4.1 Begriff

Während der Geschäftswert den Mehrwert verkörpert, der einem gewerblichen Unternehmen über seinem Substanzwert hinaus innewohnt, stellt der Praxiswert den entsprechenden Mehrwert freiberuflicher Praxen dar. Praxiswert ist der den Substanzwert einer freiberuflichen Praxis übersteigende Wert, der sich aus den verschiedenen wertbildenden Einzelbestandteilen zusammensetzt, z. B. Patienten- oder Mandantenstamm, Standort, Umsatz. Er ergibt sich aus dem Vertrauen der Mandanten (bzw. Patienten) in die Leistungsfähigkeit und Tüchtigkeit (Kenntnisse, Erfahrung, Beziehungen) des Praxisinhabers und ist daher eng mit seiner Person verbunden.[1]

Wie beim Geschäftswert des Betriebs eines Gewerbetreibenden handelt es sich auch beim Praxiswert um einen Inbegriff einer Anzahl von im Einzelnen nicht messbaren Faktoren. In dem vom Käufer einer Vertragsarztpraxis erworbenen erworbenen immateriellen Wirtschaftsgut "Praxiswert" sind somit insbesondere der "Vorteil aus der Vertragsarztzulassung" und der "Patientenstamm "mitenthalten".[2]

Auch bei einem Praxiswert unterscheidet man zwischen einem originären (d. h. selbstgeschaffenen) und einem derivativen (d. h. entgeltlich erworbenen) Wert; Letzterer tritt beim Kauf einer Praxis, Teilpraxis oder eines Anteils an einer Sozietät in Erscheinung, wenn vom Käufer ein über den Substanzwert der übernommenen Wirtschaftsgüter hinausgehender Mehrwert gezahlt wird.

4.2 Immaterielles Wirtschaftsgut

Der Praxiswert einer freiberuflichen Praxis stellt – entsprechend dem Geschäftswert – ein immaterielles Wirtschaftsgut dar. Der derivative, d. h. der entgeltlich erworbene Praxiswert, stellt ein abnutzbares Wirtschaftsgut dar, das mit den Anschaffungskosten anzusetzen ist und auf das AfA vorzunehmen sind, wohingegen der selbst geschaffene (originäre) Praxiswert nicht abgeschrieben werden darf.[1]

Für den selbstgeschaffenen Praxiswert gilt, ebenso wie für selbstgeschaffene Geschäftswerte, ein Aktivierungsverbot. Das Aktivierungsverbot für nicht entgeltlich erworbene immaterielle Anlagewerte[2] gilt auch für die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 3 EStG und damit auch für die Ermittlung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit.[3].

4.3 Planmäßige Abschreibungen

Trotz der Ähnlichkeit zwischen Geschäftswert und Praxiswert bestehen hinsichtlich der Möglichkeit der planmäßigen Abschreibung Unterschiede.

Die Abschreibbarkeit eines Praxiswerts beruht auf der Überlegung, dass der Wert einer freiberuflichen Praxis im Wesentlichen auf dem persönlichen Vertrauensverhältnis zum Praxisinhaber beruht, das nach dessen Ausscheiden zwangsläufig endet, sodass sich der Praxiswert verhältnismäßig rasch verflüchtigt.

Nach der Rechtsprechung des BFH[1] führt dies dazu, dass bei der Übertragung einer Einzelpraxis eine regelmäßige AfA auf die Anschaffungskosten des Praxiswerts vorzunehmen ist. Dabei ist die Nutzungsdauer des Praxiswerts zu schätzen; sie beträgt, abweichend von der gesetzlichen Fiktion für den Geschäftswert von 15 Jahren,[2] i. d. R. 3 – 5 Jahre[3], bei einem sog. Sozietätspraxiswert 6–10 Jahre.[4] Da es sich auch beim Praxiswert um ein immaterielles Wirtschaftsgut handelt, ist nur die lineare AfA zulässig.

In einer neueren Entscheidung hat der BFH die der AfA-Ermittlung zugrunde gelegte 3-jährige Nutzungsdauer für den Praxiswert nicht beanstandet und nur darauf hingewiesen, dass sie am unteren Ende innerhalb der von der Rechtsprechung anerkannten 3- bis 5-jährigen Nutzungsdauer für entgeltlich erworbene Einzelpraxiswerte liegt.[5]

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge