Gerichten vor allem die Abgrenzung zwischen der Sportausübung und anderen Freizeitaktivitäten Schwierigkeiten bereitet. Das hat zum einen seinen Grund darin, dass in der Sportanlagen-LärmschutzVO eine allgemein anerkannte Definition des Begriffs "Sport" fehlt. Zum anderen unterliegen Freizeitanlagen nach der Freizeitlärmrichtlinie allgemein strengeren Anforderungen als Sportanlagen nach der Sportanlagen-LärmschutzVO. Erstere kennt etwa keinen Lärmbonus für bestimmte Anlagentypen. Deshalb liegt es schon von den gegenläufigen Interessenlagen her nahe, dass sich der lärmgeplagte Nachbar eher auf das strengere Regelwerk der Freizeitlärmrichtlinie beruft, wohingegen der Anlagenbetreiber in den Genuss der Vorteile der Sportanlagen-LärmschutzVO kommen will.

 
Praxis-Beispiel

Freibäder: Freizeitlärmrichtlinie oder 18. BImSchV?

Nach Auffassung des VGH München erfüllt ein Freibad auch dann den Sportanlagenbegriff des § 1 Abs. 2 der Sportanlagen-LärmschutzVO (18. BImSchV), wenn nicht die wettkampforientierte Sportausübung im Vordergrund steht, sondern die Ausübung des Breitensports "Schwimmen" durch die Allgemeinheit. Dies gilt nach Meinung d...

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