Rz. 14

In der Praxis häufiger anzutreffen ist der Fall, dass der spätere Anlagenbetreiber einen Unternehmer mit der Lieferung einschließlich der Installation der Fotovoltaikanlage beauftragt. In diesem Fall schuldet der Unternehmer aufgrund eines Werkvertrags das fertige Werk (Fotovoltaikanlage), sodass eine Werklieferung (§ 3 Abs. 4 UStG) vorliegt. Dies gilt unabhängig davon, ob es bereits vor der Montage zu einem Eigentumsübergang an den Komponenten auf den späteren Anlagenbetreiber kommt.[1]

Im Übrigen handelt es sich bei der Werklieferung von Fotovoltaikanlagen, die auf oder an einem Gebäude oder Bauwerk installiert werden (z. B. dachintegrierte Anlagen, Auf-Dach-Anlagen oder Fassadenmontagen) oder die mit dem Grund und Boden fest verbunden werden (Freiland-Fotovoltaikanlagen) um Bauleistungen.[2]

 

Rz. 15

Der Zeitpunkt einer Werklieferung richtet sich nach § 3 Abs. 7 S. 1 UStG danach, wann dem Auftraggeber die Verfügungsmacht am fertigen Werk verschafft worden ist. Dies ist im Regelfall der Tag der Übergabe und Abnahme des fertigen Werks. Unter Abnahme ist die Billigung der ordnungsgemäßen vertraglichen Leistungserfüllung durch den Auftragnehmer zu verstehen, in welcher der Auftraggeber die vertragsgemäße Erfüllung anerkennt. Allerdings kommt es auf die Form der Abnahme nicht an. Eine Verschaffung der Verfügungsmacht ist bereits dann anzunehmen, wenn der Auftraggeber das Werk durch schlüssiges Verhalten (z. B. durch Benutzung) abgenommen hat und eine förmliche Abnahme entweder gar nicht oder erst später erfolgen soll (vgl. Abschn. 13.2 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UStAE). Bei Fotovoltaikanlagen geschieht die Abnahme in der Praxis durch ein Abnahme- und Inbetriebnahmeprotokoll. Darin bestätigt der Werkunternehmer dem Anlagenbetreiber die technische Funktionsfähigkeit der gesamten Anlage. Dieser Zeitpunkt ist maßgebend für die Ausführung der Leistung. Erfolgt nach der Abnahme gesondert die Inbetriebnahme mit dem Netzbetreiber, kommt es gleichwohl auf den ursprünglichen Abnahmezeitpunkt an.[3]

 

Rz. 15a

Bei gleichzeitiger Anschaffung einer Fotovoltaikanlage und eines Stromspeichers (Batteriespeicher) in einem einheitlichen (Werk-)Vertrag liegt nach der ergänzten Verwaltungsauffassung[4] eine Sachgesamtheit vor. Unter den weiteren Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 UStG unterliegt die Lieferung dieser Gesamtanlage (Fotovoltaikanlage und Stromspeicher) als Sachgesamtheit dem Nullsteuersatz. Da eine Sachgesamtheit nur einheitlich geliefert werden kann, unterliegen auch Anlagen dem Nullsteuersatz, die zwar im Jahr 2022 noch geliefert wurden, deren gleichzeitig bestellte Stromspeicher jedoch erst im Jahr 2023 geliefert werden konnten. Rechnungen mit gesondertem Ausweis der USt zum allgemeinen Steuersatz von 19 % sind in diesem Fall zu berichtigen und in einer Schlussrechnung als Gesamtanlage mit dem Nullsteuersatz in Rechnung zu stellen.[5]

 

Rz. 15b

In der Literatur wird die Auffassung vertreten, die Lieferung der Fotovoltaikanlage einschließlich Stromspeicher als Lieferung einer Sachgesamtheit zu qualifizieren, sei ein eleganter Weg, die Lieferung als einzige einheitliche Leistung klar und eindeutig für alle Beteiligten zu bestimmen. Aus rein rechtstechnischer Sicht könne man die Beurteilung als Sachgesamtheit allerdings hinterfragen. Eine Sachgesamtheit benötige eigenständig nutzbare Gegenstände, die exakt aufeinander abgestimmt wären und ohneeinander nicht den vom Leistungsempfänger gewünschten Zweck erfüllen. Sowohl bei den Fotovoltaikanlagen als auch bei den Stromspeichern handele es sich nahezu ausschließlich um Standardprodukte, die zwar zusammen genutzt werden könnten, aber nicht exakt aufeinander abgestimmt wären. Sie könnten auch ohneeinander eingesetzt werden. Lediglich wenn man darauf abstellen würde, dass für den Leistungsempfänger (Anlagenbetreiber) nicht die Produktion des Stroms, sondern die vollständige Energieeigenversorgung im Vordergrund stehe, könne man die Gegenstände als Sachgesamtheit, die diesem Zweck diene, qualifizieren. Problematisch dabei sei, dass, wenn es dem Leistungsempfänger (Anlagenbetreiber) tatsächlich auf die (vollständige) Energieversorgung ankomme, dann auch andere Gegenstände (von der solarbetriebenen Heizung bis hin zum E-Auto) in die Sachgesamtheit hineininterpretiert werden könnten. Dies würde jedoch eindeutig dem ursprünglichen Regelungsinhalt – Lieferung einer Fotovoltaikanlage zum Nullsteuersatz – widersprechen. Möglicherweise hätte die Verwaltung an dieser Stelle eine Tür geöffnet, die erst durch die Rechtsprechung geschlossen werden könne. Es sei sehr wahrscheinlich, dass die Beraterpraxis Analogien bei anderen Sachverhalten sehe und auch dort eine Sachgesamtheit interpretiere. Dies wäre unter Umständen bei Lieferungen von Gegenständen, die einzeln unterschiedlichen Steuersätzen unterliegen, interessant.[6]

 

Rz. 15c

Nach der ergänzten Verwaltungsauffassung[7] stellt die Gesamtanlage (Sachgesamtheit) das Zuordnungsobjekt i. S. d. Abschn. 15.2c UStAE dar. In der Literatur wird jedoch darauf...

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