Entscheidungsstichwort (Thema)

Anerkennung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit nach Nr. 2108 BKV

 

Orientierungssatz

1. Zur Anerkennung einer Berufskrankheit ist die Bejahung eines doppelten ursächlichen Zusammenhanges erforderlich. Die gesundheitsgefährdende schädigende Einwirkung muss ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen sein und diese Einwirkung muss die als Berufskrankheit zur Anerkennung gestellte Krankheit verursacht haben.

2. Zur Anerkennung einer Erkrankung der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der BKV muss der Versicherte physikalischen Einwirkungen während seines Berufslebens ausgesetzt gewesen sein. Maßgeblich sind die Konsensempfehlungen.

3. Die berufliche Belastung muss eine plausible zeitliche Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung aufweisen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 13.07.2017; Aktenzeichen B 2 U 37/17 B)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beklagte hat 1/4 der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten sich über die Anerkennung von Berufskrankheiten nach der Nr. 2108 und Nr. 2110 der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung (BKV).

Der 1967 geborene Kläger war in der Zeit vom 01.08.1984 bis zum 01.04.1986 als Zimmerer bei der Firma C. in C-Stadt beschäftigt. Seit 1988 war der Kläger als Kraftfahrer bzw. Müllwerker und -fahrer tätig bei verschiedenen Firmen:

Datum

Betrieb

15.11.1988 - 28.02.1991        

D. Entsorgungs-GmbH

01.04.1992 - 19.06.1992

F. GmbH

16.07.1992 - 06.12.1993

F. G.

01.02.1994 - 31.12.1995

AEV F. H Abfall-Entsorgung und Verwertungsgesellschaft mbH

01.01.1996 - 30.11.1999

WMD I. & J., Niederlassung A-Stadt

24.01.2000 - 30.09.2000

K. GmbH

23.10.2000 - 22.10.2001

L. Süd-West eG

16.04.2002 - 15.04.2003

M. GmbH

16.04.2003 - 15.04.2004

N. Städtereinigung GmbH & Co. KG

Nachdem der Kläger am 23.01.2008 telefonisch bei der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen, der Rechtsvorgängerin der Beklagten, eine Erkrankung der Lendenwirbelsäule angezeigt hatte, begann diese ein entsprechendes Feststellungsverfahren. Es wurden u.a. Berichte über CT-Aufnahmen beigezogen, aus denen sich ein Nachweis eines linksmediolateral betonten Bandscheibenvorfalls im Segment LWK4/5 ergab. Nachdem der beratende Arzt Dr. O. in seiner Stellungnahme von 16.03.2008 ein belastungskonformes Schadensbild nicht erkennen konnte und eine berufsbedingte Verursachung der Bandscheibenerkrankung auch unter Berücksichtigung der beruflichen Anamnese nicht für wahrscheinlich hielt, lehnte die Beklagten mit Bescheid vom 19.03.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2009 die Feststellung einer Berufskrankheit nach den Nummern 2108 oder 2110 der BKV ab.

Dagegen hat der Kläger am 09.03.2009 Klage zum Sozialgericht Darmstadt erhoben. Zur Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen hat die Kammer die in der Gerichtsakte zum Rentenverfahren des Klägers mit dem Aktenzeichen befindlichen medizinischen Gutachten beigezogen sowie ein Sachverständigengutachten bei dem Orthopäden und Sozialmediziner Dr. P. in Auftrag gegeben. Der Sachverständige hat nach Erhalt des Gutachtenauftrags mitgeteilt, dass er eine Ermittlung der Arbeitsplatzbelastungen hinsichtlich der geltend gemachten Berufskrankheiten entsprechend dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) für erforderlich halte. Diese Ermittlungen hat die Beklagte im Folgenden vorgelegt unter Einbeziehung ihres Präventionsdienstes, des Präventionsdienstes der für die Tätigkeiten des Klägers für die R. Personal-Leasing GmbH zuständigen Verwaltungs-BG (VBG), des Präventionsdienstes der Berufsgenossenschaft Handel- und Warendistribution (BGHW; für die Tätigkeiten des Klägers für die Firma S. Süd-West eG und die T. GmbH) und des Präventionsdienstes der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM; für die Tätigkeit des Klägers bei der Firma U.). Insgesamt ergab sich nach dem MDD eine Lebensbelastungsdosis des Klägers von 21,3 MNh. In seinem Sachverständigengutachten vom 15.02.2012 hat der Sachverständige Dr. D. daraufhin als Gesundheitsbeeinträchtigung bei dem Kläger festgestellt:

1. "Wiederkehrendes Lendenwirbelsäulensyndrom mit lumboischialgieformer Schmerz- und Reizsymptomatik bei kernspintomographisch nachgewiesenem Bandscheibenvorfall in Höhe L4/5 ohne wesentliche knöcherne Begleitreaktion in Form einer Spondylosenbildung mit Wirbelgelenksverschleißveränderungen in Höhe L4/5, L5/S1 sowie Kreuzdarmbeinfugenasymmetrie leichtgradig zu Ungunsten links, leichtgradige Lendenwirbelsäulenseitverbiegung linksseitig mit korrespondierenden thorakolumbalen Gegenschwung rechtsseitig.

2. Initiale Verschleißveränderungen der untern Halswirbelsäule der Etage C6/7 klinisch kompensiert."

Der Sachverständige hat eine Berufskrankheit zur Anerkennung vorgeschlagen, weil bei dem Kläger ein mehr als deutliches Überschreiten des hälftigen Richtwertes von 12,5 MNh vorliege sowie konkurrierende Ursachen fehlten. Nach Einwänden der Beklagten bzw. ihres Prävention...

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