Rz. 54

Ist die Voranmeldung nicht bis zum 10. des Monats (vgl. Rz. 42) eingegangen, so kann das FA die Übermittlung der Voranmeldung unter Fristsetzung anfordern. Dabei kann es gleichzeitig ein Zwangsgeld androhen[1] und, falls der Unternehmer die gesetzte Frist nicht einhält, die Übermittlung der Voranmeldung durch Auferlegung eines Zwangsgelds, das 25.000 EUR nicht übersteigen darf[2], erzwingen. Bei Nichtbefolgen der Anordnung auf Übermittlung mehrerer Steuererklärungen (Steueranmeldungen) kann das FA dem Unternehmer für die Übermittlung jeder einzelnen Steuererklärung ein gesondertes, gleich hohes Zwangsgeld) auferlegen.[3] Das FA macht von dieser gesetzlichen Möglichkeit auf dem Gebiet der USt jedoch wenig Gebrauch. Es wird vielmehr i. d. R. den Unternehmer zunächst auf die Versäumnis der Übermittlung seiner Voranmeldung hinweisen und eine Nachfrist setzen. Bei Nichteinhaltung dieser Frist wird das FA die Besteuerungsgrundlagen schätzen, die zu entrichtende Steuer berechnen und die Vorauszahlung festsetzen.

 

Rz. 55

Mit der Einführung des sog. Mehrwertsteuersystems ab 1.1.1968 hat sich bei der Festsetzung von Vorauszahlungen durch das FA die Frage ergeben, ob auch die abziehbaren Vorsteuerbeträge geschätzt werden dürfen. Der Vorsteuerabzug ist ein Erstattungsanspruch des Unternehmers an den Fiskus, der als unselbstständiger Teil der Steuerberechnung behandelt wird und für dessen Geltendmachung der Belegnachweis zu den materiell-rechtlichen Voraussetzungen gehört. Nach § 162 AO können nur Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden. Es war daher zuvor die Frage zu klären, ob der Vorsteuerabzug eine Besteuerungsgrundlage i. S. dieser Vorschrift darstellt. Nach Einführung des sog. Mehrwertsteuersystems ist diese Frage von den Finanzgerichten nicht einheitlich beurteilt worden. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz[4] und das Finanzgericht Münster[5] hatten die Auffassung vertreten, dass die abziehbaren Vorsteuerbeträge keine Besteuerungsgrundlagen i. S. d. § 217 AO a. F.[6] darstellen und daher nicht geschätzt werden dürfen. Dagegen hielt das Hessische Finanzgericht[7] eine Schätzung der abziehbaren Vorsteuerbeträge für zulässig, weil es sie als Besteuerungsgrundlagen ansah. Die Verwaltung ist der Auffassung, dass die abziehbaren Vorsteuerbeträge grundsätzlich zu den Besteuerungsgrundlagen i. S. d. Abgabenordnung rechnen und dass daher deren Schätzung zulässig ist. Das soll jedoch nur insoweit gelten, als nach Lage des Einzelfalls mit ausreichender Sicherheit angenommen werden kann, dass die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug, zu denen eine in Rechnung gestellte Steuer gehört, vorgelegen haben.

Der BFH[8] ist im Zusammenhang mit der Entscheidung einer anderen Rechtsfrage davon ausgegangen, dass der Vorsteuerabzug zu den Besteuerungsgrundlagen rechnet und hat sich in seiner Entscheidung v. 19.10.1978[9] zur Abgrenzung einer Schätzung von Besteuerungsgrundlagen gegenüber einer Billigkeitsmaßnahme nach § 163 Abs. 1 S. 1 AO[10] geäußert. Diese Rechtsprechung hat der BFH mit seinem Urteil v. 12.6.1986[11] fortgeführt und wie folgt zusammengefasst:

Zitat

  1. Die gem. § 15 UStG abziehbaren Vorsteuerbeträge sind unselbstständige, mit Rechtsmitteln nicht anfechtbare Teile des Umsatzsteuerbescheids.[12]
  2. Seit dem Inkrafttreten der AO 1977 kann über Billigkeitsmaßnahmen nach § 163 Abs. 1 S. 1 AO 1977 nicht mehr im Klageverfahren gegen die Steuerfestsetzung entschieden werden. Steuerfestsetzung und Entscheidung über Billigkeitsmaßnahmen nach § 163 Abs. 1 AO 1977 sind zwei verschiedene Verwaltungsakte, die mit unterschiedlichen Rechtsbehelfen angefochten werden. Dies gilt für alle Verfahren, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der AO 1977 anhängig waren.
  3. Die Schätzung[13] ist ein Verfahren, Besteuerungsgrundlagen mithilfe von Wahrscheinlichkeitsüberlegungen zu ermitteln, wenn eine sichere Feststellung trotz des Bemühens um Aufklärung nicht möglich ist.[14] Eine Schätzung ist aber nicht zulässig, wenn das Vorliegen einer Besteuerungsgrundlage in einer bestimmten Form nachgewiesen werden muss. Fehlt der Nachweis in der vorgeschriebenen Form, dann ist der gesetzliche Tatbestand nicht erfüllt.

Zum dritten Orientierungssatz führte der BFH im Urteil v. 12.6.1986 (a. a. O.) weiter aus, dass nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG (1967/1973) der Abzug von Vorsteuerbeträgen im Rahmen der Steuerberechnung voraussetze, dass dem Unternehmer die Steuern für Lieferungen oder sonstige Leistungen gesondert in Rechnung gestellt wurden, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Liege hierbei ein Mangel vor, könne dieser nicht durch Schätzung behoben werden. Der Schätzung zugänglich seien Besteuerungsgrundlagen nach § 162 Abs. 1 S. 1 AO. Die Schätzung sei ein Verfahren, Besteuerungsgrundlagen mithilfe von Wahrscheinlichkeitsüberlegungen zu ermitteln, wenn eine sichere Feststellung trotz des Bemühens um Aufklärung nicht möglich sei.[15] Eine Schätzung sei jedoch nicht zulässig, wenn das Vorliegen einer Besteuerungsgrundlage in einer b...

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