Nießbrauch: Nutzungsrechte (fast) geschenkt

Bäumchen wechsel dich: Frei nach diesem Motto gehen häufig Eltern und Kinder aus steuerlichen Gründen bei der Übertragung von Haus und Grund vor. Innerhalb der Familie lassen sich auf diese Weise Einkünfte verlagern und die Steuerlast reduzieren. Nießbrauch heißt das Zauberwort, mit dem die Immobilie den Eigentümer wechselt, die Nutzungsrechte aber bei den Eltern bleiben. Was das für die Höhe der individuellen Schenkungsteuer bedeutet, hat nun das Finanzgericht Münster ermittelt.

Irgendwann stellt sich für fast jeden Immobilienbesitzer mit Kindern die Frage: Soll ich das Haus oder die Wohnung meinen Kindern übertragen? Und wenn ja, wann und auf welche Weise? Wer sich nicht ganz von der Immobilie oder dem Grundstück trennen mag, wählt häufig die Variante des Nießbrauchs. Mit dem Nießbrauch behält der alte Besitzer das Recht, sämtliche Nutzungen – und damit auch sämtliche Erträge – aus dem Grundbesitz zu ziehen. Tochter oder Sohn sind zwar die neuen Eigentümer, aber der Nießbraucher darf den Grundbesitz weiterhin selbst nutzen oder vermieten. Verkaufen allerdings darf er ihn nicht.

Für steuerliche Anerkennung des Nießbrauchs muss ein zivilrechtlich wirksamer Vertrag geschlossen werden

Beim Nießbrauch wechselt die Immobilie also nur den Eigentümer. Die Nutzungsrechte bleiben beim vorherigen Eigentümer – entweder ganz oder teilweise. Damit ein Nießbrauch steuerlich anerkannt wird, muss ein zivilrechtlich wirksamer Vertrag geschlossen werden – inklusive der Eintragung ins Grundbuch. Außerdem muss der Nießbrauch gelebt werden, sprich die Eltern müssen tatsächlich die Immobilie nutzen dürfen. Das bedeutet beispielsweise bei einer Vermietung, dass ihnen die Einnahmen auch tatsächlich zufließen.

Eigentümerwechsel bei Nießbrauch hat einkommensteuerliche wie auch schenkungsteuerliche Auswirkungen

Häufig wird die Form des Nießbrauchs genutzt, um die vorweggenommene Erbfolge zu gestalten. Damit hat der Eigentümerwechsel nicht nur einkommensteuerliche, sondern auch schenkungsteuerliche Auswirkungen. Auch in einem Fall, den jetzt das Finanzgericht Münster zu entscheiden hatte, ging es um die Frage der Bemessungsgrundlage für die Schenkungsteuer. Die Eltern hatten ihrem Sohn Grundbesitz übertragen. Als Gegenleistungen behielten sie sich einen lebenslänglichen Nießbrauch an allen bebauten Grundstücken vor. Danach waren sie berechtigt, sämtlichen Nutzen zu ziehen, aber auch verpflichtet, sämtliche privaten und öffentlichen Lasten zu tragen. Der neue Eigentümer übernahm zwar die auf dem Grundbesitz lastenden Verbindlichkeiten in dinglicher und persönlicher Hinsicht. Für die Zeit des Nießbrauchs wurde jedoch vereinbart, dass die Eltern die Tilgungs- und Zinsleistungen übernahmen.

Mit der Klage versuchte der Sohn nun, die Festsetzung der Schenkungsteuer zu ändern. Dabei war bei der Ermittlung des Schenkungswerts der Eltern der Nießbrauch jährlich bewertet und die von den Eltern übernommenen Darlehensverbindlichkeiten berücksichtigt worden. Denn das Finanzamt vertrat den Standpunkt, dass die betreffenden Zins- und Tilgungsleistungen weiterhin von den Eltern erbracht würden. Der Sohn jedoch verlangte, die jährlichen Berechnungen für den Nießbrauch ohne die Zinszahlungen zu ermitteln.

Bei der jährlichen Berechnung des Nießbrauchs ist von Nettobeträgen auszugehen

Dem stimmte das Finanzgericht Münster nicht zu (Az. 3 K 2711/13 Erb). Bei der Berechnung des Jahreswerts von Nießbrauchsrechten sei von Nettobeträgen auszugehen. Es müssten daher alle laufenden Aufwendungen abgezogen werden, die dem Nießbraucher entstehen. Dazu gehörten auch Zinsen aus Hypothekenforderungen oder Grundschulden. Laut Finanzgericht lässt sich dies auf die Kurzformel bringen, dass der Wert von Nießbrauchsrechten an Immobilien wie Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung ermittelt werden kann. Auch dabei sind zu zahlende Zinsen abzuziehen.

Übrigens: Obwohl das Finanzgericht Münster in seiner Urteilsbegründung mehrfach auf Entscheidungen des Bundesfinanzhofs verwies, ließ es die Revision „zur Fortbildung des Rechts“ zu.

Praxis-Tipp: Lasten und Aufwendung kann der Nießbraucher als Werbungskosten bei Vermietung des Objekts abziehen

Für den Nießbraucher ist es aus Einkommensteuersicht von Vorteil, sich zur Übernahme der gesamten Lasten und Aufwendungen zu verpflichten. Diese kann er dann bei Vermietung des Objekts als Werbungskosten abziehen.