ESMA-Enforcementreport 2020 veröffentlicht

Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) sieht in ihrem aktuellen Bericht in vielen Bereichen der IFRS Verbesserungsbedarf, insbesondere bei der Anwendung von IFRS 16.

Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) hat am 6. April 2021 ihren Bericht Enforcement and regulatory activities of European Enforcers in 2020 veröffentlicht. Dieser enthält Informationen zu durchgeführten Enforcements innerhalb von Europa in 2020 auf Basis der European Common Enforcement Priorities 2019.

Aufgriffsquote vergleichbar zum Vorjahr

Es wurden insgesamt 729 EU-IFRS-Emittenten von den zuständigen nationalen Enforcement-Stellen im Jahre 2020 geprüft (Vorjahr: 810).

  • In Bezug auf die finanzielle Berichterstattung waren ca. 17 % aller IFRS-Emittenten (Vorjahr: 19 %), deren Aktien in regulierten Märkten in Europa gehandelt werden, von Enforcement-Untersuchungen betroffen. Diese Untersuchungen führten zu 265 Durchsetzungsmaßnahmen, bei denen in der unternehmensspezifischen Bilanzierung wesentliche Abweichungen von den IFRS festgestellt wurden (Vorjahr: 253). Dies entspricht einer Quote von ca. 38 % (Vorjahr: 33 %). Wie in der Vergangenheit wurden Mängel überwiegend im Bereich der Finanzinstrumente (IFRS 9), der Wertminderung von nichtfinanziellen Vermögenswerten (IAS 36), der Umsatzerlösrealisation (IFRS 15) sowie der Darstellung des Abschlusses (IAS 1) festgestellt.
  • Soweit die nationalen Enforcement-Stellen auch für die Überprüfung der nicht-finanziellen Berichterstattung zuständig sind, enthält der ESMA-Bericht ebenfalls Informationen über den Ausgang dieser Untersuchungen. Untersucht wurde die nicht-finanzielle Berichterstattung von insgesamt 737 Emittenten (Vorjahr: 904), was ca. 37 % der geschätzten Gesamtzahl der betroffenen Emittenten entspricht (Vorjahr: 45 %).

Enforcement-Aktivitäten lassen Verbesserungsbedarf bei der Anwendung von IFRS 16 erkennen

Neben den allg. Enforcement-Aktivitäten wurden Abschlüsse auch speziell auf Basis der European Common Enforcement Priorities (ECEP) 2019 überprüft. Die ECEP 2019 wurden am 22. Oktober 2019 veröffentlicht und umfassten spezifische Fragen im Zusammenhang mit der Anwendung von IFRS 16, der Anwendung von IFRS 9 bei Kreditinstituten und IFRS 15 bei Industrieunternehmen sowie Fragen im Zusammenhang mit der Anwendung von IAS 12 (einschließlich der Anwendung von IFRIC 23). Der Stichprobenumfang umfasste 101 Abschlüsse.

Mit Bezug auf die Erstanwendung von IFRS 16 kam es allein zu 18 Durchsetzungsmaßnahmen bei 84 kontrollierten Abschlüssen, wobei 13 Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind. U. a. wurde Folgendes festgestellt:

  • 95 % der Emittenten aus der Stichprobe wählten den modifizierten retrospektiven Ansatz, nur 5 % den vollen retrospektiven Ansatz. 83 %, die den modifizierten Ansatz wählten, haben ausreichende und unternehmensspezifische Angaben zum Übergang nach IFRS 16.C12a) (gewichteter Durchschnittswert des Grenzfremdkapitalzinssatzes zum Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung) getätigt. Bei 13 % waren die Informationen unzureichend, 4 % machten gar keine Angaben. 92 % machten Angaben zu den gewählten praktischen Behelfen nach IFRS 16.C10.
  • Fast alle Unternehmen der Stichprobe verwendeten für die Diskontierung der Leasingverbindlichkeit den Grenzfremdkapitalzinssatz (lessee’s incremental borrowing rate). 22 % der in die Untersuchung einbezogenen Unternehmen verwendeten den internen Zinssatz (interest rate implicit in the lease), sofern dieser ohne Weiteres bestimmbar war. Unternehmensspezifische Anpassungen an den Grenzfremdkapitalzinssatz wurden von 40 % der Unternehmen vorgenommen. 16 % der Unternehmen nahmen keine Änderung vor und 45 % der Unternehmen machten hierüber keine Angaben.
  • Nur 15 % der Emittenten machten zusätzliche Angaben für die Durchführung von Wertminderungstests im Zusammenhang mit der Bilanzierung von Leasingverhältnissen. Zu den notwendigen (unternehmensspezifischen) Angaben nach IFRS 16 sind bei 15 % nur sog. boiler plate Angaben zu finden, 8 % der Unternehmen machten sogar gar keine Angaben.

Zu IFRIC 23 werden überwiegend unternehmensspezifische Angaben geleistet

Untersuchungen erstreckten sich bei 19 Emittenten auch auf die Erstanwendung des IFRIC 23 sowie den Änderungen in Bezug auf IAS 12. Durchsetzungsmaßnahmen wurden jedoch nicht ergriffen, wobei drei Untersuchungen noch laufen. Bei der Erstanwendung des IFRIC 23 wurde von ca. 75 % Unternehmen der modifizierte retrospektive Ansatz gewählt. Im Anhang gaben 71 % Unternehmen unternehmensspezifische Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden an, 29 % der Betroffenen wiederholten lediglich den Wortlaut des Standards (boiler plate). 14 % der untersuchten Abschlüsse wiesen unsichere Steuerpositionen separat in der Bilanz aus.

Die Durchführung einer Studie zur spezifischen Anwendung des ECL-Modells des IFRS 9 bei Kreditinstituten wurde aufgrund ungeplanter Aktivitäten im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie in das Jahr 2021 verschoben. Aus dem gleichen Grund wurde die Überprüfung der Anforderungen in Bezug auf latente Steueransprüche aus steuerlichen Verlustvorträgen verschoben.

In Bezug auf die Anwendung von IFRS 15 lagen die meisten Fragen vor allem bei der Beurteilung, ob ein Unternehmen als Agent oder Prinzipal handelt, die Aufteilung des Transaktionsbetrags auf mehrere Leistungsverpflichtungen, den Zeitpunkt der Umsatzerfassung unter bestimmten Umständen sowie der Erläuterung bzw. Zusammensetzung der Umsatzerlöse. 

Überprüfung von nicht-finanziellen Informationen weiterhin relevant

Die ordnungsgemäße Darstellung von finanziellen Informationen zählte ebenfalls zu den Prüffeldern der ESMA. Hier wurden 611 Lageberichte auf die Einhaltung der einschlägigen ESMA-Richtlinien für alternative Erfolgskennzahlen (sog. APMs) geprüft. Dies betraf ca. 14 % aller nach IFRS bilanzierenden und kapitalmarktorientierten Emittenten in Europa. Es wurden 93 korrigierende Maßnahmen ergriffen (Quote: 15 %).

In Bezug auf die nicht-finanziellen Informationen im Zusammenhang mit umweltbezogenen, sozialen und Governance-Aspekten führten die Untersuchungen der zuständigen europäischen Enforcement-Stellen in 42 Fällen zu Durchsetzungsmaßnahmen.

Praxistipp

Die Zusammenarbeit der nationalen Durchsetzungs- bzw. Aufsichtsbehörden auf europäischer Ebene ist unstrittig notwendig, letztlich auch, um allen EU-Unternehmen gleiche Rahmenbedingungen in Bezug auf die Durchsetzungsaktivitäten zu verschaffen. Die Darstellung der überprüften Themen in der Rechnungslegung zeigt hierbei Problembereiche auf, die Unternehmen – sofern einschlägig – bei ihrer Berichterstattung zwingend berücksichtigen sollten.


Weitere Inhalte:

ESMA Report - Enforcement and regulatory activities of European enforcers in 2020 (pdf-Dokument)

Schlagworte zum Thema:  ESMA, IFRS