Im nachfolgenden Kapitel werden anhand eines Praxisbeispiels aus der Energiebranche die Auswahl und Nutzung relevanter Kennzahlen veranschaulicht.

Ausgangspunkt bildet der Strategieprozess im Unternehmen. Im Rahmen der strategischen Analyse wurde im Unternehmen eine Wesentlichkeitsanalyse durchgeführt. Dafür wurden Anforderungen von internen und externen Stakeholdern des Unternehmens anhand eines strukturieren Prozess erhoben und ausgewertet sowie Expertengespräche geführt, um aktuelle Trends und Entwicklungen zu erfassen. Anhand der beiden Kriterien "Relevanz für das Unternehmen" und "Relevanz für die Stakeholder" konnten im Anschluss sechs Fokusthemen von der Geschäftsleitung priorisiert werden: "Klimawandel", "Innovative Kundenlösungen", "Arbeitssicherheit und Gesundheit", "Soziales Engagement", "Nachhaltige Lieferketten" sowie "Compliance und Transparenz".

Jedes der wesentlichen Themen wurde im Kontext der Gesamtunternehmensstrategie, der Geschäftsmodelle und der Funktionsbereiche diskutiert und in einem ersten Schritt wurden für jedes Thema 1-2 strategische Ziele definiert. Diese wurden wiederum für eine Operationalisierung in kurz- und mittelfristige Ziele weiter konkretisiert. Zur Messung der Zielerreichung wurde jeweils eine Top-KPI identifiziert, wobei der Fokus aus Messbarkeitsüberlegungen in einem ersten Schritt auf die Ebene Input/Output (vgl. Kap. 2.3) gelegt wurde.

Als Ausbaustufe sollen zu einem späteren Zeitpunkt ebenfalls Kennzahlen zur Messung des Impacts/Value of Impacts festgelegt werden. Die Auswahl und Priorisierung der Kennzahlen erfolgte hierbei in einem workshopbasierten Vorgehen. Für jedes Thema wurde eine Long-List mit möglichen Kennzahlen erstellt. Dabei wurden die gängigen Standards wie z. B. GRI und SASB berücksichtigt, aber auch die Kennzahlen von Wettbewerbern und Kunden sowie bereits bestehende Kenngrößen im Unternehmen mit einbezogen. In geführten Diskussionen wurden anhand der in Kap. 2 beschriebenen Kriterien die weiter zu berücksichtigenden Kenngrößen identifiziert und diese wiederum priorisiert. Das Ergebnis war ein Kennzahlenset bestehend aus 35 KPIs.

Nachfolgend soll dies für die Fokusthemen "Klimawandel" und "Arbeitssicherheit und Gesundheit", für welche jeweils ein strategisches Oberziel definiert wurde, kurz näher erläutert werden.

4.1 Nachhaltigkeitsziel im Bereich Klimawandel: "Treibhausgasneutralität bis 2050 erreichen"

Für die Erreichung des Ziels wurden zwei mittelfristige Ziele definiert (jeweils bis 2023 im Vergleich zu 2020): "Reduktion der Scope 1 und 2 Emissionen um 90 %" und "Erhöhung des Anteils der Energie aus erneuerbaren Quellen um 20 %", welche mit folgenden KPIs gemessen werden sollen.

THG-Emissionen (Scope 1 und 2)

Die Kennzahl "THG-Emissionen (Scope 1 und 2)" berücksichtigt die Emissionen aller relevanten Treibhausgase (d. h. nebst CO2 auch Methan, Stickstoffmonoxid, usw.) aus den im GHG Protocol beschriebenen Scope 1 (direkte Emissionen der unternehmensinternen Aktivitäten) und Scope 2 (indirekte Emissionen der eingekauften Strommenge) und wird in Tonnen CO2-Äquivalent ausgewiesen (tCO2e). Die Kennzahl wird absolut betrachtet, d. h. nicht relativ zum Unternehmensumsatz oder Deckungsbeitrag, wie dies in der Praxis oftmals vorkommt und umstritten diskutiert wird. Wie eingangs erwähnt, sollen in Zukunft auch Kennzahlen auf Ebene des Impacts/Value of Impacts definiert werden: Ausbaustufe der definierten Output-Kennzahl sind die erwarteten gesellschaftliche Kosten der THG-Emissionen.

Während die Kennzahl "TGH-Emissionen (Scope 1 und 2)" für jedes Unternehmen relevant ist, welches sich Ziele zur Bekämpfung des Klimawandels gesetzt hat, sind die im Folgenden beschriebenen Kennzahlen geschäftsmodellspezifisch.

Installierte erneuerbare Kapazität

Die Input-Kennzahl "Installierte erneuerbare Kapazität" misst die Gesamtleistung aller stromerzeugenden Kraftwerke aus erneuerbaren Energien in Megawatt. Ausgewiesen und geplant soll die Kennzahl nach den unterschiedlichen Energieträgern Wind, Photovoltaik und Laufwasser werden. Mit der Erhöhung installierter erneuerbarer Kapazitäten wird die Grundvoraussetzung für einen höheren Stromanteil aus erneuerbaren Energien geschaffen, welche durch die Kennzahl "abgesetzter Grünstrom" gemessen wird.

Abgesetzter Grünstrom

Die Output-Kennzahl "abgesetzter Grünstrom" misst die verkaufte Strommenge aus erneuerbaren Energien im Vergleich zur gesamten abgesetzten Strommenge. Für diese Kennzahl, welche in % ausgewiesen wird, gilt "mehr ist besser". Zu Analysezwecken ist sie insb. in den Dimensionen "Kunde" (Privatkunde vs. Industriekunde) und "Region" aussagekräftig.

4.2 Nachhaltigkeitsziel im Bereich Arbeitssicherheit und Gesundheit: "Sicheren Arbeitsplatz und Arbeitsbedingungen gewährleisten"

Basierend auf dem übergeordneten strategischen Ziel wurden zwei operative Ziele definiert (jeweils bis 2023 im Vergleich zu 2020): "Reduktion der Anzahl an Beinahunfällen um 50 %" und "Reduktion der Anzahl an Berufsunfällen um 30 %", welche mit folgenden KPIs gemessen werden sollen:

Near-Miss (Beinahunfälle)

Die Kennzahl "Near-Miss" misst die absolute Anzahl Beinahunfall-Meldungen, d. h. die Anzahl Ereignisse, welche nicht zu einem Unfall geführt haben, dies aber hätten ...

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